Название: Der Aktionskreis Halle
Автор: Sebastian Holzbrecher
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Erfurter Theologische Studien
isbn: 9783429061265
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Der Erfurter Bischof Hugo Aufderbeck war erst durch den „Jäger-Brief“ in die Entwicklungen um den AKH verflochten worden. Seine Herkunft als Paderborner Priester, die langjährige Tätigkeit als Priester in Halle (seit 1938) und das wegweisende Wirken als Magdeburger Seelsorgeamtsleiter (1948-1962) hatten ihn natürlich mit den späteren Gründungsvätern des AKH in enge und teils freundschaftliche Verbindungen gebracht. Für Claus Herold war Hugo Aufderbeck seit 1938/39 Lehrer und Beichtvater.716 Mit Adolf Brockhoff verband ihn seit 1953 die gemeinsame Arbeit.717 Obgleich die engen Verbindungen zwischen Herold, Brockhoff und Aufderbeck auch nach dessen Weggang aus Magdeburg 1962 bestehen blieben, war das Verhältnis in den kommenden Jahren nicht ungetrübt. Daher kann von einem Erfurt-Hallenser Schattenkomplott gegen Weihbischof Rintelen, wie von Prälat Jäger mit dem Diktum einer „fünften Kolonne“ insinuiert, kaum gesprochen werden, selbst wenn man eine bleibende Distanz zwischen Rintelen und Aufderbeck konzediert.718 Die überhitzte Situation im Kommissariat Magdeburg vor und nach der Weihe von Bischof Braun und die Verwirrung durch den veröffentlichten Jäger-Brief hatten es dem Erfurter Bischof Aufderbeck mehr als geboten erscheinen lassen, sich nicht gegenüber dem AKH zu positionieren. Bereits im April 1970 zeigte er sich distanziert und warb für eine Überwindung der vorhandenen Spannungen.719 In einem ausdrücklich persönlichen Brief wandte sich Hugo Aufderbeck am 13. Oktober 1970 an Claus Herold.720 Darin kritisierte er nicht nur Fehler im letzten AKH-Rundbrief721, sondern bezog auch direkt und indirekt Stellung zum Aktionskreis: „Zur Arbeitsweise Eures Aktionskreises möchte ich mich nicht äußern. Nur würde ich es sehr bedauern, wenn einer meiner jungen Mitbrüder durch diesen Kreis in eine Richtung käme, die wahrscheinlich für ihn nicht gut ist, zumal wenn er dadurch vielleicht noch veranlasst würde, hier eine ähnliche Gruppe zu gründen. Ich bemühe mich, für alle Gespräche offen zu sein und dazusein. Du tätest mir damit keinen Freundesdienst.“722 Stellte das Vorgehen des Aktionskreises tatsächlich die Freundschaft beider auf die Probe oder kann dieser Brief nicht auch als correctio fraterna interpretiert werden? Ähnlich persönliche Empfehlungen gab ein weiterer Freund Claus Herolds, der Paderborner Weihbischof Paul Nordhues.723 Drei Jahre später, im November 1973, bezog Hugo Aufderbeck noch einmal Stellung gegenüber dem AKH und Claus Herold. Ausschlaggebend für einen scharfen Brief Aufderbecks war eine Zeitungsmeldung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 29. Oktober 1973, die die Problematik von aus dem Amt geschiedenen Priestern in der DDR anhand von Aussagen des Aktionskreises thematisierte.724 Aufderbeck fühlte sich von der Verleumdung in der bundesdeutschen Presse verletzt und kritisierte vor allem die „globale Diffamierung“ der ostdeutschen Bischöfe, die durch die Aussagen des AKH ermöglicht wurde.725 Beide Briefe deuten klar auf eine distanzierte Haltung Aufderbecks gegenüber den Hallenser Aktivitäten hin.
Von weiteren ostdeutschen Bischöfen sind entweder nur Faszikel oder keine schriftlichen oder mündlichen Stellungnahmen zum AKH überliefert. Der Berliner Erzbischof Alfred Kardinal Bengsch hat keine schriftliche Stellungnahme zum Hallenser Aktionskreis abgegeben, die in kirchlichen Archiven oder dem Privatarchiv des Aktionskreises überliefert ist. Doch weisen die kritischen Auseinandersetzungen des Kardinals mit Adolf Brockhoff im Rahmen des Hallenser Sprachenkurses sowie mit Claus Herold im Hinblick auf seine Tätigkeit als Sprecher der DDR-Jugendseelsorger auf eine kirchenpolitisch wie theologisch begründete Distanz hin. Dies wird auch von einzelnen Kommentaren gegenüber Dritten belegt. In einem Brief an den Leipziger Oratorianer Pfarrer Dr. Wolfgang Trilling726 wandte sich Alfred Bengsch im Juni 1969 gegen dessen Darstellungen zur Kirchenpolitik der Bischöfe in der DDR.727 Der Vorsitzende der BOK führte dabei aus, dass die Vorliebe für den Pluralismus in der Kirche unter den „uns auferlegten Bedingungen gelegentlich zurücktreten [müsse, SH], denn eine Kirche, die in unserer Staatsform leben muss, darf doch wohl den innerkirchlichen Dialog nicht so führen, dass sie anderen Kreisen direkt die Möglichkeit bietet, ihr schwer zu schaden.“728 Trillings Äußerungen wirkten umso mehr, so die Wahrnehmung Bengschs, da er von der BOK als Dozent für Exegese beauftragt ist. Es hat deshalb, so der Kardinal weiter, „eine andere Wirkung als die permanenten Äußerungen des Unbehagens, die etwa Pfarrer Brockhoff als Beitrag zum Leben der Kirche liefert.“729 Im Nachlass Bengsch findet sich eine Sammlung von AKH-Rundbriefen, die allerdings nicht kommentiert wurde.730 Sein Nachfolger, Joachim Kardinal Meisner731, hatte den Berliner Prälaten Paul Dissemond 1985 beauftragt, dem „sogenannten Aktionskreis Halle“ mitzuteilen, dass es nach bischöflicher Auffassung ein innerkirchliches Gremium mit diesem Namen nicht gäbe.732 Die Bischöfe von Erfurt und Meißen, Joachim Wanke733 und Gerhard Schaffran, standen dem Kreis nicht ausdrücklich ablehnend gegenüber.734 Entgegen dem unter Kardinal Bengsch gepflegten „Ignoranzparadigma“ gegenüber dem AKH, antwortete der Schweriner Apostolische Administrator und Bischof Heinrich Theissing 1982 auf einen Brief von Joachim Garstecki. Der Vordenker des AKH in Friedensfragen hatte dem Schweriner Bischof seinen Text „Zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit: Auf der Suche nach Frieden“ als Reaktion auf Theissings Hirtenbrief zur Friedensfrage 1982 übermittelt.735 Die knappe bischöfliche Antwort ist wohl die einzige dokumentierte positive Äußerung eines ostdeutschen Bischofs gegenüber inhaltlichen Ansätzen des Hallenser Aktionskreises bis 1989: „Diese realistischen und beachtenswerten Überlegungen tun einem richtig wohl gegenüber manchen unverantwortlichen emotionalen Äußerungen, auch von Persönlichkeiten, wo man etwas Anderes erwarten müsste.“736
Die Quellenlage des AKH-Privatarchivs erlaubt es zudem, eine Einordnung anhand von Briefen von Erfurter Professoren vorzunehmen. Die Bewertung und Kommentierung des Hallenser Aktionskreises durch Teile der Professorenschaft des Philosophisch-Theologischen Studiums in Erfurt ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil Erfurt die einzige kirchlich-akademische Ausbildungsstätte für den Klerus in der DDR war. Die kirchliche Hochschule genoss hohes Ansehen und ihren Professoren kam eine bedeutende Stellung als theologische Berater und Vermittler in der DDR zu. Die hier lehrenden Professoren waren trotz der innerdeutschen Teilung und Isolation international vernetzt und genossen nicht zuletzt als Konzilstheologen und -teilnehmer weltweites Renommee.
Professor Dr. Bruno Löwenberg737 stammte aus Halle und war seit 1953 Ordinarius für Pastoraltheologie in Erfurt.738 Er war Paderborner Priester und hatte vor seiner Berufung nach Erfurt die Stelle des Subregens im Paderborner Priesterseminar wahrgenommen.739 Prof. Löwenberg war Teilnehmer der ersten Sessio des II. Vatikanischen Konzils.740 Als Angehöriger des Magdeburger Presbyteriums stand er in Kontakt zu den Initiatoren des AKH. Professor Löwenberg bedankte sich regelmäßig für die Informationssendungen und Einladungen des Aktionskreises, nahm aber nie an einer Vollversammlung teil.741 Den Themen der Rundbriefe attestierte er einen für den ostdeutschen Raum hilfreichen kritischen Tenor: „Danken möchte ich Ihnen besonders für Ihren Rundbrief vom 5.3. Es freut mich, dass die Themen der (sic!) ‚Lücken‘ anfassen. So werden sie nicht vom Tisch gewischt.“742
Der Erfurter Lehrstuhl für Exegese des Neuen Testamentes war mit dem international angesehenen Konzilstheologen Professor Dr. Heinz Schürmann besetzt, der ebenfalls Paderborner Diözesanpriester war.743 Er war über 15 Jahre lang Mitglied der Internationalen Theologenkommission und war in der Nachfolgefrage für Weihbischof Rintelen einer der aussichtsreichsten Kandidaten. Regelmäßig und von Anfang an bezog er die Hallenser Rundbriefe und nutzte die dort veröffentlichten Artikel auch für seine akademische Lehrtätigkeit.744 Zu Claus Herold pflegte er über Jahre einen engen Kontakt.745 1977 hatte ihn Pfarrer Herold im Auftrag des AKH-Sprecherkreises als Referenten für eine Vollversammlung eingeladen.746 Die Replik Schürmanns offenbarte, dass es sieben Jahre nach der umstrittenen СКАЧАТЬ