Katholiken in den Thüringer Kleinstaaten. Martin Gebhardt
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СКАЧАТЬ direkt zusammentrafen. Die Ansiedlung von Katholiken in den lutherisch geprägten Territorien Mitteldeutschlands ist demnach in den Rahmenbedingungen dieses Friedensvertrages zu betrachten.

      Ein Schlüsselbegriff stellt das sogenannte „Normaljahr“ dar. Dieses setzte mit dem Jahr 1624 eine entscheidende Marke, an der sich die künftige Ordnung des Reiches festmachen sollte.84 Auf den Ist-Zustand der politischen und konfessionellen Ordnung des genannten Jahres einigten sich die Vertragspartner als Punkt des künftig angestrebten „Status quo“. Diese Jahreszahl markiert einen Kompromiss, der weder die katholische noch die protestantische Seite bevorzugte.

      Ausdrücklich wurde die Gleichwertigkeit der einzelnen Bekenntnisse bekundet und die zwangsweise Ordnung des „cuius regio – eius religio“ gelockert. Der Religionsfriede von 1555 wurde somit ausdrücklich bestätigt und außerdem um das calvinische Bekenntnis erweitert, das fortan auch anerkannt war.85

      Große Bedeutung erlangte der Friedensvertrag für die konkrete religiöse Praxis: War es bis dahin streng genommen nicht gestattet als Katholik in lutherischem Gebieten seinen Glauben auch nur im Privaten nachzugehen, und natürlich auch umgekehrt, so wurde dies nun der Einzelperson zugestanden.86

      Zwar war die Konfession des Landes grundsätzlich festgelegt und daher auch das „exercitium publicum religionis“, doch wurde die private Glaubenspraxis der Fremdkonfession zugebilligt, die sich auch durch private Hausandachten (devotio domestica) äußern durfte.87 Für Katholiken in Mitteldeutschland hätte dies bedeutet, dass man auch ihnen dies zugestanden hätte und sie zur privaten Glaubensausübung keinerlei Genehmigung des Landesherrn bedurften. Allerdings ist das Stichjahr 1624 zu beachten. Der entsprechende Gesetzestext ist nur anzuwenden, wenn zum 1. Januar 1624 auch Katholiken im Staat lebten.88 Da dies im Falle der Thüringer Kleinstaaten nicht der Fall war bzw. ohne öffentliche Wahrnehmung blieb, traten die Bestimmungen des Westfälischen Friedens diesbezüglich nicht in Kraft, so dass das Normaljahr für Katholiken diesbezüglich in den Thüringer Kleinstaaten nicht galt.89 Die Konsequenzen daraus lassen sich an der später geübten Praxis innerhalb der Thüringer Herrschaftsgebiete ablesen: Die Abhaltung katholischer Andachten, auch im Privaten, wurde erst nach Anfrage und darauffolgender Genehmigung des Landesherrn ermöglicht.90

      Die Bestimmungen des Westfälischen Friedens waren in jeder Hinsicht ein Kompromiss. Die ansatzweise Durchbrechung des „cuius regio – eius religio“ und die Duldung einer anderen Konfession sind damit nicht als freiwilliger Schritt zur Toleranz, sondern als einfache Notwendigkeit zu werten.91 Deutlich wird dies auch am sichtbaren Willen konfessionell einheitliche Gebiete zu schaffen. Der Landesherr hatte demnach das Recht, nach einer einzuhaltenden Frist, Mitglieder anderer Konfessionen des Landes zu verweisen.92 Politik blieb demnach auch künftig Religionspolitik und deutlich an den Landesherrn gebunden, der somit weiterhin die Konfession seiner Untertanen, wenn auch nun abgeschwächt, bestimmen konnte. Viele Menschen waren „Grenzgänger“ zwischen den Konfessionen, ja verbanden in sich die verschiedenen Bekenntnisse und wiesen eine gewisse konfessionelle Hybridität93 auf. Die Konversion eines Landesherrn war daher nicht unüblich und stellte oftmals ein Mittel der Außen- und Wirtschaftspolitik dar.94 Ein daraufhin erforderlicher Konfessionswechsel seiner Untertanen war jedoch mit den neuen Bestimmungen ausgeschlossen worden.95

      Offen blieb ferner die Frage der katholischen Diözesanordnung. Man verständigte sich auf einen Kompromiss, der bis zur Beendigung der Glaubensspaltung gelten sollte. In den Gebieten der neuen Lehren blieb die Jurisdiktion der katholischen Bischöfe bis auf Weiteres suspendiert. Formal bestanden sie damit aber immer noch weiter.96 Die geistlichen Territorien wurden teilweise zu Gunsten weltlicher Herrscher aufgehoben, worin erste Ansätze einer Säkularisation zu erkennen sind.97 Die Jurisdiktion über Diözesangebiete, deren Bischofsitze untergingen, ging nach katholischem Verständnis direkt auf den Papst über, der die protestantischen Gebiete Norddeutschlands, aber auch Skandinaviens, zu einer Nordischen Mission zusammenfasste und diese 1622 der „Congregatio de Propaganda Fide“ unterstellte.98 Zur Verbesserung der administrativen Struktur wurde 1667 ein Apostolisches Vikariat für die Nordische Mission99 installiert, dessen Apostolischer Vikar einem Nuntius zugeordnet war.100 Fernerhin entstand bereits 1743 ein gesondertes Vikariat für das albertinische Kurfürstentum Sachsen, bedingt durch die wachsende Zahl von Katholiken am Hof, des zum Katholizismus konvertierten Kurfürsten und Königs Friedrich August (1670-1733), welches für den Ostthüringer Raum von besonderer Bedeutung werden sollte.101

      Grundsätzlich war die Bedeutung der Apostolischen Vikariate der Nordischen Mission für Thüringen nur gering, da eine ruhende Jurisdiktion der Mainzer und Würzburger Bischöfe angenommen werden muss. Einzig die Ostthüringer Gebiete der Herren zu Reuß und die Gegend um Altenburg entzogen sich dieser Zugehörigkeit.

      Die Bestimmungen des Westfälischen Friedens hatten für katholisches Leben in den Thüringer Herrschaften keine Auswirkung. Die im Friedensvertrag ausgehandelte Festlegung des „Normaljahres 1623“ blieb für die Katholiken bedeutungslos, da 1623 keine katholischen Christen vor Ort lebten. Auf diesem Hintergrund wird deutlich, vor welchen Problemen Katholiken in Thüringen standen. Entgegen dem sonst geltenden Recht waren sie es, die jeweils neu ihre Position im Staat aushandeln mussten. Ab Ende des 18. Jahrhunderts, besonders aber zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist dies für fast alle thüringischen Kleinstaaten belegbar. Von daher ist die Entwicklung der katholischen Gemeinden Thüringens eng mit der Geschichte des 19. Jahrhunderts verknüpft.

      Die fortbestehende politische Zersplitterung Thüringens im 19. Jahrhundert wirkte wie ein Gegenbild zu den wachsenden Einigungsbestrebungen in Deutschland.103 Dabei brachte sie nicht nur Nachteile mit sich: Beispielsweise hatte die politische Zerrissenheit nicht nur eine machtpolitische Randstellung Thüringens zur Folge, sondern auch dessen überragende Stellung im künstlerischen und kulturellen Bereich.104 Die politische Bedeutungslosigkeit und die kleinstaatliche Verwaltung, die wie nirgends sonst mit einem ausgeklügelten Beamtensystem105 gelenkt wurde und sich nicht nur auf eine Herrschaft106 von Gottes Gnaden aufbauen konnte, sondern moderne Züge in der Verwaltung annahm, führten zu einer ausgeprägten Förderung der Kunst.107 Diese machte Thüringen zu einem Zentrum des Denkens und der Kultur, allerdings im Rahmen der Kleinstaatlichkeit und der damit oftmals in Verbindung stehenden kleinbürgerlichen Gedankenwelt. Demnach war es nicht nur eine persönliche Vorliebe der Thüringer Fürsten für Kunst und Kultur, sondern letztlich deren einzige Möglichkeit ein Eigenprofil zu entwerfen, das auf politischer Ebene unmöglich war. Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) macht dies an seinem Weimarer Herrn fest, (Groß-) Herzog Carl August (1757-1828, reg. 1775-1828): „Der Großherzog war eine dämonische Natur, voll unbegrenzter Tatkraft und Unruhe, so daß sein eigenes Reich ihm zu klein war und das größte ihm zu klein gewesen wäre.“108

      Die Thüringer Staaten unterlagen in ihrer Geschichte ständigen Grenzverschiebungen, Neuteilungen und Einverleibungen. Im 19. Jahrhundert stellten sich im Wesentlichen die politischen Strukturen Thüringens wie folgt dar:

      Der wettinische Herrschaftsbereich teilte sich in die Herzogtümer Sachsen-Weimar-Eisenach109, Sachsen-Gotha-Altenburg, Sachsen-Coburg-Saalfeld, Sachsen-Meiningen und Sachsen-Hildburghausen auf. Nach einer Gebietsreform durch den Hildburghäuservertrag im Jahr 1826, die nach dem Erlöschen der Linie Sachsen-Gotha-Altenburg notwendig wurde, verringerte sich diese Zahl und erhielt ihre endgültige Aufteilung bis zum Ende der Monarchie.110 Gotha wurde fortan von Coburg aus in Personalunion regiert. Sachsen-Saalfeld und Sachsen-Hildburghausen wurden dem Meininger Staatsgebiet einverleibt, das dadurch riesige Gebietsgewinne verzeichnen konnte, die das ursprüngliche Territorium fast verdoppelten. Der Herzog von Sachsen-Hildburghausen wurde mit dem wiedergeschaffenen, von Gotha gelösten Herzogtum Altenburg neu versehen.

      Dominierend unter den wettinischen Herzogtümern СКАЧАТЬ