Название: Katholiken in den Thüringer Kleinstaaten
Автор: Martin Gebhardt
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Erfurter Theologische Studien
isbn: 9783429062866
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Stetig auf seine Souveränität bedacht, konnte sich das Haus Schwarzburg, das sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts in zwei Linien aufgespalten darstellte, als einziges, wirklich thüringisches Adelsgeschlecht über Jahrhunderte behaupten. Die Ländereien der beiden Staaten unterteilten sich je in eine Ober- und Unterherrschaft mit den Residenzen in Rudolstadt und Sondershausen.
Im Osten Thüringens, zwischen den beiden wettinischen Herrschaften der Ernest- und Albertiner gelegen, erstreckten sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts vier Staaten der Herren zu Reuß, unterteilt in Reuß ältere und jüngere Linie, letztere umfasste zu diesem Zeitpunkt drei zu unterscheidende Einzelstaaten.114 In Reuß etablierte sich ein Territoriengefüge, das auf Grund seiner geringen Größe kaum überlebensfähig wirkte. Neben diesen einheimischen Mächten beherrschten weiterhin auch auswärtige Herrscher größere Thüringer Gebiete. Aus kirchlicher Perspektive sind insbesondere die kurmainzischen Gebiete interessant, die mit dem Kurfürsten und Erzbischof von Mainz einem katholischen Landesherrn unterstanden. Geografisch zentral gelegen waren hierbei Erfurt und das zur Stadt gehörige Umland.115
Neben dem Erfurter Stadtgebiet besaß Mainz noch das nordthüringische Eichsfeld, das nach Einführung der Gegenreformation fast vollständig zum katholischen Bekenntnis zurückgeführt worden war.116 Zum Jahrhundertwechsel 1800 bestanden diese geistlichen Gebiete noch, fielen jedoch in der beginnenden Säkularisationswelle 1802 an Preußen, das nach kurzer französischer Herrschaft erneut diese Gebiete sich einverleiben konnte. Preußen sicherte sich damit dauerhaft in Thüringen Territorien.117 Als weitere, auswärtige Instanz besaß Hessen-Nassau Gebiete im Thüringer Wald um die Stadt Schmalkalden. Im Jahr 1866 fielen auch diese Gebiete an Preußen.
2.1 Überlebenskampf der Kleinstaaten – Zwischen Souveränität und Auflösung
Die sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts präsentierende Herrschaftsordnung musste sich großen Umformungsprozessen auf europäischer Ebene stellen. Die Napoleonischen Kriege waren hierbei von besonderer Tragweite.
Napoleonische Kriege und Restauration
Nach dem vorläufigen Ende der Monarchie in Frankreich, dem Siegeszug der Französischen Revolution und dem Scheitern ihrer Zurückweisung bzw. Eindämmung durch die europäischen Mächte, auch durch Sachsen-Weimar-Eisenach, das sich durch seinen Herzog Carl August118 am Krieg gegen die Revolutionäre beteiligte, breitete sich der Krieg unter Napoleon Bonaparte (1769-1821) weiter über Europa aus.119
Im Jahr 1802 erfolgte für Thüringen die erste territoriale Veränderung: Preußen schloss mit Frankreich einen Sondervertrag, der es für die Verluste linksrheinischer Gebiete mit geistlichen und reichseigenen Territorien in Deutschland entschädigen sollte.120 Die kurmainzischen Gebiete in Thüringen, die Stadt Erfurt und das Eichsfeld, wurden an Preußen übergeben, das am 21. August 1802 in Erfurt einrückte121 und eine über tausendjährige Zugehörigkeit der Stadt zu Mainz beendete.
Die Herrschaft Napoleons bedeutete Krieg und eine tiefgreifende Umformung der europäischen Machtverhältnisse. Militärisch und politisch hatten die Thüringer Staatsgebiete wenig der französischen Großmacht entgegen zu setzen, aber auch nichts im Interesse Frankreichs zu bieten, so dass eine Angliederung an andere deutsche Staaten als wahrscheinlich schien. Am 8. August 1805 warnte Herzog Friedrich von Sachsen-Hildburghausen (1763-1834, reg. 1787-1826)122 die Regenten in Meiningen und Coburg123 vor einer drohenden Angliederung an das napoleonische Großherzogtum Würzburg, was sich jedoch als reines Gerücht herausstellte.124 Die Empfindlichkeit mit welcher der Herzog jedoch reagierte, zeigt eindrücklich die Brisanz der damaligen Sachlage, welche die Regierungen der Kleinstaaten veranlasste, vom albertinischen Kurfürstentum Sachsen Beistand zu erbitten. Ein gemeinsames Auftreten gelang den Thüringer Souveränen jedoch nicht. Sachsen konnte letztendlich nicht am Vorabend des Krieges als Bündnispartner gefunden werden und auch eine Eingliederung in den zu gründenden Norddeutschen Bund scheiterte.125
Dem gegenüber baute sich ein französisches Bündnis auf, das den Untergang der alten Reichsordnung besiegeln sollte: die „Confédération de Rhin“, der Rheinbund.126 Am 1. August 1806 erklärten betreffende Staaten ihren Austritt aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und diktierten damit das Ende des Reiches.127 Am 6. August 1806 legte Kaiser Franz II. (1768-1835) die Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation nieder.128
Die Suche der Thüringer Kleinstaaten nach einem starken Bündnispartner verlief nur für Sachsen-Weimar-Eisenach erfolgreich. Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach schloss am 4. Oktober 1806, demnach kurz vor der Schlacht bei Jena und Auerstedt, ein Bündnis mit Preußen und galt damit als offizieller Gegner der Franzosen.129
Der Krieg der Franzosen gegen Preußen verlagerte sich auf thüringischen Boden. Berühmt für den Einmarsch Napoleons ist die Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt geworden. Die Franzosen besetzten am 13. Oktober 1806 Jena. Am 14. Oktober 1806 erfolgte der für die Preußen überraschende und letztlich für Napoleon siegreiche Angriff.130
Nach der Schlacht von Jena und Auerstedt begann für Teile Thüringens eine Zeit französischer Herrschaft. Schon am 17. Oktober 1806 wurde Erfurt besetzt, das zwar eine preußische Verteidigung von etwa 10.000 Mann aufweisen konnte, sich aber nicht zum Kampf stellen wollte und am 16. Oktober 1806 kapitulierte.131 Erfurt wurde zum Zentrum der französischen Herrschaft in Thüringen auf Jahre hin. Am 4. August 1807 wurde ein französisches Fürstentum Erfurt errichtet, das am 29. August des gleichen Jahres offiziell von Preußen abgetrennt wurde.132 Die Thüringer Kleinstaaten wurden Mitglieder des Rheinbundes.133
In der Neuaufteilung Europas sollte zunächst Erfurt eine besondere Rolle einnehmen. Die Verhandlungen der beiden großen Kriegsgewinner Frankreich und Russland fanden in der thüringischen Metropole statt. Erfurt rückte für die Zeit vom 27. September bis 14. Oktober 1808 durch den Fürstenkongress in das Zentrum Europas.134
Nach dem Scheitern der Grande Armée auf ihrem Russlandfeldzug und der Niederlage Frankreichs in der Völkerschlacht bei Leipzig am 19. Oktober 1813 sank der Stern Napoleons: Am 31. März 1814 nahmen die alliierten Truppen Paris ein. Napoleons Herrschaft war kurzzeitig beendet. Nach dessen Rückkehr aus der Verbannung von Elba und seiner „Hundert Tage Herrschaft“ erlitt er bei Waterloo am 18. Juni 1815 seine letzte Niederlage.135
Der Sieg über die Franzosen konnte die bis dato vorhandenen Veränderungen in Europa allerdings nicht mehr vollständig revidieren. Ab September 1814 traten im Wiener Kongress die Kriegsgewinner Österreich, Russland, England und Preußen zusammen.136 Dazwischen versuchten die kleineren deutschen Einzelstaaten ihre Interessen zu wahren. Die restaurative Ausrichtung des Kongresses diente klar der Wiederherstellung der Macht der europäischen Monarchien und dem Verdrängen revolutionärer Ideen, doch schufen die Ereignisse zu Beginn des Jahrhunderts nicht umkehrbare Fakten, insbesondere für das Ende von Reich und Reichskirche.
Das allgemeine Erweiterungsstreben der Großmächte auf dem Wiener Kongress brachte auch die thüringischen Kleinstaaten in die Gefahr ihre Souveränität zu verlieren. Da sie Mitglieder des Rheinbundes waren, in diesen jedoch gezwungen worden waren und daher nicht als Verbündete der Franzosen galten, konnte ihre Unabhängigkeit bewahrt werden. Für Sachsen-Weimar-Eisenach waren sogar bedeutsame Gebietsgewinne zu verzeichnen und die Erhebung zum Großherzogtum.137 Preußen verpflichtete sich dabei, Gebiete des ehemaligen Fürstbistums Fulda an das neue Großherzogtum abzutreten.
Für die Kleinstaaten bedeutete der Kongress vielfach ein Abwarten von Entscheidungen, die bei den Großmächten СКАЧАТЬ