Katholiken in den Thüringer Kleinstaaten. Martin Gebhardt
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      Der Bruch mit dem alten Glauben entsprach dabei einem indirekten Bruch mit Kaiser Karl V. (1500-1558), der den katholischen Glauben verteidigte, auch um hiermit die Einheit des Reiches zu sichern. Kurfürst Johann scheute zunächst eine Konfrontation mit dem Kaiser, nicht nur aus staatsdynastischen, rechtlichen und militärischen, sondern auch aus Gründen der Gefolgschaft. Für andere Fürsten stellte die neue Lehre jedoch ein willkommenes Mittel zur Profilierung gegenüber dem Kaiser dar.53

      In Kursachsen entwickelten sich erste strukturschaffende Elemente für den Umgang mit der neuen Kirchensituation. Die allgemeine Tendenz zur Staatenbildung und der Aufbau eines sich vom alten Vasallenwesen abhebenden Verwaltungssystems zum Beginn des neuen Jahrhunderts begünstigte diese Situation.54

      Als im Jahr 1527 Kursachsen eine Landeskirche wurde, oblag die Leitung dieser fortan dem Kurfürsten. Es war zunächst eine Notlösung, die eben durch die verworrenen Verhältnisse nötig wurde. Die Kirche sollte demnach zwar vom Staat unabhängig sein. Da aber der weltliche Fürst nach göttlichem Willen Herrscher sei, stehe ihm auch in kirchlichen Fragen Verantwortung und Entscheidungskompetenz zu.55 Hatte also die kirchliche Eigenbestimmung versagt und war diese nicht in der Lage die christliche Lehre wirksam zu schützen, kam es dem Landesherrn zu, in die Belange der Kirche einzugreifen und diese zu ordnen.56

      Dass Landesherren Einfluss auf die Kirche vor Ort ausübten, war schon in vorreformatorischer Zeit üblich.57 Durch Sicherung von päpstlichen Privilegien und Stiftung geistlicher Einrichtungen vermochte es auch der katholische Fürst, Einfluss auf die kirchlichen Verhältnisse seines Landes zu nehmen.58 Die Schaffung eines Kirchenregiments durch die sächsischen Kurfürsten ist bereits vorreformatorisch in Grundsätzen nachweisbar und steht in engem Zusammenhang eines sich wandelnden Bildes der Landesherrschaft.59

      Im Jahr 1526 ordnete Kurfürst Johann der Beständige eine umfassende Prüfung der kirchlichen Verhältnisse an.60 Bei diesen Visitationen61 handelte es sich um eine grundlegende Erhebung der vorhandenen Geistlichkeit, der kirchlichen Güter, der Besitzstände der Geistlichen, aber auch der Klöster62 und deren geistlichen Zustandes. Damit verschoben sich klar die bisherigen Kompetenzen. Luther verkörperte wie kein anderer den Umbruch, doch wurde er zunehmend zu einer Randfigur. Der Staat war es, der fortan administrativ eingriff und damit die Reformation lenkte.63 Dazu sah er sich auch in der Verantwortung, denn die Disziplinierung der Bevölkerung, auch in ihrem moralischen Lebenswandel, wurde in die Kompetenz des Landesherrn gelegt.64 Die Reform der Kirche wurde zunehmend eine Reformation der Fürsten, wenn auch nicht eine absolute.65 Die drängendsten Fragen im Land mussten gelöst werden. Von daher war eine neutrale Haltung des Landesherrn nicht möglich und eine Lösung auf Reichsebene schien nicht realisierbar.66 Die von Johann angeordneten Visitationen waren somit auch Mittel der Politik und Grundlage der Umformung Kursachsens zu einer Landeskirche.67 Kirche wurde damit nicht nur zu einem Organ des Staates, sondern auch im mitteldeutschen Raum eine Kirche lutherischer Ausprägung: katholische Geistliche, wie auch andere protestantische Strömungen, hatten nur die Möglichkeit sich der allgemeinen lutherischen Auffassung anzuschließen.68 Die staatliche Kirchenpolitik, ausgestattet mit der kurfürstlichen Instruktion zu den Visitationen, erlassen am 16. Juni 152769, die es in dem Sinne vorher nicht gab, wurde zum Garanten des Luthertums.

      Schrittweise wurde eine durch den Staat gelenkte kirchliche Verwaltung aufgebaut und durch den Erlass von Kirchenordnungen70 eine neue Rechtsstruktur geschaffen. Aus Aufsichtsbereichen der Visitatoren wurden kirchliche Verwaltungsbezirke, so genannte Superintendenturen, die, da sie „staats-kirchliche Einrichtungen“ waren, eine vollkommen neue Kirchenstruktur entwarfen. In Thüringen entwickelte sich somit die Superintendenturverfassung.71

      Diözesangrenzen katholischer Ortskirchen überschritten weltliche Territorien. Einer lutherischen Landeskirche, die Staatskirche war, war dies nicht möglich.72 Die Verbindung von Kirche und Staat war konkret eine Verbindung von Landesherrn und Kirche. Der Kurfürst, später die Fürsten, übten ein landesherrliches Kirchenregiment aus.73 Über die Visitationen und die Bildung von Superintentaturen, entwickelte sich eine konsistoriale Ordnung der inneren Kirchenverwaltung. Von einer Notstandssituation, die dem Landesherrn gewisse Kompetenzen zusprach, kann unter dieser Perspektive nicht mehr gesprochen werden. Vielmehr handelt es sich um den vollständigen Übergang in die staatliche Ordnungsgewalt fast sämtlicher kirchlicher Belange.74 Philipp Melanchton (1497-1560) förderte die Kompetenzen des Landesherrn noch weiter, indem er diesem die „custodia primae tabulae“ zuwies und diesen somit zum Hüter von rechter Lehre und Kult erklärte.75

      Der Augsburger Religionsfrieden von 1555 manifestierte die Zuordnung von Landesherrn und Religion in besonderer Weise.76 Den Fürsten stand das „ius reformandi“ zu, das ihnen einräumte, für ihr Territorium die Konfession frei zu bestimmen und nach eigenem Willen auch wieder zu verändern.77 Sollte ein Fürst mit seinem Territorium zum Augsburger Bekenntnis wechseln, so erlosch die Kompetenz des vormals zuständigen katholischen Bischofs für die kirchliche Ordnung dieses Gebietes, in dem fortan ein Landesherrliches Kirchenregiment galt.78 Dieses auszuüben, oblag den Konsistorien als staatlicher Behörde.79

      Die Ereignisse im ernestinischen Thüringen griffen auch auf die Herrschafts- und Einflussgebiete der Schwarzburger und Reussen über. Die politische Konkurrenz zu den Wettinern und das Suchen der Schwarzburger nach reichsunmittelbarer Bestätigung ihrer Herrschaft beim Kaiser lies zunächst Heinrich XXXI. von Schwarzburg-Blankenburg (1473-1526) der Reformation skeptisch gegenüberstehen.80 Das Gedankengut und die Dynamik der Reformation fand dennoch Ausbreitung in der Bevölkerung. Beachtenswert ist, wie verschieden die Herrschaftslinien der Schwarzburger darauf reagierten: Brachte der älteste Sohn Heinrichs XXXI., Graf Günther XL. (1499-1552), der die Herrschaft Sondershausen 1526 erbte und diese 1538 um Frankenhausen erweitern konnte, der Reformation anfangs ebenfalls Bedenken entgegen, führte sein Vetter Heinrich XXXII. (1499-1538) ab 1530/1531 diese im Bereich der Herrschaft Arnstadt-Blankenburg, ein.81 Erst als Günther ihn beerbte öffnete er, auch unter dem Druck der Wettiner, das gesamten Herrschaftsgebiet der Reformation. Ab 1540 bekannten sich die Schwarzburger Gebiete zu Luthers Lehre.82

      Die Abhängigkeit der Reussen von ihren ernestinischen Lehnsherrn galt auch in der Religionspolitik. Die Reformation war in ihren Anfängen demnach eine Entscheidung des Kurfürsten: Die Visitationen Kursachsens wurden auf Anordnung Johann Friedrichs auch in den Reussischen Landen durchgeführt.

      Die neue Lehre veränderte die bestehende Gesellschaft tiefgreifend. Sie wurde zum festen Bestandteil einer neuen staatlich-gesellschaftlichen Ordnung, in der die Kirche ein Organ des Staates wurde. Katholisches Glaubensleben erlosch damit in den Thüringer Herzog- und Fürstentümern vollständig.

       Festsetzung und Etablierung konfessioneller Verhältnisse im Reich

      Die Folgen der Reformation waren weitreichend. Die Herausbildung der konfessionellen Unterschiede war ein komplexer Vorgang und blieb oftmals undifferenziert.83

      In der Vermengung der konfessionellen Auseinandersetzung, der damit verbundenen gesellschaftlichen Unruhen und der politischen Neuordnung des Reiches erwuchs ein Konfliktpotential, das Europa, besonders aber die deutschen Länder, in eines der größten Unglücke ihrer Geschichte führen sollte: in den Dreißigjährigen Krieg. Nach dreißig Jahren Krieg und Elend musste nicht nur der politische Friede hergestellt werden, sondern es wurde auch unabdingbar, eine einvernehmliche Lösung im Bereich der konfessionellen Toleranz zu finden. Es musste ein Kompromiss sein, der es ermöglichte, zumindest das religiöse Konfliktpotential zu mindern.

      Im Westfälischen Frieden von 1648 wurden die konfessionellen Verhältnisse im Reich dauerhaft geregelt. Erst im Zuge der napoleonischen Kriege löste eine neue Rechtsstruktur die bis dato bewährte Ordnung ab. Die Vertragsartikel СКАЧАТЬ