In der Fremde glauben. Torsten W. Müller
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Название: In der Fremde glauben

Автор: Torsten W. Müller

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Erfurter Theologische Studien

isbn: 9783429061883

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СКАЧАТЬ wurde von Freusberg der sudetendeutsche Priester Dr. Maximilian Wenzel133 ernannt134, vor der Vertreibung Regens des Priesterseminars Leitmeritz (Nordböhmen).135 Bereits seit September 1945 in Erfurt tätig, übernahm er am 25. April 1946 das wichtige Amt des Bischöflichen Kommissars für die Abgewandertenseelsorge.136 Der erste Nachkriegsschematismus der Diözese Fulda von 1949 nennt Wenzel – den entsprechenden Gegebenheiten angepasst – bereits „Bischöflicher Kommissar für Flüchtlingsseelsorge“.137 Ein Jahr später wurde er zum ordentlichen Mitglied des Kollegiums um Generalvikar Freusberg, schließlich 1953 stellvertretender Generalvikar (Referent für Personal- und Ehesachen beim Bischöflichen Generalvikariat Erfurt), 1964 Vizeoffizial und schließlich 1974 Offizial des Bischöflichen Offizialates Erfurt.138 Besonders für die sudetendeutschen Priester wurde er im Generalvikariat zu einer zentralen Identitätsfigur.139

      Neben Freusberg, Plettenberg und Wenzel waren in der Nachkriegszeit weitere Geistliche in verantwortlichen Leitungspositionen in der Vertriebenenseelsorge in Thüringen tätig. Seit Kriegsende wuchs die Arbeit im Bischöflichen Kommissariat stark an, sodass die vorhandenen Kräfte nicht mehr ausreichten. Im Einvernehmen mit dem Bischöflichen Ordinariat in Fulda ernannte die Zweigstelle des Generalvikariates Breslau in Görlitz 1946 auf Bitten Plettenbergs hin einen Verbindungsmann, der den Kommissar bei der Arbeit für die schlesischen Flüchtlinge unterstützen sollte. Freusberg schlug diesen Obmann daraufhin für eine Planstelle innerhalb der Stadt Erfurt vor.140 Dieser Verbindungsmann trat im Juli 1946 sein Amt an: Es handelte sich um den vertriebenen Pfarrer Hubert Muschalek141, der in Gräfenroda wohnte und schließlich nach Erfurt übersiedelte.142

      Ein weitaus bekannterer und angesehenerer schlesischer Priester wurde alsbald sein Nachfolger: der ehemalige Generalvikar der Erzdiözese Breslau Dr. Joseph Negwer143. Vom Görlitzer Ordinariatsrat Emanuel Tinschert144 wurde er nach der Vertreibung nicht im Rest der Erzdiözese zum Aufbau einer Bistumsverwaltung eingesetzt, sondern nach Erfurt geschickt. Tinschert schrieb an Freusberg über Negwer: „Als Generalvikar a.D. besitzt er die beste Personalkenntnis unserer Diözesanpriester und kann natürlich mit Rat und Tat bei deren Einsatz helfen. Er ist aber auch zu jeder Seelsorgsarbeit bereit und fähig.“145

      Im mitteldeutschen Raum sollte Negwer – in Absprache mit dem Görlitzer Kapitelsvikar Ferdinand Piontek146 – den Einsatz der schlesischen Geistlichen in der Flüchtlingsseelsorge leiten. Negwer und Freusberg kannten sich seit ihrer Studienzeit, als beide in Rom kanonisches Recht studierten und im deutschen Priesterkolleg „Anima“ wohnten. Beide waren Kanonisten, die in der Nachkriegszeit Lösungen für die anstehenden Probleme suchten.147 In Erfurt angekommen, teilte Negwer Bischof Dietz in Fulda seine Ausweisung mit und berichtete von seiner Ankunft in Erfurt, „um in der Seelsorge der Flüchtlinge zu helfen und unseren schlesischen Geistlichen beratend zur Seite zu stehen.“148 Generalvikar Robert Günther hieß ihn im Auftrag des Bischofs willkommen.149

      Neben der Betreuung des schlesischen Klerus kommt Negwer noch ein weiterer Verdienst zu: Auf seine Anregung hin erteilte der Fuldaer Bischof Johannes Dietz dem Erfurter Dompropst im Oktober 1946 die Befugnisse eines Generalvikars für die thüringischen Anteile des Bistums Fulda mit der Begründung, „bei den gegenwärtigen politischen Verhältnissen eine einheitliche und leichtere kirchliche Verwaltung“ seiner Diözese zu gewährleisten.150 Als erster der in den Westzonen residierenden Bischöfe erteilte Dietz einem Priester seines östlichen Diözesananteils diese weit reichenden Vollmachten, erst später folgten die anderen Ordinarien diesem „Fuldaer Modell“.151

      Weitere heimatvertriebene Geistliche halfen beim Aufbau der Verwaltung und Kirchenorganisation in Erfurt. Durch Vermittlung des Leiters des Commissariates der Fuldaer Bischofskonferenz in Berlin, Bischof Heinrich Wienken, gelangte der Schneidemühler Priester Dr. Gregor Krüger152 1948 nach Erfurt, um hier eine eigene Finanzverwaltung sowie eine Stelle für „kirchliches Rechnungswesen“ aufzubauen.153 Krüger war von 1948 bis 1973 hauptamtlicher Generalvikariatsrat und zuständig für die Finanzen.154 In der Registratur des Generalvikariates war der Breslauer Studienrat Dr. Joseph Golega155 angestellt.156

      Das in der Nachkriegszeit ständig an Bedeutung gewinnende Amt des Vorsitzenden des „Landescaritasverbandes Thüringen“ wurde 1946 dem aus Schlesien vertriebenen Priester Franz Nitsche157 übertragen, der von 1934 bis 1945 bereits Caritasdirektor für Oberschlesien in Oppeln gewesen war. Zunächst von Weimar, später von Erfurt aus bekleidete Nitsche bis 1975 das Amt des Caritasdirektors für den Ostteil der Diözese Fulda.158

      Auf eine Einladung Negwers hin besuchte am 13. Oktober 1946 der Breslauer Weihbischof Joseph Ferche Erfurt, um eine St.-Hedwigs-Feier für Vertriebene im Dom zu halten. Dieser äußere Anlass war der Beginn der Tätigkeit des Weihbischofs in Thüringen, die bis Sommer 1947 andauern sollte. In Erfurt fand Ferche in Negwer seinen engsten Weggefährten aus Breslau wieder, aber auch ein reiches Betätigungsfeld in der Vertriebenenseelsorge.159 Dem Fuldaer Weihbischof Adolf Bolte war mehrfach die Einreise in die SBZ verweigert worden160, sodass ein Verbleib Ferches die Situation in Thüringen entspannt hätte. Eine dauerhafte Installation des Weihbischofs in Erfurt sollte jedoch durch seinen Weggang nach Köln obsolet werden.161 Außerdem ist diesbezüglich zu beachten, dass die Ortsordinarien Mitteldeutschlands grundsätzlich nicht dazu bereit waren, Kompetenzen abzugeben162: Als der vertriebene Bischof Maximilian Kaller163 sich anbot, im Ostteil der Diözese Fulda bischöfliche Funktionen auszuüben – d.h. das Firmsakrament zu spenden – , antwortete ihm Bischof Dietz, dass er diese Aufgabe selbst wahrnehmen wolle oder sein Weihbischof in der „Ostzone“ firmen werde. Kaller bekam keine Bevollmächtigung von Dietz für bischöfliche Amtshandlungen im östlichen Fuldaer Diözesananteil.164

      Wenn man die Protagonisten der „ersten Stunde“ im Ostteil der Diözese Fulda näher betrachtet, fällt der starke „Breslauer Einfluss“ auf. Der Transfer wichtiger Funktionsträger aus den Ostgebieten nach Mitteldeutschland schuf die Voraussetzung für die Etablierung wichtiger Institutionen und eigener kirchlicher Verwaltungsstrukturen in Erfurt. Beides war – wie auch die Seelsorgekonzeptionen – für die geordnete Pastoral an den Heimatvertriebenen unbedingt notwendig.

      3 Ausbau der „Flüchtlingsseelsorge“

      Unter der zentralen Leitfigur des Thüringer Katholizismus, dem Erfurter Dompropst und Kanonisten Dr. Joseph Freusberg, gründeten sich alsbald selbständige Strukturen im Ostteil der Diözese Fulda. Bereits während des Krieges wurde eine dauerhafte kirchliche Zentralisierung auf Erfurt hin angebahnt, was unter anderem mit dem eingeschränkten Post- und Reiseverkehr zusammenhing. Die fortschreitende Teilung Deutschlands nach Kriegsende erschwerte die Tätigkeit der Diözesanleitung und -verwaltung in Fulda für den thüringischen Teil fortwährender. Letzterer lag in der sowjetisch besetzten Zone, und der stetige Auf- und Ausbau des Grenzregimes der SBZ/DDR behinderte die Kommunikation des in der amerikanischen Besatzungszone residierenden Ortsordinarius mit seinem östlichen Diözesananteil enorm. Sofort nach der Besetzung Thüringens begannen die Schwierigkeiten. Im Juli 1945 wurde Freusberg von der Militärregierung ein Passierschein für eine Dienstreise nach Fulda verweigert.165 Diözesanbischof Dietz wurde im März 1947 beim Überschreiten der Zonengrenze bei Eisenach verhaftet, 24 Stunden lang interniert sowie kurzzeitig seines Autos und Bischofsringes beraubt.166 Dem Fuldaer Weihbischof Bolte waren seit 1945 von seinem Oberhirten die Aufgaben übertragen worden, die den Ostteil des Bistums Fulda betrafen. Seine Aufenthalte wurde jedoch durch die Besatzungsmacht und die SED-Regierung reglementiert: seit 1946 durfte er jährlich nur sechs bis acht Wochen in die SBZ/DDR reisen.167

      Der Bischof von Fulda konnte also immer seltener in seinem östlichen Diözesangebiet tätig werden; zudem wurde er von den Sowjets nicht als Verhandlungspartner anerkannt.168 Deshalb war es nötig geworden, СКАЧАТЬ