Dichtung und Wahrheit. Johann Wolfgang von Goethe
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Название: Dichtung und Wahrheit

Автор: Johann Wolfgang von Goethe

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Klassiker bei Null Papier

isbn: 9783962818869

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СКАЧАТЬ zu be­de­cken, lie­ßen mich eine höchst er­bärm­li­che Fi­gur spie­len; der Alte be­nutz­te den Au­gen­blick, um mir die größ­ten Vor­wür­fe zu ma­chen. »Was hin­dert mich«, rief er aus, »dass ich nicht eine der grü­nen Schnuren er­grei­fe und sie, wo nicht Eu­rem Hals, doch Eu­rem Rücken an­mes­se!« Die­se Dro­hung nahm ich höchst übel. »Hü­tet Euch«, rief ich aus, »vor sol­chen Wor­ten, ja nur vor sol­chen Ge­dan­ken: denn sonst seid Ihr und Eure Ge­bie­te­rin­nen ver­lo­ren!« – »Wer bist denn du«, frag­te er trut­zig, »dass du so re­den darfst?« – »Ein Lieb­ling der Göt­ter«, sag­te ich, »von dem es ab­hängt, ob jene Frau­en­zim­mer wür­di­ge Gat­ten fin­den und ein glück­li­ches Le­ben füh­ren sol­len, oder ob er sie will in ih­rem Zau­ber­klos­ter ver­schmach­ten und ver­al­ten las­sen.« – Der Alte trat ei­ni­ge Schrit­te zu­rück. »Wer hat dir das of­fen­bart?« frag­te er er­staunt und be­denk­lich. – »Drei Äp­fel«, sag­te ich, »drei Ju­we­len.« – »Und was ver­langst du zum Lohn?« rief er aus. – »Vor al­len Din­gen das klei­ne Ge­schöpf«, ver­setz­te ich, »die mich in die­sen ver­wünsch­ten Zu­stand ge­bracht hat.« – Der Alte warf sich vor mir nie­der, ohne sich vor der noch feuch­ten und schlam­mi­gen Erde zu scheu­en; dann stand er auf, ohne be­netzt zu sein, nahm mich freund­lich bei der Hand, führ­te mich in je­nen Saal, klei­de­te mich be­händ wie­der an, und bald war ich wie­der sonn­täg­lich ge­putzt und fri­siert wie vor­her. Der Pfört­ner sprach kein Wort wei­ter; aber ehe er mich über die Schwel­le ließ, hielt er mich an und deu­te­te mir auf ei­ni­ge Ge­gen­stän­de an der Mau­er drü­ben über den Weg, in­dem er zu­gleich rück­wärts auf das Pfört­chen zeig­te. Ich ver­stand ihn wohl: er woll­te näm­lich, dass ich mir die Ge­gen­stän­de ein­prä­gen möch­te, um das Pfört­chen de­sto ge­wis­ser wie­der­zu­fin­den, wel­ches sich un­ver­se­hens hin­ter mir zu­schloss. Ich merk­te mir nun wohl, was mir ge­gen­über­stand. Über eine hohe Mau­er rag­ten die Äste ur­al­ter Nuss­bäu­me her­über und be­deck­ten zum Teil das Ge­sims, wo­mit sie en­dig­te. Die Zwei­ge reich­ten bis an eine stei­ner­ne Ta­fel, de­ren ver­zier­te Ein­fas­sung ich wohl er­ken­nen, de­ren In­schrift ich aber nicht le­sen konn­te. Die ruh­te auf dem Krag­stein ei­ner Ni­sche, in wel­cher ein künst­lich ge­ar­bei­te­ter Brun­nen, von Scha­le zu Scha­le, Was­ser in ein großes Be­cken goss, das wie einen klei­nen Teich bil­de­te und sich in die Erde ver­lor. Brun­nen, In­schrift, Nuss­bäu­me, al­les stand senk­recht über ein­an­der: ich woll­te es ma­len, wie ich es ge­sehn habe.

      Nun lässt sich wohl den­ken, wie ich die­sen Abend und man­chen fol­gen­den Tag zu­brach­te und wie oft ich mir die­se Ge­schich­ten, die ich kaum selbst glau­ben konn­te, wie­der­hol­te. So­bald mir’s nur ir­gend mög­lich war, ging ich wie­der zur schlim­men Mau­er, um we­nigs­tens jene Merk­zei­chen im Ge­dächt­nis an­zu­fri­schen und das köst­li­che Pfört­chen zu be­schau­en. Al­lein zu mei­nem größ­ten Er­stau­nen fand ich al­les ver­än­dert. Nuss­bäu­me rag­ten wohl über die Mau­er, aber sie stan­den nicht un­mit­tel­bar ne­ben ein­an­der. Eine Ta­fel war auch ein­ge­mau­ert, aber von den Bäu­men weit rechts, ohne Ver­zie­rung, und mit ei­ner le­ser­li­chen In­schrift. Eine Ni­sche mit ei­nem Brun­nen fin­det sich weit links, der aber je­nem, den ich ge­se­hen, durch­aus nicht zu ver­glei­chen ist; so­dass ich bei­na­he glau­ben muss, das zwei­te Aben­teu­er sei so gut als das ers­te ein Traum ge­we­sen: denn von dem Pfört­chen fin­det sich über­haupt gar kei­ne Spur. Das ein­zi­ge, was mich trös­tet, ist die Be­mer­kung, dass jene drei Ge­gen­stän­de stets den Ort zu ver­än­dern schei­nen: denn bei wie­der­hol­tem Be­such je­ner Ge­gend glau­be ich be­merkt zu ha­ben, dass die Nuss­bäu­me et­was zu­sam­men­rücken und dass Ta­fel und Brun­nen sich eben­falls zu nä­hern schei­nen. Wahr­schein­lich, wenn al­les wie­der zu­sam­men­trifft, wird auch die Pfor­te von Neu­em sicht­bar sein, und ich wer­de mein Mög­li­ches tun, das Aben­teu­er wie­der an­zu­knüp­fen. Ob ich euch er­zäh­len kann, was wei­ter be­geg­net, oder ob es mir aus­drück­lich ver­bo­ten wird, weiß ich nicht zu sa­gen.

      *

      Die­ses Mär­chen, von des­sen Wahr­heit mei­ne Ge­spie­len sich lei­den­schaft­lich zu über­zeu­gen trach­te­ten, er­hielt großen Bei­fall. Sie be­such­ten, je­der al­lein, ohne es mir oder den an­de­ren zu ver­trau­en, den an­ge­deu­te­ten Ort, fan­den die Nuss­bäu­me, die Ta­fel und den Brun­nen, aber im­mer ent­fernt von­ein­an­der: wie sie zu­letzt be­kann­ten, weil man in je­nen Jah­ren nicht gern ein Ge­heim­nis ver­schwei­gen mag. Hier ging aber der Streit erst an. Der eine ver­si­cher­te: die Ge­gen­stän­de rück­ten nicht vom Fle­cke und blie­ben im­mer in glei­cher Ent­fer­nung un­ter ein­an­der. Der zwei­te be­haup­te­te: sie be­weg­ten sich, aber sie ent­fern­ten sich von­ein­an­der. Mit die­sem war der drit­te über den ers­ten Punkt der Be­we­gung ein­stim­mig, doch schie­nen ihm Nuss­bäu­me, Ta­fel und Brun­nen sich viel­mehr zu nä­hern. Der vier­te woll­te noch was Merk­wür­di­ge­res ge­se­hen ha­ben: die Nuss­bäu­me näm­lich in der Mit­te, die Ta­fel aber und den Brun­nen auf den ent­ge­gen­ge­setz­ten Sei­ten, als ich an­ge­ge­ben. In Ab­sicht auf die Spur des Pfört­chens va­ri­ier­ten sie auch. Und so ga­ben sie mir ein frü­hes Bei­spiel, wie die Men­schen von ei­ner ganz ein­fa­chen und leicht zu er­ör­tern­den Sa­che die wi­der­spre­chends­ten An­sich­ten ha­ben und be­haup­ten kön­nen. Als ich die Fort­set­zung mei­nes Mär­chens hart­nä­ckig ver­wei­ger­te, ward die­ser ers­te Teil öf­ters wie­der be­gehrt. Ich hü­te­te mich, an den Um­stän­den viel zu ver­än­dern, und durch die Gleich­för­mig­keit mei­ner Er­zäh­lung ver­wan­del­te ich in den Ge­mü­tern mei­ner Zu­hö­rer die Fa­bel in Wahr­heit.

      Üb­ri­gens war ich den Lü­gen und der Ver­stel­lung ab­ge­neigt und über­haupt kei­nes­wegs leicht­sin­nig; viel­mehr zeig­te sich der in­ne­re Ernst, mit dem ich schon früh mich und die Welt be­trach­te­te, auch in mei­nem Äu­ßern, und ich ward oft freund­lich, oft auch spöt­tisch über eine ge­wis­se Wür­de be­ru­fen, die ich mir her­aus­nahm. Denn ob es mir zwar an gu­ten, aus­ge­such­ten Freun­den nicht fehl­te, so wa­ren wir doch im­mer die Min­der­zahl ge­gen jene, die uns mit ro­hem Mut­wil­len an­zu­fech­ten ein Ver­gnü­gen fan­den und uns frei­lich oft sehr un­sanft aus je­nen mär­chen­haf­ten, selbst­ge­fäl­li­gen Träu­men auf­weck­ten, in die wir uns, ich er­fin­dend und mei­ne Ge­spie­len teil­neh­mend, nur all­zu gern ver­lo­ren. Nun wur­den wir aber­mals ge­wahr, dass man, an­statt sich der Weich­lich­keit und fan­tas­ti­schen Ver­gnü­gun­gen hin­zu­ge­ben, wohl eher Ur­sa­che habe, sich ab­zu­här­ten, um die un­ver­meid­li­chen Übel ent­we­der zu er­tra­gen oder ih­nen ent­ge­gen zu wir­ken.

      Un­ter die Übun­gen des Stoi­zis­mus, den ich des­halb so ernst­lich, als es ei­nem Kna­ben mög­lich ist, bei mir aus­bil­de­te, ge­hör­ten auch die Dul­dun­gen kör­per­li­cher Lei­den. Un­se­re Leh­rer be­han­del­ten uns oft sehr un­freund­lich und un­ge­schickt mit Schlä­gen und Püf­fen, ge­gen die wir uns umso mehr ver­här­te­ten, als Wi­der­setz­lich­keit oder Ge­gen­wir­kung aufs höchs­te ver­pönt war. Sehr vie­le Scher­ze der Ju­gend be­ru­hen auf ei­nem Wett­streit sol­cher Er­tra­gun­gen: zum Bei­spiel, wenn man mit zwei Fin­gern oder der gan­zen Hand sich wech­sels­wei­se bis zur Be­täu­bung der Glie­der schlägt, oder die bei ge­wis­sen Spie­len ver­schul­de­ten Schlä­ge mit mehr oder we­ni­ger Ge­setzt­heit aus­hält; wenn man sich beim Rin­gen und Bal­gen durch die Knif­fe der Hal­b­über­wun­de­nen nicht irre ma­chen lässt; wenn man einen СКАЧАТЬ