Dichtung und Wahrheit. Johann Wolfgang von Goethe
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Название: Dichtung und Wahrheit

Автор: Johann Wolfgang von Goethe

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Klassiker bei Null Papier

isbn: 9783962818869

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СКАЧАТЬ wir ge­en­digt, be­fah­len sie der klei­nen, mich der­weil mit et­was Gu­tem zu er­qui­cken, bis das Nachtes­sen her­an­käme. Ich hat­te frei­lich ver­ges­sen, dass au­ßer die­sem Pa­ra­die­se noch et­was an­de­res in der Welt wäre. Aler­te führ­te mich so­gleich in den Gang zu­rück, durch den ich her­ein­ge­kom­men war. An der Sei­te hat­te sie zwei woh­lein­ge­rich­te­te Zim­mer; in dem einen, wo sie wohn­te, setz­te sie mir Oran­gen, Fei­gen, Pfir­schen und Trau­ben vor, und ich ge­noss so­wohl die Früch­te frem­der Län­der, als auch die der erst kom­men­den Mo­na­te mit großem Ap­pe­tit. Zucker­werk war im Über­fluss; auch füll­te sie einen Po­kal von ge­schliff­nem Kris­tall mit schäu­men­dem Wein: doch zu trin­ken be­durf­te ich nicht, denn ich hat­te mich an den Früch­ten hin­rei­chend ge­labt. – »Nun wol­len wir spie­len«, sag­te sie und führ­te mich in das an­de­re Zim­mer. Hier sah es nun aus wie auf ei­nem Christ­markt; aber so kost­ba­re und fei­ne Sa­chen hat man nie­mals in ei­ner Weih­nachts­bu­de ge­se­hen. Da wa­ren alle Ar­ten von Pup­pen, Pup­pen­klei­dern und Pup­pen­ge­rät­schaf­ten; Kü­chen, Wohn­stu­ben und Lä­den; und ein­zel­ne Spiel­sa­chen in An­zahl. Sie führ­te mich an al­len Glas­schrän­ken her­um: denn in sol­chen wa­ren die­se künst­li­chen Ar­bei­ten auf­be­wahrt. Die ers­ten Schrän­ke ver­schloss sie aber bald wie­der und sag­te: »Das ist nichts für Euch, ich weiß es wohl. Hier aber«, sag­te sie, »könn­ten wir Bau­ma­te­ria­li­en fin­den, Mau­ern und Tür­me, Häu­ser, Pa­läs­te, Kir­chen, um eine große Stadt zu­sam­men­zu­stel­len. Das un­ter­hält mich aber nicht; wir wol­len zu et­was an­de­rem grei­fen, das für Euch und mich gleich ver­gnüg­lich ist.« – Sie brach­te dar­auf ei­ni­ge Käs­ten her­vor, in de­nen ich klei­nes Kriegs­volk über ein­an­der ge­schich­tet er­blick­te, von dem ich so­gleich be­ken­nen muss­te, dass ich nie­mals so et­was Schö­nes ge­se­hen hät­te. Sie ließ mir die Zeit nicht, das ein­zel­ne nä­her zu be­trach­ten, son­dern nahm den einen Kas­ten un­ter den Arm, und ich pack­te den an­de­ren auf. »Wir wol­len auf die gold­ne Brücke ge­hen«, sag­te sie, »dort spielt sich’s am bes­ten mit Sol­da­ten: die Spie­ße ge­ben gleich die Rich­tung, wie man die Ar­meen ge­gen­ein­an­der zu stel­len hat.« Nun wa­ren wir auf dem gold­nen schwan­ken­den Bo­den an­ge­langt; un­ter mir hör­te ich das Was­ser rie­seln und die Fi­sche plät­schern, in­dem ich nie­der­knie­te, mei­ne Li­ni­en auf­zu­stel­len. Es war al­les Rei­te­rei, wie ich nun­mehr sah. Sie rühm­te sich, die Kö­ni­gin der Ama­zo­nen zum Füh­rer ih­res weib­li­chen Hee­res zu be­sit­zen; ich da­ge­gen fand den Achill und eine sehr statt­li­che grie­chi­sche Rei­te­rei. Die Hee­re stan­den ge­gen­ein­an­der, und man konn­te nichts Schö­ne­res se­hen. Es wa­ren nicht etwa fla­che blei­er­ne Rei­ter, wie die uns­ri­gen, son­dern Mann und Pferd rund und kör­per­lich und auf das feins­te ge­ar­bei­tet; auch konn­te man kaum be­grei­fen, wie sie sich im Gleich­ge­wicht hiel­ten: denn sie stan­den für sich, ohne ein Fuß­brett­chen zu ha­ben.

      Wir hat­ten nun je­des mit großer Selbst­zu­frie­den­heit un­se­re Heer­hau­fen be­schaut, als sie mir den An­griff ver­kün­dig­te. Wir hat­ten auch Ge­schütz in un­sern Käs­ten ge­fun­den; es wa­ren näm­lich Schach­teln voll klei­ner wohl­po­lier­ter Achat­ku­geln. Mit die­sen soll­ten wir aus ei­ner ge­wis­sen Ent­fer­nung ge­gen­ein­an­der kämp­fen, wo­bei je­doch aus­drück­lich be­dun­gen war, dass nicht stär­ker ge­wor­fen wer­de, als nö­tig sei, die Fi­gu­ren um­zu­stür­zen: denn be­schä­digt soll­te kei­ne wer­den. Wech­sel­sei­tig ging nun die Ka­no­na­de los, und im An­fang wirk­te sie zu un­ser bei­der Zufrie­den­heit. Al­lein als mei­ne Geg­ne­rin be­merk­te, dass ich doch bes­ser ziel­te als sie und zu­letzt den Sieg, der von der Über­zahl der stehn ge­blie­be­nen ab­hing, ge­win­nen möch­te, trat sie nä­her, und ihr mäd­chen­haf­tes Wer­fen hat­te denn auch den er­wünsch­ten Er­folg. Sie streck­te mir eine Men­ge mei­ner bes­ten Trup­pen nie­der, und je mehr ich pro­tes­tier­te, de­sto eif­ri­ger warf sie. Dies ver­dross mich zu­letzt, und ich er­klär­te, dass ich ein Glei­ches tun wür­de. Ich trat auch wirk­lich nicht al­lein nä­her her­an, son­dern warf im Un­mut viel hef­ti­ger, da es denn nicht lan­ge währ­te, als ein paar ih­rer klei­nen Cen­tau­rin­nen in Stücke spran­gen. In ih­rem Ei­fer be­merk­te sie es nicht gleich; aber ich stand ver­stei­nert, als die zer­broch­nen Fi­gür­chen sich von selbst wie­der zu­sam­men­füg­ten, Ama­zo­ne und Pferd wie­der ein Gan­zes, auch zu­gleich völ­lig le­ben­dig wur­den, im Ga­lopp von der gold­nen Brücke un­ter die Lin­den setz­ten und in Car­rie­re hin und wi­der ren­nend sich end­lich ge­gen die Mau­er, ich weiß nicht wie, ver­lo­ren. Mei­ne schö­ne Geg­ne­rin war das kaum ge­wahr ge­wor­den, als sie in ein lau­tes Wei­nen und Jam­mern aus­brach und rief: dass ich ihr einen un­er­setz­li­chen Ver­lust zu­ge­fügt, der weit grö­ßer sei, als es sich aus­spre­chen las­se. Ich aber, der ich schon er­bost war, freu­te mich, ihr et­was zu­lei­de zu tun, und warf noch ein paar mir üb­rig ge­blie­be­ne Achat­ku­geln blind­lings mit Ge­walt un­ter ih­ren Heer­hau­fen. Un­glück­li­cher­wei­se traf ich die Kö­ni­gin, die bis­her bei un­serm re­gel­mä­ßi­gen Spiel aus­ge­nom­men ge­we­sen. Sie sprang in Stücken, und ihre nächs­ten Ad­ju­tan­ten wur­den auch zer­schmet­tert; aber schnell stell­ten sie sich wie­der her und nah­men Reiß­aus wie die ers­ten, ga­lop­pier­ten sehr lus­tig un­ter den Lin­den her­um und ver­lo­ren sich ge­gen die Mau­er.

      Mei­ne Geg­ne­rin schalt und schimpf­te; ich aber, nun ein­mal im Gan­ge, bück­te mich, ei­ni­ge Achat­ku­geln auf­zu­he­ben, wel­che an den gold­nen Spie­ßen her­um­roll­ten. Mein er­grimm­ter Wunsch war, ihr gan­zes Heer zu ver­nich­ten. Sie da­ge­gen, nicht faul, sprang auf mich los und gab mir eine Ohr­fei­ge, dass mir der Kopf summ­te. Ich, der ich im­mer ge­hört hat­te, auf die Ohr­fei­ge ei­nes Mäd­chens ge­hö­re ein der­ber Kuss, fass­te sie bei den Ohren und küss­te sie zu wie­der­hol­ten Ma­len. Sie aber tat einen sol­chen durch­drin­gen­den Schrei, der mich selbst er­schreck­te; ich ließ sie fah­ren, und das war mein Glück: denn in dem Au­gen­blick wuss­te ich nicht, wie mir ge­sch­ah. Der Bo­den un­ter mir fing an zu be­ben und zu ras­seln; ich merk­te ge­schwind, dass sich die Git­ter wie­der in Be­we­gung setz­ten: al­lein ich hat­te nicht Zeit, zu über­le­gen, noch konn­te ich Fuß fas­sen, um zu flie­hen. Ich fürch­te­te je­den Au­gen­blick ge­spießt zu wer­den: denn die Par­ti­sa­nen und Lan­zen, die sich auf­rich­te­ten, zer­schlitz­ten mir schon die Klei­der; ge­nug, ich weiß nicht, wie mir ge­sch­ah, mir ver­ging Hö­ren und Se­hen, und ich er­hol­te mich aus mei­ner Be­täu­bung, von mei­nem Schre­cken am Fuß ei­ner Lin­de, wi­der den mich das auf­schnel­len­de Git­ter ge­wor­fen hat­te. Mit dem Er­wa­chen er­wach­te auch mei­ne Bos­heit, die sich noch hef­tig ver­mehr­te, als ich von drü­ben die Spott­wor­te und das Ge­läch­ter mei­ner Geg­ne­rin ver­nahm, die an der an­de­ren Sei­te et­was ge­lin­der als ich moch­te zur Erde ge­kom­men sein. Da­her sprang ich auf, und als ich rings um mich das klei­ne Heer nebst sei­nem An­füh­rer Achill, wel­che das auf­fah­ren­de Git­ter mit mir her­über­ge­schnellt hat­te, zer­streut sah, er­griff ich den Hel­den zu­erst und warf ihn wi­der einen Baum. Sei­ne Wie­der­her­stel­lung und sei­ne Flucht ge­fie­len mir nun dop­pelt, weil sich die Scha­den­freu­de zu dem ar­tigs­ten An­blick von der Welt ge­sell­te, und ich war im Be­griff, die sämt­li­chen Grie­chen ihm nach­zu­schi­cken, als auf ein­mal zi­schen­de Was­ser von al­len Sei­ten her, aus Stei­nen und Mau­ern, aus Bo­den und Zwei­gen her­vor­sprüh­ten und, wo ich mich hin­wen­de­te, kreuz­wei­se auf mich los­peitsch­ten. Mein leich­tes Ge­wand war in kur­z­er Zeit völ­lig durch­nässt; zer­schlitzt СКАЧАТЬ