Dichtung und Wahrheit. Johann Wolfgang von Goethe
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Dichtung und Wahrheit - Johann Wolfgang von Goethe страница 16

Название: Dichtung und Wahrheit

Автор: Johann Wolfgang von Goethe

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Klassiker bei Null Papier

isbn: 9783962818869

isbn:

СКАЧАТЬ Spieß oder eine Par­ti­sa­ne jen­seits pass­te und man also, die üb­ri­gen Zie­ra­ten mit­ge­rech­net, nicht hin­durch­se­hen konn­te, man moch­te sich stel­len wie man woll­te. Über­dies hin­der­te mich der Alte, der mich noch im­mer fest­hielt, dass ich mich nicht frei be­we­gen konn­te. Mei­ne Neu­gier wuchs in­des, nach al­lem, was ich ge­se­hen, im­mer mehr, und ich nahm mir ein Herz, den Al­ten zu fra­gen, ob man nicht auch hin­über­kom­men kön­ne. – »Wa­rum nicht?« ver­setz­te je­ner, »aber auf neue Be­din­gun­gen.« – Als ich nach die­sen frag­te, gab er mir zu er­ken­nen, dass ich mich um­klei­den müs­se. Ich war es sehr zu­frie­den; er führ­te mich zu­rück nach der Mau­er in einen klei­nen rein­li­chen Saal, an des­sen Wän­den man­cher­lei Klei­dun­gen hin­gen, die sich sämt­lich dem ori­en­ta­li­schen Ko­stüm zu nä­hern schie­nen. Ich war ge­schwind um­ge­klei­det, er streif­te mei­ne ge­pu­der­ten Haa­re un­ter ein bun­tes Netz, nach­dem er sie zu mei­nem Ent­set­zen ge­wal­tig aus­ge­stäubt hat­te. Nun fand ich mich vor ei­nem großen Spie­gel in mei­ner Ver­mum­mung gar hübsch und ge­fiel mir bes­ser als in mei­nem stei­fen Sonn­tags­klei­de. Ich mach­te ei­ni­ge Ge­bär­den und Sprün­ge, wie ich sie von den Tän­zern auf dem Mess­thea­ter ge­se­hen hat­te. Un­ter die­sem sah ich in den Spie­gel und er­blick­te zu­fäl­lig das Bild ei­ner hin­ter mir be­find­li­chen Ni­sche. Auf ih­rem wei­ßen Grun­de hin­gen drei grü­ne Strick­chen, je­des in sich auf eine Wei­se ver­schlun­gen, die mir in der Fer­ne nicht deut­lich wer­den woll­te. Ich kehr­te mich da­her et­was has­tig um und frag­te den Al­ten nach der Ni­sche so­wie nach den Strick­chen. Er, ganz ge­fäl­lig, hol­te eins her­un­ter und zeig­te es mir. Es war eine grün­sei­de­ne Schnur von mä­ßi­ger Stär­ke, de­ren bei­de En­den, durch ein zwie­fach durch­schnit­te­nes grü­nes Le­der ge­schlun­gen, ihr das An­sehn ga­ben, als sei es ein Werk­zeug zu ei­nem eben nicht sehr er­wünsch­ten Ge­brauch. Die Sa­che schi­en mir be­denk­lich, und ich frag­te den Al­ten nach der Be­deu­tung. Er ant­wor­te­te mir ganz ge­las­sen und gü­tig: es sei die­ses für die­je­ni­gen, wel­che das Ver­trau­en miss­brauch­ten, das man ih­nen hier zu schen­ken be­reit sei. Er hing die Schnur wie­der an ihre Stel­le und ver­lang­te so­gleich, dass ich ihm fol­gen sol­le: denn dies­mal fass­te er mich nicht an, und so ging ich frei ne­ben ihm her.

      Mei­ne größ­te Neu­gier war nun­mehr, wo die Türe, wo die Brücke sein möch­te, um durch das Git­ter, um über den Kanal zu kom­men: denn ich hat­te der­glei­chen bis jetzt noch nicht aus­fin­dig ma­chen kön­nen. Ich be­trach­te­te da­her die gol­de­ne Um­zäu­nung sehr ge­nau, als wir dar­auf zu­eil­ten; al­lein au­gen­blick­lich ver­ging mir das Ge­sicht: denn un­er­war­tet be­gan­nen Spie­ße, Spee­re, Hel­le­bar­den, Par­ti­sa­nen, sich zu rüt­teln und zu schüt­teln, und die­se selt­sa­me Be­we­gung en­dig­te da­mit, dass die sämt­li­chen Spit­zen sich ge­gen­ein­an­der senk­ten, eben als wenn zwei al­ter­tüm­li­che, mit Pi­ken be­waff­ne­te Heer­hau­fen ge­gen­ein­an­der los­ge­hen woll­ten. Die Ver­wir­rung fürs Auge, das Ge­klirr für die Ohren war kaum zu er­tra­gen, aber un­end­lich über­ra­schend der An­blick, als sie, völ­lig nie­der­ge­las­sen, den Kreis des Kanals be­deck­ten und die herr­lichs­te Brücke bil­de­ten, die man sich den­ken kann: denn nun lag das bun­tes­te Gar­ten­par­terre vor mei­nem Blick. Es war in ver­schlun­ge­ne Bee­te ge­teilt, wel­che zu­sam­men be­trach­tet ein La­by­rinth von Zie­ra­ten bil­de­ten; alle mit grü­nen Ein­fas­sun­gen von ei­ner nied­ri­gen, wol­lig wach­sen­den Pflan­ze, die ich nie ge­se­hen; alle mit Blu­men, jede Ab­tei­lung von ver­schie­de­ner Far­be, die, eben­falls nied­rig am Bo­den, den vor­ge­zeich­ne­ten Grund­riss leicht ver­fol­gen lie­ßen. Die­ser köst­li­che An­blick, den ich in vol­lem Son­nen­schein ge­noss, fes­sel­te ganz mei­ne Au­gen; aber ich wuss­te fast nicht, wo ich den Fuß hin­set­zen soll­te: denn die schlän­geln­den Wege wa­ren aufs rein­lichs­te von blau­em San­de ge­zo­gen, der einen dunk­lern Him­mel, oder einen Him­mel im Was­ser, an der Erde zu bil­den schi­en; und so ging ich, die Au­gen auf den Bo­den ge­rich­tet, eine Zeit lang ne­ben mei­nem Füh­rer, bis ich zu­letzt ge­wahr ward, dass in der Mit­te von die­sem Bee­ten- und Blu­men­rund ein großer Kreis von Cy­pres­sen oder pap­pel­ar­ti­gen Bäu­men stand, durch den man nicht hin­durch­se­hen konn­te, weil die un­ters­ten Zwei­ge aus der Erde her­vor­zu­trei­ben schie­nen. Mein Füh­rer, ohne mich ge­ra­de auf den nächs­ten Weg zu drän­gen, lei­te­te mich doch un­mit­tel­bar nach je­ner Mit­te, und wie war ich über­rascht, als ich, in den Kreis der ho­hen Bäu­me tre­tend, die Säu­len­hal­le ei­nes köst­li­chen Gar­ten­ge­bäu­des vor mir sah, das nach den üb­ri­gen Zei­ten hin ähn­li­che An­sich­ten und Ein­gän­ge zu ha­ben schi­en. Noch mehr aber als die­ses Mus­ter der Bau­kunst ent­zück­te mich eine himm­li­sche Mu­sik, die aus dem Ge­bäu­de her­vor­drang. Bald glaub­te ich eine Lau­te, bald eine Har­fe, bald eine Zither zu hö­ren, und bald noch et­was klim­pern­des, das kei­nem von die­sen drei In­stru­men­ten ge­mäß war. Die Pfor­te, auf die wir zu­gin­gen, er­öff­ne­te sich bald nach ei­ner lei­sen Berüh­rung des Al­ten; aber wie er­staunt war ich, als die her­austre­ten­de Pfört­ne­rin ganz voll­kom­men dem nied­li­chen Mäd­chen glich, das mir im Trau­me auf den Fin­gern ge­tanzt hat­te. Sie grüß­te mich auch auf eine Wei­se, als wenn wir schon be­kannt wä­ren, und bat mich, her­ein­zu­tre­ten. Der Alte blieb zu­rück, und ich ging mit ihr durch einen ge­wölb­ten und schön ver­zier­ten kur­z­en Gang nach dem Mit­tel­saal, des­sen herr­li­che do­mar­ti­ge Höhe beim Ein­tritt mei­nen Blick auf sich zog und mich in Ver­wun­de­rung setz­te. Doch konn­te mein Auge nicht lan­ge dort ver­wei­len, denn es ward durch ein rei­zen­de­res Schau­spiel her­ab­ge­lockt. Auf ei­nem Tep­pich, ge­ra­de un­ter der Mit­te der Kup­pel, sa­ßen drei Frau­en­zim­mer im Drei­eck, in drei ver­schie­de­ne Far­ben ge­klei­det, die eine rot, die an­de­re gelb, die drit­te grün; die Ses­sel wa­ren ver­gol­det, und der Tep­pich ein voll­kom­me­nes Blu­men­beet. In ih­ren Ar­men la­gen die drei In­stru­men­te, die ich drau­ßen hat­te un­ter­schei­den kön­nen: denn durch mei­ne An­kunft ge­stört, hat­ten sie mit Spie­len in­ne­ge­hal­ten. – »Seid uns will­kom­men!« sag­te die mitt­le­re, die näm­lich, wel­che mit dem Ge­sicht nach der Türe saß, im ro­ten Klei­de und mit der Har­fe. »Setzt Euch zu Aler­ten und hört zu, wenn Ihr Lieb­ha­ber von der Mu­sik seid.« Nun sah ich erst, dass un­ten quer vor ein ziem­lich lan­ges Bänk­chen stand, wor­auf eine Man­do­li­ne lag. Das ar­ti­ge Mäd­chen nahm sie auf, setz­te sich und zog mich an ihre Sei­te. Jetzt be­trach­te­te ich auch die zwei­te Dame zu mei­ner Rech­ten; sie hat­te das gel­be Kleid an und eine Zither in der Hand; und wenn jene Har­fen­spie­le­rin an­sehn­lich von Ge­stalt, groß von Ge­sichts­zü­gen und in ih­rem Be­tra­gen ma­je­stä­tisch war, so konn­te man der Zither­spie­le­rin ein leicht an­mu­ti­ges, heitres We­sen an­mer­ken. Sie war eine schlan­ke Blon­di­ne, da jene dun­kel­brau­nes Haar schmück­te. Die Man­nig­fal­tig­keit und Über­ein­stim­mung ih­rer Mu­sik konn­te mich nicht ab­hal­ten, nun auch die drit­te Schön­heit im grü­nen Ge­wan­de zu be­trach­ten, de­ren Lau­ten­spiel et­was Rüh­ren­des und zu­gleich Auf­fal­len­des für mich hat­te. Die war die­je­ni­ge, die am meis­ten auf mich acht zu ge­ben und ihr Spiel an mich zu rich­ten schi­en; nur konn­te ich aus ihr nicht klug wer­den: denn sie kam mir bald zärt­lich, bald wun­der­lich, bald of­fen, bald ei­gen­sin­nig vor, je nach­dem sie die Mie­nen und ihr Spiel ver­än­der­te. Bald schi­en sie mich rüh­ren, bald mich ne­cken zu wol­len. Doch moch­te sie sich stel­len, wie sie woll­te, so ge­wann sie mir we­nig ab: denn mei­ne klei­ne Nach­ba­rin, mit der ich Ell­bo­gen an Ell­bo­gen saß, hat­te mich ganz für СКАЧАТЬ