Das Abenteuer meiner Jugend. Gerhart Hauptmann
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das Abenteuer meiner Jugend - Gerhart Hauptmann страница 8

Название: Das Abenteuer meiner Jugend

Автор: Gerhart Hauptmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Klassiker bei Null Papier

isbn: 9783962818746

isbn:

СКАЧАТЬ sein woll­te. Wir hät­ten uns schwer­lich im Dun­keln hin­ein­ge­traut. Sonst aber über­traf ihre An­zie­hungs­kraft bei Wei­tem die Furcht, die uns im Ge­dan­ken an sie an­wan­del­te. Auch war die­se Furcht sel­ber an­zie­hend, gleich je­nem Gru­seln, das der Hand­werks­bur­sche im Mär­chen durch­aus ler­nen woll­te.

      Al­tes zer­bro­che­nes oder weg­ge­wor­fe­nes Spiel­zeug von Ge­ne­ra­tio­nen war dar­in in un­ent­wirr­ba­rer, ver­staub­ter Men­ge auf­ge­häuft: Gum­mi­bäl­le, Pup­pen, Haus­rat von Pup­pen­stu­ben, Ham­pel­män­ner, Pfer­de und Fracht­wa­gen, Tei­le von Schä­fe­rei­en und Me­na­ge­ri­en, Schau­kel­pfer­de, und so fort und so fort.

      Al­le­dem hauch­te der kind­li­che Geist be­son­ders im lan­gen Dun­kel der Win­ter­ta­ge fan­tas­ti­sches Le­ben ein. So war denn die Sie­ben­kam­mer – und ist es mir in ge­wis­sem Sin­ne noch heu­te – der Ort, wo auf ge­heim­nis­vol­le Wei­se Ko­bol­de, Feen, Knus­per­he­xen und Zau­be­rer, Hel­den und Men­schen­fres­ser sich Ren­dez­vous ga­ben und durch die Dach­lu­ke nachts beim Mond­schein aus und ein flo­gen. Ich brauch­te nur an sie zu den­ken, um ih­rem Mär­chen­zau­ber, ih­rer gren­zen­lo­sen Ma­gie mit der un­end­li­chen, bun­ten Viel­falt ih­rer Ge­stal­ten an­heim­zu­fal­len. Gehe ich fehl, wenn ich in ihr eine der wich­tigs­ten Rät­sel­quel­len mei­ner spä­te­ren Fa­bu­lier­lust sehe?

      Das Win­ter­quar­tier im ers­ten Stock be­stand aus fünf zu­sam­men­hän­gen­den Stu­ben, wel­che die Num­mern drei bis sie­ben als Tür­schil­der hat­ten. So spra­chen wir Kin­der von der Drei, der Vier, der Fünf, der Sechs und der Sie­ben. Und mit je­der die­ser Zah­len ver­bin­det sich noch heut für mich die Vor­stel­lung ei­nes be­son­ders be­seel­ten Raums. Von al­len strahl­te die Vier viel­leicht die meis­te herz­li­che Wär­me aus, die Fünf und die Sechs wa­ren nicht so trau­lich. Der Cha­rak­ter der klei­nen Sie­ben hat­te sei­ne Be­son­der­heit. Es wa­ren dar­in Rou­le­aus, auf de­nen bun­te Spa­nie­rin­nen mit Frucht­kör­ben auf den Köp­fen zu se­hen wa­ren.

      Die See­len die­ser fünf Räu­me tau­chen noch heut ge­le­gent­lich in mei­nen Träu­men auf, mit man­cher­lei an­de­ren Ele­men­ten ver­bun­den.

      Die Tür der Sie­ben war der Ab­schluss ei­nes län­ge­ren Gangs, dem Fens­ter nach dem Hofe Licht ga­ben. Da­ge­gen hat­te ein klei­ner Al­ko­ven, in dem win­ters Va­ter, Mut­ter und ich schlie­fen, nur ein Fens­ter nach die­sem Flur hin­aus.

      Ein oder zwei Win­ter aus­ge­nom­men, hat sich das Le­ben der Fa­mi­lie haupt­säch­lich in die­sem Teil des Hau­ses ab­ge­spielt.

      Ich sag­te schon, dass mein sonst stren­ger Va­ter mir eine au­ßer­ge­wöhn­li­che Be­we­gungs­frei­heit zu­bil­lig­te, was von Ver­wand­ten und Freun­den viel­fach ge­rügt wur­de. Un­ge­bun­den und über­all neu­gie­rig ging ich dem­nach auf Ent­de­ckungs­fahr­ten aus und wuss­te bald über je­den Win­kel des Hau­ses Be­scheid. Fast täg­lich durch­streif­te ich alle Stock­wer­ke, war da­heim in Gar­ten und Hof, kann­te die ent­le­gens­ten Räu­me, von de­nen ei­ni­ge selt­sam ge­nug und hin­rei­chend un­heim­lich wa­ren.

      Das lei­den­schaft­li­che Le­ben, dem ich da­mals un­ter­lag und das mei­nen zar­ten Or­ga­nis­mus wie ein über­star­ker elek­tri­scher Strom be­wegt ha­ben muss, er­klärt sich nur durch eine un­ge­dul­di­ge Le­bens­gier, die über­all et­was zu ver­säu­men fürch­te­te. »Ger­hart, ren­ne doch nicht so!« sag­te mei­ne Mut­ter. – »Rase doch nicht im­mer so!« sag­te mein Va­ter. – »Du rennst dir die Schwind­sucht an den Hals!« mahn­te mein On­kel Straeh­ler, der schö­ne, von den Da­men ver­göt­ter­te Ba­de­arzt, wo er im Frei­en mei­ner an­sich­tig wur­de. Frau Krau­se, Frau des Fuhr­werks­be­sit­zers im Erd­ge­schoss, die ro­bus­te Bau­ers­frau, hielt sich wie­der und wie­der die Ohren zu und sag­te da­bei: »Hör auf, hör auf, dein Schrei­en macht mich ver­rückt, Jun­ge!«

      Der Wahr­heit ge­mäß wäre viel­leicht zu sa­gen, dass ich um jene Zeit im­mer­hin ein wohl­ge­ar­te­ter, aber kein wohl­er­zo­ge­ner Jun­ge ge­we­sen bin, dazu war ich zu wild und zu frei auf­ge­wach­sen. Wie man­chem mag ich durch lär­mi­ges Ge­ba­ren, Ren­nen, Schrei­en und An­sprü­che al­ler Art läs­tig ge­wor­den sein! Ich bin auch nicht all­zu sau­ber ge­we­sen. Die künst­li­chen Sit­ten der el­ter­li­chen Bür­ger­zim­mer konn­ten den na­tür­li­chen Un­sit­ten der Stra­ße und des so­ge­nann­ten nie­de­ren Vol­kes nicht stand­hal­ten. Ein nor­di­sches Kind ohne Schnup­fen im Win­ter gibt es nicht, und der Stra­ßen­jun­ge, der mein be­wun­der­tes Mus­ter war, wird sich die Nase nur mit dem Är­mel put­zen, wenn er es nicht tech­nisch voll­kom­men mit Dau­men und Zei­ge­fin­ger nie­send tut. Da­her hat­te ich mei­nen blan­ken Är­mel, zu­nächst den rech­ten, den an­de­ren erst, wenn die­ser nicht aus­reich­te.

      Frau Greu­lich hieß eine alte Weiß­näh­te­rin, die win­ters über bei uns ar­bei­te­te. Die gute Frau war ent­setzt und herrsch­te mich manch­mal heim­lich ent­rüs­tet an, wenn ich ohne Är­mel und Ta­schen­tuch den Fluss der Nase durch un­un­ter­bro­che­nes Luf­tein­zie­hen er­folg­los zu hem­men such­te.

      Erkner, ein Vo­r­ort von Ber­lin, wo ihr ver­stor­be­ner Mann Bahn­be­am­ter ge­we­sen war, hat­te üb­ri­gens die bes­te Zeit im Le­ben die­ser Frau ge­se­hen. Im­mer, fast täg­lich, sprach sie da­von. Sie ahn­te nicht, und ich ahn­te nicht, wel­che Be­deu­tung die­ser Ort etwa fünf­zehn Jah­re da­nach auch für mein Le­ben er­hal­ten soll­te.

      *

      Wenn Som­mer und Win­ter zwei ganz ver­schie­de­ne Le­bens­for­men des Gast­hofs zur Preu­ßi­schen Kro­ne be­deu­te­ten, frei­lich nicht ohne Zu­sam­men­hang, so kann ich noch heu­te wie als Kind völ­lig ge­trenn­te Wel­ten un­ter­schei­den, in­ner­halb sei­ner Mau­ern so­wohl als auf dem da­zu­ge­hö­ri­gen Grund.

      Die Bür­ger­zim­mer ers­tens um­schlos­sen win­ters das Fa­mi­li­en­le­ben und da­mit die Wohl­er­zo­gen­heit. Die Säle im glei­chen Stock­werk wie­sen ge­wis­ser­ma­ßen fei­er­lich in eine frem­de Welt hö­he­rer Le­bens­form. Im Blau­en Saal stand das Kla­vier. Gel­be Ma­ha­go­ni­pols­ter­mö­bel schmück­ten die­sen Raum und die le­bens­großen, gold­ge­rahm­ten Öl­bild­nis­se Kö­nig Wil­helms und sei­ner Ge­mah­lin Au­gus­ta in gan­zer Fi­gur. Hier hat­ten die mon­ar­chi­schen Ge­füh­le mei­nes Va­ters ih­ren Aus­druck ge­fun­den. Eine Ko­pie der Six­ti­ni­schen Ma­don­na in Ori­gi­nal­grö­ße be­herrsch­te den an­de­ren, den Gro­ßen Saal, des­sen noch ver­füg­ba­re zwei­te Wand eine Ko­pie der Kreuz­ab­nah­me Rem­brandts trug, den mein Va­ter, nach der Fül­le der Rem­brandt­ko­pi­en im Klei­nen Saal zu schlie­ßen, be­son­ders ge­schätzt ha­ben muss.

      Ich be­grei­fe noch heu­te schwer, wie man in der sa­kra­len At­mo­sphä­re des Gro­ßen Saa­l­es spei­sen und harm­los plau­dern konn­te.

      Dicht an die Säle stie­ßen dann Kü­che, Wasch­kü­che und Hin­ter­hof, die eine ganz an­de­re Welt dar­stell­ten und die im we­sent­li­chen den un­ab­weis­ba­ren Be­dürf­nis­sen des Ma­gens und des Bau­ches zu die­nen hat­ten. Es kam her­nach die Welt Un­term Saal, die zwar als ein Teil СКАЧАТЬ