Das Abenteuer meiner Jugend. Gerhart Hauptmann
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Название: Das Abenteuer meiner Jugend

Автор: Gerhart Hauptmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Klassiker bei Null Papier

isbn: 9783962818746

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СКАЧАТЬ Frei­burg die an­kom­men­den Frem­den ab und brach­te dort­hin die Abrei­sen­den. Der Om­ni­bus, wenn er nicht un­ter­wegs war, stand in un­serm Hof, wo sei­ne Pols­ter ge­klopft, sei­ne Ach­sen ge­schmiert und das gan­ze Mon­strum mehr­mals die Wo­che von oben bis un­ten ge­putzt und ge­wa­schen wur­de. Das Klir­ren der höl­zer­nen Ei­mer mit den ei­ser­nen Trag­bo­gen, das Lär­men der Pfer­de­knech­te mach­te die Mu­sik dazu.

      Ich den­ke da­bei an die Som­mer­zeit, wo ich über­all und nir­gend zu Hau­se war. Die kur­ze Schul­zeit aus­ge­nom­men, trieb ich mich in den Stäl­len zwi­schen den Pfer­den, in der Kut­scher­stu­be, im Hin­ter­gar­ten, viel­fach auch auf den fla­chen, be­moos­ten Dä­chern der Saal­bau­ten her­um.

      Fast nie er­füll­te ich das Ge­bot mei­nes Va­ters: ohne Kopf­be­de­ckung nicht aus­zu­ge­hen. Da ich also, un­ge­hor­sam, im­mer mit bloßem Kop­fe her­um­rann­te, ver­mied ich nach Mög­lich­keit, von mei­nem Va­ter ge­se­hen zu wer­den. Auch setz­te er ge­wiss nicht vor­aus, bis zu wel­chem Gra­de ich mich in die Ge­pflo­gen­hei­ten der Stra­ßen­jun­gen ein­le­ben wür­de. Ich fing zum Bei­spiel, mit ih­nen in ei­nem Ru­del ver­eint, den Om­ni­bus, wenn er von der Bahn kam, vor dem Zie­le ab und ver­folg­te ihn, eben­falls mit­ten im Ru­del, gehüllt in eine dich­te Staub­wol­ke. Der Zweck war, den an­lan­gen­den Kur­gäs­ten Hand­ge­päck zu ent­rei­ßen, um es ge­gen Ent­gelt hin­ter ih­nen drein in das Lo­gis zu schlep­pen. Ich habe das nur ein­mal ge­tan, denn die Be­hand­lung, die ich da­bei er­fuhr, die Last, die ich zu tra­gen hat­te, und die Ent­loh­nung durch einen Kup­fer­drei­er, den ich emp­fing, all das war an­ge­tan, mich von die­ser Art Brot­er­werb ab­zu­brin­gen.

      Wie furcht­sa­me Scha­fe dräng­ten wir Kin­der uns zu­sam­men: wir hat­ten etwa in Nu­me­ro Neun ein fürch­ter­li­ches Hus­ten ge­hört. Es war das Lo­gier­zim­mer, in dem ein Lun­gen­kran­ker vor Jah­ren ge­stor­ben war. Oder von ir­gend­ei­ner lee­ren Stu­be aus wur­de nachts die Schel­le ge­zo­gen: Furcht und Grau­sen schüt­tel­te uns. Sol­che Vor­fäl­le wur­den meist nicht auf­ge­klärt.

      Mein Va­ter lieb­te Nacht­lich­te. Ein sol­ches klei­nes, knis­tern­des Licht­we­sen, das auf ei­ner Öl­schicht in ei­nem Glas Was­ser schwamm, hat­te die trost­lo­se Auf­ga­be, den Weg durch den ei­si­gen Klei­nen Saal zur Pri­vat­kü­che sicht­bar zu ma­chen. »Ger­hart, geh doch mal! Ger­hart, hole doch mal!« hieß es in den be­hag­lich durch­heiz­ten Wohn­zim­mern. Dann muss­te ich wohl oder übel in den Be­reich des Nacht­lichts hin­aus, der ho­hen Fens­ter, er­blin­det durch Eis­blu­men, des Saals mit den frie­ren­den Rem­brandt­bil­dern an der Wand, muss­te mir Mut ma­chen, muss­te hin­durch­ja­gen, muss­te durch die lee­re Ho­tel­kü­che, die nach ros­ti­gem Ei­sen roch und wo der Wind Häuf­chen Schnee auf den kal­ten Herd­plat­ten jag­te, dreh­te und wir­bel­te.

      Aber wir wä­ren nicht Kin­der ge­we­sen, wenn nicht der Ko­bold in uns auch die­ser Drang­sal eine lus­ti­ge Sei­te ab­ge­won­nen hät­te. Mei­ne Schwes­ter Jo­han­na ging uns hier­in vor­an. Es han­del­te sich um das von Kin­dern so gern ge­üb­te Er­schre­cken. Ei­ner von uns über­wand sei­ne Furcht und ver­steck­te sich in der Fins­ter­nis. Kam der Be­auf­trag­te dann in Sicht, etwa lang­sam oder furcht­sam vor­schrei­tend, so schlug der Ver­steck­te wohl mit ei­nem Stock auf ein Mö­bel­stück, was der Furcht­sa­me mit ei­nem Schrei und Flucht be­ant­wor­te­te. Oder der Be­auf­trag­te flog wie ge­hetzt von Ein­gangs­tür zu Aus­gangs­tür, und die­se wur­de von au­ßen zu­ge­hal­ten. Er rann­te zu­rück, fand, dass auch die Ein­gangs­tür ver­rie­gelt war, und sah sich den grin­sen­den Bild­dä­mo­nen an der Wand und al­len mög­li­chen Ängs­ten preis­ge­ge­ben.

      Fast möch­te ich es als Glück mei­ner Ju­gend be­zeich­nen, dass sich un­ser Da­sein nur im Win­ter zu ei­nem ech­ten Fa­mi­li­en­le­ben eineng­te: im Som­mer trat an sei­ne Stel­le für mich eine über­aus glän­zen­de Viel­falt im­mer­wäh­ren­der Fest­lich­keit.

      In der zwei­ten Hälf­te des Mo­nats April zo­gen Haus­die­ner und Zim­mer­mäd­chen auf. Das große Rei­ne­ma­chen be­gann. Die ho­hen Gla­stü­ren des Gro­ßen Saals, durch die man eine Ter­ras­se be­trat, wur­den weit auf­ge­sperrt, des­glei­chen die Fens­ter des Klei­nen Saals und al­ler Lo­gier­zim­mer. Man trug die Ma­trat­zen an re­gen­frei­en Ta­gen vor das Haus, wo als­bald Schleu­ße­rin­nen und Haus­knech­te un­ter lau­ten Spä­ßen und Ge­läch­ter die Aus­klop­fer schwan­gen. Der gan­ze Ort wi­der­hall­te da­von. Es wur­den da­bei man­che Na­men ge­ru­fen von Leu­ten, die nicht durch­aus be­liebt wa­ren, wo­durch die Schlä­ge schnel­ler und kräf­ti­ger nie­der­knall­ten.

      Des Un­ge­zie­fers we­gen wur­den in­zwi­schen die Fu­gen der Bett­stel­len mit Pe­tro­le­um ab­ge­pin­selt. In den Fens­tern stan­den die Mäd­chen hals­bre­che­risch, wu­schen die Schei­ben und rie­ben sie tro­cken. Oder der Schrub­ber herrsch­te, und die Die­len schwam­men in schmut­zi­gem Was­ser. Über­all roch es nach Sei­fe und nas­sen Ha­dern, und die mil­den Lüf­te des Früh­lings dran­gen ins in­ners­te In­ne­re des Hau­ses ein.

      Ich emp­fand dies al­les als et­was Be­glücken­des, wälz­te mich auf den Ma­trat­zen her­um oder be­rausch­te mich zwi­schen den al­ler­lei Pols­ter­mö­beln, die man eben­falls, um sie aus­zu­klop­fen, in den vor­de­ren Zier­gar­ten ge­bracht hat­te. Der Reiz des Un­ge­wöhn­li­chen, Ses­sel und So­fas zwi­schen Gar­ten­bee­ten zu fin­den, ver­setz­te mich in Be­geis­te­rung.