Das Abenteuer meiner Jugend. Gerhart Hauptmann
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Название: Das Abenteuer meiner Jugend

Автор: Gerhart Hauptmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Klassiker bei Null Papier

isbn: 9783962818746

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СКАЧАТЬ in dem mein Groß­va­ter Fer­di­nand Straeh­ler, eben der Brun­nen­in­spek­tor, am­tier­te. Auf die­sem Plat­ze hat­ten sich einst mei­ne mi­li­tä­ri­schen Ein­drücke we­sent­lich zu­sam­men­ge­drängt: der Ös­ter­rei­cher mit dem blu­ti­gen Tuch um den Hals, Ge­fan­ge­ne, ras­ten­de Trup­pen und ihre zu­sam­men­ge­stell­ten Ge­weh­re. Hier han­del­ten mei­ne Brü­der ge­gen al­ler­lei Tau­sch­ob­jek­te Kom­miss­brot ein, von hier aus führ­te der gra­de Weg bis zu ei­nem Aus­flugs­ort, der Schwei­ze­rei, den mei­ne Brü­der im Jah­re 66 un­zäh­li­ge Male zu­rück­leg­ten, um, wie schon ge­sagt, jene Ge­fan­ge­nen und Ver­wun­de­ten zu be­treu­en, die man dort­hin ge­legt hat­te. Hier, ne­ben der brei­ten Freitrep­pe, vor dem Gie­bel der Eli­sen­hal­le, vor und un­ter den Ba­sen der do­ri­schen Säu­len, saß auch im Win­ter eine alte knus­per­he­xen­ar­ti­ge Ku­chen­frau, die aus vie­len Grün­den, auch dem der un­um­gäng­li­chen kind­li­chen Nä­sche­rei, nicht aus mei­ner Kind­heit hin­weg­zu­den­ken ist. Von die­sem Platz trat man in die Kur­pro­me­na­den und in den Brun­nen­saal, hier mün­de­te der so­ge­nann­te Pap­pel­berg, eine stei­gen­de Pap­pel­al­lee, die nach Wil­helms­höh führ­te, ei­nem ro­man­ti­schen Burg­bau, dem haupt­säch­lichs­ten Aus­flugs­ort.

      *

      Der durch Jah­re vor­aus­ge­wor­fe­ne Schat­ten des ers­ten Schul­tags ver­dich­te­te sich. Ei­nes Ta­ges nach Weih­nach­ten sag­te mei­ne Mut­ter zu mir: »Wenn das Früh­jahr kommt, musst du in die Schu­le. Ein erns­ter Schritt, der ge­tan wer­den muss. Du musst ein­mal still­sit­zen ler­nen. Und über­haupt musst du ler­nen und ler­nen, weil auf an­de­re Wei­se nur ein Tau­ge­nichts aus dir wer­den kann.«

      Also du musst! du musst! du musst!

      Ich war sehr be­stürzt, als mir die­se Er­öff­nung ge­macht wur­de. Dass ich erst et­was wer­den sol­le, da ich doch et­was war, be­griff ich nicht. War ich doch völ­lig eins mit mir! Nur im­mer so wei­ter zu sein und zu le­ben war der ein­zi­ge, noch fast un­be­wuss­te Wunsch, in dem ich be­ruh­te. Frei­heit, Stil­le, Freu­de, Selbst­herr­lich­keit: warum soll­te man et­was an­de­res wol­len? Die klei­nen Gän­ge­lun­gen der El­tern stör­ten die­sen Zu­stand nicht. Woll­te man mir die­ses Le­ben weg­neh­men und da­für ein Sol­len und Müs­sen set­zen? Woll­te man mich ver­sto­ßen aus ei­ner so voll­kom­men schö­nen, mir so voll­kom­men an­ge­mes­se­nen Da­seins­form?

      Ich be­griff die­se Sa­che im Grun­de nicht.

      Et­was auf an­de­re Wei­se zu ler­nen als die, wel­che mir halb be­wusst ge­läu­fig war, hat­te ich we­der Lust, noch fand ich es zweck­mä­ßig. War ich doch durch und durch Ener­gie und Hei­ter­keit. Ich be­herrsch­te den Dia­lekt der Stra­ße, so wie ich das Hoch­deutsch der El­tern be­herrsch­te. Erst heu­te weiß ich, welch eine gi­gan­ti­sche Geis­tes­leis­tung hier­in be­schlos­sen ist und dass sie, ge­schwei­ge von ei­nem Kin­de, nicht zu er­mes­sen ist. Spie­lend und ohne be­wusst ge­lernt zu ha­ben, han­tier­te ich mit al­len Wor­ten und Be­grif­fen ei­nes um­fas­sen­den Le­xi­kons und der da­zu­ge­hö­ri­gen Vor­stel­lungs­welt.

      Ob ich mich nicht wirk­lich viel­leicht ohne Schu­le schnel­ler, bes­ser und rei­cher ent­wi­ckelt hät­te?

      Vi­el­leicht aber war das Schlimms­te ein See­len­schmerz, den ich emp­fand. Mei­ne El­tern muss­ten doch wis­sen, was sie mir an­ta­ten. Ich hat­te an ihre un­end­li­che, ufer­lo­se Lie­be ge­glaubt, und nun lie­fer­ten sie mich an et­was aus, ein Frem­des, das mir Grau­en er­zeug­te. Glich das nicht ei­nem wirk­li­chen Auss­to­ßen? Sie ga­ben zu, sie be­für­wor­te­ten es, dass man mich in ein Zim­mer sperr­te, mich, der nur in frei­er Luft und frei­er Be­we­gung zu le­ben fä­hig war, – dass man mich ei­nem bö­sen al­ten Mann aus­lie­fer­te, von dem man mir er­zählt hat­te, was ich spä­ter ge­nug­sam er­leb­te: dass er die Kin­der mit der Hand ins Ge­sicht, mit dem Stock auf die Hand­tel­ler oder, so­dass rote Schwie­len zu­rück­b­lie­ben, auf den ent­blö­ßten Hin­tern schlug!

      *

      Der ers­te Schul­tag kam her­an. Der ers­te Gang zur Schu­le, den ich, an wes­sen Hand weiß ich nicht mehr, un­ter Furcht und Za­gen zu­rück­leg­te. Es schi­en mir da­mals ein un­end­lich lan­ger Weg, und so war ich denn recht er­staunt, als ich ein hal­b­es Jahr­hun­dert spä­ter das alte Schul­haus such­te und nur des­halb nicht fand, weil es aus dem Fens­ter der al­ten Preu­ßi­schen Kro­ne so­zu­sa­gen mit der Hand zu grei­fen war.

      Un­ter­wegs gab es Verzweif­lungs­auf­trit­te, die nach vie­lem gu­tem Zu­re­den mei­ner Beglei­te­rin, und nach­dem sie mich an der Schul­tür un­ter den dort ver­sam­mel­ten Kin­dern al­lein ge­las­sen hat­te, dump­fe Er­ge­bung ab­lös­te.

      Es gab eine kur­ze War­te­zeit, in der sich die klei­nen Lei­dens­ge­nos­sen tas­tend mit­ein­an­der be­kannt mach­ten. Im Haus­flur der Schu­le zu­sam­men­ge­pfercht, pirsch­te sich ein klei­ner Pix an mich her­an und konn­te sich gar nicht ge­nug tun in Ver­su­chen, die Angst zu stei­gern, die er bei mir mit Recht vor­aus­setz­te. Die­se klei­ne schmut­zi­ge Mil­be und Rotz­na­se hat­te mich zum Op­fer ih­res sa­dis­ti­schen In­stink­tes aus­ge­wählt. Sie schil­der­te mir das Schul­ver­fah­ren, das sie eben­so­we­nig kann­te wie ich, in­dem sie den Leh­rer als einen Fol­ter­knecht dar­stell­te und sich an dem gläu­bi­gen Aus­druck mei­nes angst­voll ver­wein­ten Ge­sichts wei­de­te. »Er haut, wenn du sprichst«, sag­te der klei­ne Lau­se­kerl. »Er haut, wenn du schweigst, wenn du nie­sen musst. Er haut dich, wenn du die Nase wischst. Wenn er dich ruft, so haut er schon. Pass auf, er haut, wenn du in die Stu­be trittst.«

      So ging es, ich weiß nicht wie lan­ge, fort, mit den Wor­ten und Wen­dun­gen des Volks­dia­lekts, in dem man sich auf der Stra­ße aus­drückt.

      Eine Stun­de da­nach war ich wie­der zu Haus, aß mit den El­tern ver­gnügt und re­nom­mis­tisch das Mit­tag­brot und stürz­te mich mit ver­dop­pel­ter Lust ins Freie, in die noch lan­ge nicht ver­lo­re­ne Welt mei­ner kind­li­chen Un­ge­bun­den­heit.

      Nein, die Dorf­schu­le mit dem al­ten, im­mer miss­ge­laun­ten Leh­rer Bren­del zer­brach mich nicht. Kaum wur­de mir et­was von mei­nem Le­bens­raum und mei­ner Frei­heit weg­ge­nom­men und gar nichts von mei­ner Le­bens­lust.

      Der Ge­bäu­de­kom­plex des Gast­hofs zur Preu­ßi­schen Kro­ne war im Lau­fe der Zei­ten durch An­bau­ten ent­stan­den. Schwer zu sa­gen, wel­cher sei­ner Tei­le mir zu­erst zu Be­wusst­sein ge­kom­men ist. Ich hat­te wohl erst ein all­ge­mei­nes Ge­fühl sei­ner Uner­gründ­lich­keit. In­so­weit blieb er mir lan­ge un­heim­lich. Ich den­ke auch hier an die Win­ter­zeit. Da war zu­nächst un­ser Win­ter­quar­tier im ers­ten Stock. Es wa­ren die Säle: der so­ge­nann­te Gro­ße Saal und der so­ge­nann­te Klei­ne Saal und end­lich der so­ge­nann­te Blaue Saal, der in Wahr­heit der kleins­te war. Da war fer­ner das Erd­ge­schoss: ein Schnitt­wa­ren­la­den lag dar­in, eine ver­pach­te­te, dem Stra­ßen­be­trieb of­fe­ne Bier­stu­be, die Woh­nung des Fuhr­werks­be­sit­zers Krau­se und die Kro­nen­quel­le, von der schon ge­spro­chen wur­de. Das Haupt­haus, der Klei­ne Saal, die Stal­lun­gen СКАЧАТЬ