Das Abenteuer meiner Jugend. Gerhart Hauptmann
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Название: Das Abenteuer meiner Jugend

Автор: Gerhart Hauptmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Klassiker bei Null Papier

isbn: 9783962818746

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СКАЧАТЬ habe. Heu­te weiß ich, dass sie zu Recht be­stand.

      Au­ßer die­sen plas­ti­schen Bild­wer­ken hat­te sich mir von ir­gend­wo­her die Ari­ad­ne von Danne­cker ein­ge­prägt, und ich trug sie als ei­nes von drei Wun­dern der Kunst im Geis­te mit mir her­um.

      Schein­ba­re Zu­fäl­le sind es meist, durch die fol­gen­schwe­re Wir­kun­gen aus­ge­löst wer­den. Hät­te mein Va­ter nicht wi­der sei­ne Ge­pflo­gen­heit eine Ge­sell­schaft ge­ge­ben und, um sie an­zu­re­gen, den In­halt sei­nes Bü­cher­schranks aus­ge­legt, so wür­de ich we­der die Kon­zep­ti­on des großen Ho­me­ri­schen Ge­dichts ha­ben fas­sen kön­nen, noch hät­ten sich jene be­rühm­ten plas­ti­schen Kunst­wer­ke in mei­ner Vor­stel­lungs­welt fest­ge­setzt. An ih­nen lern­te ich die Wahr­heit des Sat­zes ken­nen, den De­mo­kri­tos ge­spro­chen hat, wo­nach die großen Freu­den aus der Be­trach­tung schö­ner Wer­ke ab­zu­lei­ten sind. Hat­te die von mir ent­deck­ten eine über­mensch­li­che Kraft ge­schaf­fen, so er­füll­te sie sel­ber in mei­nen Au­gen au­ßer- und über­mensch­li­che We­sen­heit. Sie wur­den mir in sich und an sich Kult­bil­der, wie es mir die Kreuz­ab­nah­me ge­wor­den war und die Raf­fae­li­sche Ma­don­na im Gro­ßen Saal.

      Im Fe­bru­ar er­leb­te ich einen Fa­schings­ball. Im Mas­ken­ge­wim­mel be­weg­te sich je­mand un­ter ei­nem rie­si­gen schwar­zen Drei­mas­ter. Die­se ins Gi­gan­ti­sche ge­stei­ger­te Kopf­be­de­ckung war ei­gent­lich ein Tin­ten­fass, in dem eine Gän­se­fe­der steck­te. Das mons­trö­se Ge­bil­de zog mei­ne Au­gen vor al­lem an und er­reg­te in mir un­end­li­ches Stau­nen. Und mein Stau­nen stei­ger­te sich, als ich ei­ni­ge Tage spä­ter die­ses Papp­de­ckel-Tin­ten­fass in ei­nem Zim­mer der Kro­ne ent­deck­te und er­fuhr, dass beim Bal­le der Kopf mei­nes Va­ters dar­un­ter ge­steckt hat­te.

      *

      Das Vor­spiel des Bal­les in­ner­halb der Fa­mi­lie zeig­te mei­ne Schwes­ter Jo­han­na zu­gleich als Haupt­ak­teu­rin und als Un­schulds­lamm. Es ist in­so­fern merk­wür­dig, als es wie­der Ge­gen­sät­ze und Un­stim­mig­kei­ten im We­sen mei­ner El­tern bloß­leg­te. Mei­ne Mut­ter frön­te der Tra­di­ti­on, wo­nach man eine hei­rats­fä­hi­ge Toch­ter aus­führ­te. Die­se Ge­pflo­gen­heit aber, die mei­ne Mut­ter als schö­ne Pf­licht auf­fass­te, wi­der­te mei­nen Va­ter an. Bei der Be­spre­chung zwi­schen Va­ter und Mut­ter, ob man Jo­han­na auf den Ball brin­gen sol­le oder nicht, hör­te ich mei­nen Va­ter sa­gen: »Tue, was du willst, ich gehe nicht mit; ich müss­te mich schä­men in Grund und Bo­den, wenn ich mei­ne Toch­ter wie ein Pferd auf dem Vieh­markt aus­bie­ten soll­te.«

      Tan­te Eli­sa­beth wühl­te aus an­de­ren Grün­den, näm­lich aus Ei­fer­sucht, ge­gen den Ball. Das al­tern­de Mäd­chen war ziem­lich üp­pig und voll­blü­tig, die Fa­schings­be­lus­ti­gung zog sie wie die al­ler­sü­ßes­te Lo­ckung der Höl­le an, aber sie hät­te den Ball­be­such we­der vor ih­rer Schwes­ter Au­gus­te noch vor ih­ren pie­tis­ti­schen Freun­den ver­ant­wor­ten kön­nen. Sie fing ih­ren Feld­zug ge­gen den dro­hen­den Mum­men­schanz mit Ein­wän­den ge­gen die zu er­war­ten­de ge­misch­te Ge­sell­schaft, ge­gen die Un­sitt­lich­keit der Mas­ken­frei­heit und ähn­li­ches an, be­mä­kel­te dann die Ko­stü­me, an de­nen Mut­ter und Toch­ter sti­chel­ten, und wand­te sich ge­gen die Tanz­sün­de. Trotz­dem sie im End­ziel aber mit mei­nem Va­ter über­ein­stimm­te, zog sie meis­tens vor zu ver­schwin­den, so­bald er in die Nähe kam.

      Tan­te Eli­sa­beth, de­ren im­per­ti­nen­te Ge­gen­wart mei­nen Va­ter al­lein schon auf­reiz­te, fuhr in die­sen Wo­chen wie eine auf­ge­stör­te Hum­mel zwi­schen Dachrö­dens­hof und Kro­ne hin und her, be­la­den mit im­mer neu­en Ein­wän­den, wo­durch die Reiz­bar­keit al­ler Be­tei­lig­ten ge­stei­gert wur­de. Ei­nes Ta­ges ver­bot mein Va­ter dann ge­ra­de­zu Tan­te Eli­sa­beth das Haus, sprach aber zu­gleich von Mäd­chen- und Men­schen­han­del, an dem er sich kei­nes­falls be­tei­li­gen wer­de.

      Auch mei­nem Bru­der Carl und mir schi­en das Ge­tue um mei­ne Schwes­ter vor dem Ball et­was Fremd­ar­ti­ges. Mus­ter­kna­ben wa­ren wir nicht. Als wir sie nun von mei­ner Mut­ter, der Schnei­de­rin, Tan­te Eli­sa­beth und den Haus­mäd­chen fei­er­lich wie ein Op­fer­lamm be­han­delt sa­hen, er­gin­gen wir uns in al­ler­hand Ne­cke­rei­en, auf die sie je nach­dem mit La­chen, mit Er­re­gung oder mit Ent­rüs­tung ant­wor­te­te. So­gar bis zu Trä­nen brach­te sie un­se­re Un­barm­her­zig­keit.

      Jo­han­na Ka­tha­ri­na Rosa nann­ten wir sie mit den Na­men, die sie bei der Tau­fe er­hal­ten hat­te, und füg­ten einen wahr­haft Ra­be­laiss­chen Reim dar­an. Der Re­spekt vor der »hö­he­ren Toch­ter« hielt sich nun ein­mal im häus­li­chen Krei­se nicht. Auch fühl­ten wir kei­nen Re­spekt vor Ball­klei­dern. Wir mal­ten aus, wie sie ihr zar­tes Pen­si­ons­köpf­chen beim Tanz an die Brust des be­trun­ke­nen Bau­ers Ru­dolf le­gen wür­de oder an die des schwind­sucht­kran­ken Brief­trä­gers oder an Glas­ma­ler­meis­ter Ger­titsch­kes Kopf, der sich nach Her­mann des Che­rus­kers bei den Rö­mern üb­li­chem Na­men Ar­min nann­te.

      *

      Es scheint, dass auch Fräu­lein Mat­hil­de Jasch­ke, das nun ver­wais­te von Ran­dow­sche Pfle­ge­kind, bei die­ser Un­ter­neh­mung ab­seits blieb. Auch ohne das Trau­er­jahr, in dem sie stand, wür­de es kaum an­ders ge­we­sen sein. Ihr Ein­fluss war, wie ich glau­be, so­wohl durch ei­ge­nen Ent­schluss wie durch den mei­ner Mut­ter aus­ge­schal­tet, die noch ein­mal müt­ter­li­che Ge­walt über ihre Toch­ter mit letz­ter Ent­schie­den­heit aus­üb­te.

      *

      Der Abend ist schließ­lich her­an­ge­kom­men. Un­ser ge­schlos­se­ner Lan­dau­er stand vor der Tür. Mei­ne ge­putz­te, mit grü­nem Tüll dra­pier­te Schwes­ter wur­de dem Va­ter vor­ge­führt. Er schi­en ent­setzt. Mit ei­nem so auf­ge­don­ner­ten Frau­en­zim­mer zu er­schei­nen, sei für ihn ein Ding der Un­mög­lich­keit. Man kann sich den­ken, wel­che Wir­kung ein sol­ches Ur­teil eine Vier­tel­stun­de vor Be­ginn des Bal­les bei Schwes­ter und Mut­ter hat­te.

      Wie es in sol­chen Fäl­len üb­lich ist, wur­de zu­nächst das gan­ze Fest in Bausch und Bo­gen auf­ge­ge­ben. Mei­ne Schwes­ter schloss sich in ih­rem Zim­mer ein und er­klär­te, sie wol­le zu Bet­te gehn. Mei­ne Mut­ter, in ih­ren Be­mü­hun­gen, mit we­nig Geld et­was Kleid­sa­mes her­zu­stel­len, nach An­sicht ih­res Gat­ten ge­schei­tert, war au­ßer sich. Es ent­spann sich ein hef­ti­ger Wort­wech­sel, bei dem nach und nach wie­der ein­mal al­les das zu­ta­ge kam, was sie ge­gen ih­ren Mann auf dem Her­zen hat­te.

      »Das ist es eben: du ziehst dich zu­rück, du bist ein ein­sa­mer Son­der­ling«, sag­te sie. »Du magst es nicht, wenn man fröh­lich ist. In un­se­rer Fa­mi­lie war Fröh­lich­keit und Got­tes­furcht. Wir gönn­ten ein­an­der ein Ver­gnü­gen. Mein Va­ter hat­te ein klei­nes Ge­halt, er muss­te mit sei­nen Pfen­ni­gen haus­hal­ten. Aber wenn er mei­ner Mut­ter oder uns Kin­dern ein Ver­gnü­gen ma­chen konn­te, so gab er mit vol­len Hän­den. Ich habe dir doch wahr­haf­tig СКАЧАТЬ