Das Abenteuer meiner Jugend. Gerhart Hauptmann
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Читать онлайн книгу Das Abenteuer meiner Jugend - Gerhart Hauptmann страница 44

Название: Das Abenteuer meiner Jugend

Автор: Gerhart Hauptmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Klassiker bei Null Papier

isbn: 9783962818746

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СКАЧАТЬ heim­li­chen Scha­ber­nack. Hat­te mei­ne Schwes­ter sich in den hei­ßen Nach­mit­tags­stun­den, um zu schrei­ben, zu le­sen oder zu ru­hen, in ihr Zim­mer zu­rück­ge­zo­gen und ein­ge­schlos­sen, was bei dem Gast­hof­be­trieb nur na­tür­lich war, so schlich ich her­an, klopf­te be­schei­den an die Tür und war, wenn Jo­han­na öff­ne­te, nicht zu se­hen. Ich wie­der­hol­te die­sen Streich mehr­mals am Nach­mit­tag und wur­de von ihr nie­mals ent­deckt. Blieb be­greif­li­cher­wei­se das be­schei­de­ne Klop­fen mit der Zeit wir­kungs­los, so führ­te ich Faust­schlä­ge ge­gen die Tür, ein Un­fug, den mei­ne Schwes­ter nicht über­hö­ren konn­te.

      *

      Die Ver­kaufs­stän­de des Ba­de­or­tes reiz­ten um die­se Zeit mehr und mehr mei­ne Be­gehr­lich­keit. Bald war es ein Berg­kris­tall, eine wei­ße oder rote Koral­le, ein Achat­schäl­chen, das ich be­sit­zen woll­te, ein großer oder klei­ner Gum­mi­ball. Ein­mal war ich ver­ses­sen auf ein brau­nes le­der­nes Por­te­mon­naie, das die Son­ne ei­gen­ar­tig ge­bleicht hat­te. Es übte eine bei­na­he krank­haf­te An­zie­hungs­kraft auf mich aus. Ich hat­te mir pfen­nig­wei­se, ich weiß nicht wo, Geld zu­sam­men­ge­schnorrt, so­dass ich na­he­zu Drei­vier­tel des Prei­ses bei­sam­men hat­te. Mit der wach­sen­den Sum­me war ich wie­der und wie­der zum Ti­sche des flie­gen­den Händ­lers zu­rück­ge­kehrt, aber er ließ sich durch­aus nichts ab­mark­ten. Bis zur Verzweif­lung aus­ge­höhlt von der durch die­ses Por­te­mon­naie und sei­ne Pa­ti­na er­reg­ten Zwangs­idee, poch­te ich an Jo­han­nas Zim­mer. Ich poch­te und tob­te, bis sie öff­ne­te. Aber ich traf sie eben­so un­er­bitt­lich hart, wie der un­er­bitt­lich har­te Ver­käu­fer war.

      Wenn ich von die­ser klei­nen Ge­schich­te ab­se­he, so muss ich ge­ste­hen, ich habe viel­fach nur aus Freu­de am Är­gern mei­ne Schwes­ter ge­quält. Schwer zu sa­gen, welch ein letz­tes Ge­fühl von Un­be­frie­digt­sein zu­grun­de lag. Vi­el­leicht war ir­gend­ein dump­fes Ha­dern mit ei­nem un­ver­stan­de­nen Ge­schick die Ur­sa­che, auf Grund ei­nes rast­lo­sen Un­be­ha­gens, das mich da­mals wohl ge­le­gent­lich über­kom­men hat, ei­ner Emp­fin­dung von Sinn­lo­sig­keit mei­ner Exis­tenz. Ein häss­li­cher Dä­mon, viel är­ger als Puck, hat­te mich in Be­sitz ge­nom­men.

      *

      Was für ein Neu­es woll­te da­mals in mir auf­ste­hen und wühl­te in mir? Habe ich mich viel­leicht im Spie­gel der Schön­heit er­blickt und miss­bil­ligt? Am Ende woll­te sich da­mals das Ende mei­ner un­be­wuss­ten Kind­haf­tig­keit lei­se an­kün­di­gen, aber: »Su­che nicht al­les zu ver­ste­hen, da­mit dir nicht al­les un­ver­ständ­lich blei­be«, sagt ein Phi­lo­soph. Und so las­se ich denn den Um­stand auf sich be­ru­hen, der das Rohe in mir ge­gen das Ve­re­del­te, das Wil­de ge­gen das Ge­setz­te, das Ther­si­tes­haf­te ge­gen das Gute, das Häss­li­che ge­gen das Schö­ne auf­zu­ru­fen schi­en.

      Vi­el­leicht sah mei­ne Schwes­ter in mei­nem Ver­hal­ten mit Be­sorg­nis Zei­chen der Ver­wahr­lo­sung und hat­te sich mit ih­rer Leh­re­rin Mat­hil­de Jasch­ke dar­über aus­ge­spro­chen. Sie nahm mich je­den­falls ei­nes Ta­ges zu die­ser Dame und de­ren Pfle­ge­mut­ter, dem Fräu­lein von Ran­dow, mit.

      Bei­de Per­sön­lich­kei­ten neig­ten sich mit ei­ner großen Zart­heit und Wär­me zu mir. Ich durf­te Tee trin­ken, Ku­chen es­sen und mich in den Räu­men des Hau­ses, ge­nannt Kur­län­di­scher Hof, nach Be­lie­ben um­se­hen. Wohl­füh­len konn­te sich hier ein zü­gel­lo­ses Na­tur­kind zu­nächst frei­lich nicht, aber es über­kam mich ein heim­li­ches Stau­nen, eine stil­le Be­wun­de­rung. Die Zim­mer mit ih­ren an­ti­ken Mö­bel­stücken und ih­ren Par­kett­fuß­bö­den ro­chen nach po­lier­tem Holz und nach Boh­ner­wachs und wa­ren mit Re­se­da und Gold­lack in Va­sen und Scha­len par­fü­miert.

      Fräu­lein von Ran­dow war wohl­ha­bend. Ich habe die hohe, wür­de­vol­le Er­schei­nung mit der wei­ßen Rü­schen­hau­be und dem schlich­ten grau­en Ha­bit deut­lich in Erin­ne­rung. In ih­rem Be­sitz be­fand sich eine alte Vi­tri­ne, die von vier Moh­ren ge­tra­gen wur­de. Ein an­de­rer Schrank mit vie­len klei­nen Schü­ben war mit Oli­ven­holz four­niert und das Äu­ße­re je­des Fa­ches mit so­ge­nann­tem Land­schafts­mar­mor aus­ge­legt. Je­des der bei­den Stücke war eine Sel­ten­heit. Aber auch al­les üb­ri­ge der ge­sam­ten Ein­rich­tung war kost­bar und von er­le­se­nem Ge­schmack. Das Gan­ze, als es spä­ter durch Erb­schaft an Mat­hil­de Jasch­ke, her­nach auf mei­ne Schwes­ter über­ging, blieb jahr­zehn­te­lang eine Fund­gru­be und ist trotz man­cher Ver­käu­fe und Schen­kun­gen bis zum heu­ti­gen Tag noch nicht er­schöpft.

      Die selbst­ver­ständ­li­che Frei­heit und Si­cher­heit, mit der mei­ne Schwes­ter sich im Hau­se der ad­li­gen Dame be­weg­te und wie sie hier gleich­sam als da­zu­ge­hö­rig be­trach­tet wur­de, stei­ger­te mei­nen Re­spekt vor ihr. Und in der Tat hat­te schon da­mals das Ver­hält­nis des weiß­ge­lock­ten Fräu­leins von Ran­dow zu ihr einen müt­ter­li­chen Cha­rak­ter an­ge­nom­men. Ähn­lich stand es mit Fräu­lein Jasch­ke, der Pfle­ge­toch­ter.

      Ein re­so­lu­ter Geist und ein gol­de­nes Herz wa­ren ver­ei­nigt in ihr, Ei­gen­schaf­ten, wo­mit sie sich über­all durch­setz­te.

      »Das größ­te Zart­ge­fühl schul­den wir dem Kna­ben«, sagt Ju­ve­nal. Es war auch der Grund­satz, nach dem ich im Kur­län­di­schen Hof be­han­delt wur­de. Hier er­schloss sich mir ah­nungs­wei­se ein bis da­hin un­be­kann­tes Bil­dungs­ge­biet, wenn es mich vor­erst auch nur sehr ge­le­gent­lich und sehr flüch­tig be­rüh­ren moch­te. Eine ge­wis­se Ver­wandt­schaft be­stand al­ler­dings zwi­schen die­sem Hau­se und Dachrö­dens­hof als den letz­ten Aus­läu­fern ei­ner Kul­tur, die im großen gan­zen ver­sun­ken war.

      *

      In der Um­ge­bung des Fräu­leins von Ran­dow herrsch­te der Geist hei­ter-erns­ter Welt­lich­keit, der kei­ne mo­ra­li­sche Schär­fe zeig­te und es ei­nem ganz an­ders als in der schar­fen At­mo­sphä­re um das buck­lig-from­me Tänt­chen Au­gus­te wohl­wer­den ließ, de­ren spit­ze Bli­cke und spit­ze­re Wor­te fort­wäh­rend Kri­tik üb­ten. Wel­che der bei­den Geis­tess­phä­ren an sich tiefer und be­deut­sa­mer war, ent­schei­de ich nicht.

      Es war der Kum­mer mei­ner Mut­ter, dass mein Va­ter zu sei­ner Toch­ter Jo­han­na, so­lan­ge sie Kind war, kein freund­li­ches Ver­hält­nis ge­win­nen konn­te. Er schi­en sie im­mer zu­rück­zu­set­zen. Es war nicht zu er­grün­den, ob dies nun nach Hann­chens gleich­sam tri­um­pha­ler Rück­kehr aus der Pen­si­on an­ders ge­wor­den war. Im­mer­hin schi­en sich mein Va­ter zu­rück­zu­hal­ten, und wahr­schein­lich hat­te mei­ne Schwes­ter im Kur­län­di­schen Hof mit der im­po­nie­ren­den ad­li­gen Dame und ih­rer re­so­lu­ten und ge­bil­de­ten Pfle­ge­toch­ter einen neu­en und star­ken Rück­halt ge­fun­den.

      Die­ser Rück­halt ver­stärk­te sich.

      Er führ­te als­bald im Dachrö­dens­hof und so­gar bei mei­ner Mut­ter zu Ei­fer­sucht.

      Tan­te Au­gus­te und Fräu­lein Jasch­ke hat­ten ein­an­der nichts zu sa­gen und mie­den sich. СКАЧАТЬ