Das Abenteuer meiner Jugend. Gerhart Hauptmann
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Название: Das Abenteuer meiner Jugend

Автор: Gerhart Hauptmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Klassiker bei Null Papier

isbn: 9783962818746

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СКАЧАТЬ …« Und so ging es fort.

      Mein Va­ter mach­te die­sem über­stürz­ten Re­de­fluss auch da­durch kein Ende, dass er ihn wie eine Li­ta­nei be­han­del­te, die er längst von An­fang bis zu Ende aus­wen­dig wis­se. Es war nicht ab­zu­se­hen, wie man nach ei­nem sol­chen Prälu­di­um doch noch auf den Ball kom­men kön­ne.

      Aber da griff der Halb­bru­der mei­nes Va­ters, der her­zens­gu­te, stot­tern­de On­kel Gu­stav Haupt­mann, ein, der ein­mal einen fran­zö­si­schen Gast mit den Wor­ten emp­fan­gen hat­te: »Une cham­bre, une cham­bre, wenn ich fra­gen darf?« – Es ge­lang ihm, Jo­han­na um­zu­stim­men. Sie wur­de von ihm still­schwei­gend in den Wa­gen und auf den Ball ge­bracht, was die El­tern zu ih­rem Er­stau­nen er­fuh­ren, als der Lan­dau­er, um auch sie ab­zu­ho­len, wie­der­um vor der Kro­ne stand. Und wirk­lich, nach al­le­dem stak dann das Haupt mei­nes Va­ters un­ter dem rie­si­gen Drei­mas­ter-Tin­ten­fass, was einen recht jä­hen Sprung von der Tra­gik zur Ko­mik be­deu­te­te.

      *

      Über dem Abend stand je­doch über­haupt kein gu­ter Stern. Ein Pro­vi­sor des Apo­the­kers Lin­ke fühl­te sich durch die grü­ne Far­be des Stof­fes be­un­ru­higt, den mei­ne Schwes­ter trug. Er stell­te fest, nach­dem er eine klei­ne Pro­be des Stof­fes an ei­nem Streich­holz ver­brannt hat­te, dass er nach Knob­lauch roch, also ar­se­nik­hal­tig war. Der Jüng­ling woll­te wahr­schein­lich auf­fal­len. Mei­ne Mut­ter und mei­ne Schwes­ter lach­ten ihn aus. Aber er konn­te nicht da­für ste­hen, dass mei­ne Schwes­ter, wenn sie tan­ze und tran­spi­rie­re, ohne eine schwe­re Ver­gif­tung da­von­kom­me. Das war für mei­nen Va­ter zu viel. In ei­nem Zim­mer der Men­de­schen Braue­rei hat­te er be­reits ganz in der Stil­le sein Tin­ten­fass und sei­nen Do­mi­no ab­ge­legt. Es war noch nicht elf. Das Ver­gnü­gen hat­te ei­gent­lich noch nicht recht an­ge­fan­gen, als man schon wie­der die Gum­mi­schu­he in der Gar­de­ro­be über­zog und, in Pel­ze ver­mummt, sich in ver­bit­ter­ter und ent­täusch­ter Stim­mung da­von­mach­te.

      *

      Um die Os­ter­zeit etwa wur­de für mich mein äl­tes­ter Bru­der Ge­org ge­bo­ren. Al­ler­lei klei­ne Be­geg­nun­gen und Ne­cke­rei­en der vor­her­ge­hen­den Jah­re hat­ten mir ihn nicht ei­gent­lich ge­gen­wär­tig und le­ben­dig ge­macht. Das ge­sch­ah nun, da er als Ober­pri­ma­ner in die Fe­ri­en kam.

      Mir sind von da zwei Sei­ten sei­nes We­sens er­in­ner­lich: die eine war gleich­sam ein letz­tes, kna­ben­haf­tes, kör­per­li­ches Au­s­to­ben, wäh­rend die an­de­re in ei­ner sich reif und er­wach­sen ge­ben­den Art be­stand und ei­ner da­mit ver­knüpf­ten Nei­gung zu Dis­kus­sio­nen, die ja üb­ri­gens in der Fa­mi­lie lag. Und wie­der­um wa­ren es re­li­gi­öse Fra­gen, die er haupt­säch­lich zur Spra­che brach­te, was eben­so mit der Fa­mi­li­en­tra­di­ti­on zu­sam­men­hing.

      Das ex­pan­si­ve kör­per­li­che Aus­le­ben des Bru­ders, das sich gleich an­fangs in ei­nem Akt des Über­muts ge­gen mich rich­te­te, hät­te mich bei­nah ums Le­ben ge­bracht. Er zeig­te mir Bo­xer­kunst­stücke. Erst schlug er mich auf die obe­ren Arm­mus­keln, und ich klei­ner Pix box­te weid­lich zu­rück. Dann sag­te er: »Stell dich vor mich hin!«, was ich so­gleich ge­hor­sam aus­führ­te. Er ball­te die Faust, er beug­te und streck­te den ge­straff­ten Arm, wo­bei er mir spie­le­risch ge­gen den Ma­gen ziel­te. Dann stieß er vor, mit der Ab­sicht na­tür­lich, noch vor der Berüh­rung mei­nes Kör­pers in­ne­zu­hal­ten. Aber er hat­te sich nicht in der Ge­walt und die Ent­fer­nung falsch be­rech­net. So ge­sch­ah es, dass mir die Faust in den Ma­gen fuhr, mir den Atem raub­te und mich stracks auf die Erde warf, wo ich mich, mit Er­sti­ckung rin­gend, laut­los um­her­wälz­te.

      *

      Ge­org war da­mals üb­ri­gens ganz be­son­ders kämp­fe­risch auf­ge­legt und fand in mir den be­geis­ter­ten Part­ner und Geg­ner. Mit lan­gen, bieg­sa­men Wei­den­ger­ten schlu­gen wir auf­ein­an­der ein. Das Kampf­spiel war nach Art ei­ner Jagd ar­ran­giert, bei der Ge­org das Wild, Bru­der Carl, ich und ei­ni­ge be­vor­zug­te Dorf­jun­gen die Meu­te wa­ren. Der Kraft­über­schwang des vom vie­len Sit­zen und Büf­feln über­sät­tig­ten Pri­ma­ners führ­te bei die­ser Hetz über Trep­pen, Kor­ri­do­re und Dach­bö­den, durch Säle, Kü­chen, Stäl­le und Gär­ten, über Zäu­ne, Lei­tern und fla­che Dä­cher hin­weg, wo­hin wir ihm über­all un­ent­wegt nach­stürm­ten. Gna­de in der Ver­tei­di­gung kann­te er nicht. Und ich, wie ich wahr­heits­ge­mäß zu be­rich­ten habe, kei­ne Furcht. Es war ein Mut, der da­mit rech­ne­te, dass nur Schmerz, nicht aber der Tod in Fra­ge kam. Und Schmerz zu er­lei­den schreck­te mich nicht. Die Schlä­ge der Wei­den­ger­te saus­ten um­sonst in mein Ge­sicht und lie­ßen große Schwie­len dar­auf zu­rück. Kei­nen Au­gen­blick hemm­ten sie mein ent­schlos­se­nes Vor­ge­hen. So trug auch Ge­org sei­ne Schwie­len da­von.

      Die­ses Os­ter­ver­gnü­gen war eine tol­le und wil­de Ra­se­rei, al­les Bis­he­ri­ge die­ser Art über­stei­gend.

      *

      Ich hat­te den Ein­druck, dass mein äl­tes­ter Bru­der mir ein be­son­de­res In­ter­es­se zu­wand­te. Vi­el­leicht war es ihm über­ra­schend, zu er­ken­nen, welch selt­sa­mes Frücht­chen in mir her­an­ge­wach­sen war, von dem er so gut wie nichts wuss­te. Er hat­te wohl an­de­res zu tun ge­habt in den kur­z­en Fe­ri­en­zei­ten der Ver­gan­gen­heit, als sich mit ei­nem klei­nen Bru­der zu be­schäf­ti­gen, der üb­ri­gens selbst kei­nen An­schluss such­te und über­all ei­ge­ne Wege ging. Nun aber, da Ge­org sel­ber die männ­li­che Rei­fe er­langt hat­te und ihm der für sein Al­ter noch kind­li­che Bru­der fer­ner ge­rückt und frem­der ge­wor­den war, schi­en es ihm einen Reiz zu ge­wäh­ren, ihn wo­mög­lich all­sei­tig zu er­grün­den.

      Oder hat­te er viel­leicht von mei­nem Va­ter den heim­li­chen Auf­trag dazu?

      Es war nicht leicht, mich ver­trau­lich zu ma­chen, so­lan­ge das wohl­er­zo­ge­ne Bür­ger­kind dem Pro­le­ta­ri­er­jun­gen von der Stra­ße den Platz ge­räumt hat­te. Denn die­ser hat­te in sich die Ab­nei­gung sei­ner Klas­se ge­gen die hö­he­re, ihre Ver­steckt­heit, ihr Miss­trau­en und eine Scheu, man kön­ne in die ihm lieb­ge­wor­de­ne Sphä­re in­di­vi­du­el­ler Frei­heit ein­grei­fen.

      Der für sei­ne zehn Jah­re noch über­aus zar­te und kind­li­che Kna­be, der ich ge­we­sen sein muss, hat wohl dem er­wach­se­nen Bru­der mehr als ein­mal Ent­set­zen er­regt, wenn er ihn, ver­trau­lich ge­macht, in ge­wis­se Ab­grün­de we­ni­ger sei­ner Gas­sen- als sei­ner Gos­sen­er­fah­rung bli­cken ließ. Um mich nicht kopf­scheu zu ma­chen, stell­te er sich bei mei­nen Er­öff­nun­gen harm­los amü­siert. In Wirk­lich­keit, wie er mir spä­ter sag­te, sind ihm die Haa­re zu Ber­ge ge­stie­gen.

      Üble und schmut­zi­ge Hand­lun­gen gab es nicht zu beich­ten oder sonst mit­zu­tei­len. Da­ge­gen hat­ten sich umso mehr häss­li­che Rei­me­rei­en wan­dern­der Stra­ßen­bar­den mei­nem Ge­dächt­nis ein­ge­prägt. Sie sind von ei­ner so aus­ge­sucht Ra­be­laiss­chen und auch zwei­deu­ti­gen Art, dass ich nicht dar­an den­ken kann, sie mit­zu­tei­len. Ich hat­te sie СКАЧАТЬ