Название: Das Abenteuer meiner Jugend
Автор: Gerhart Hauptmann
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Klassiker bei Null Papier
isbn: 9783962818746
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Sein Gesicht in der Ruhe war ganz Strenge und Ernst, tief eingegraben die senkrechten Stirnfalten, buschig die Brauen, üppig auf der Oberlippe der den Mund verdeckende Bart.
Für Körperpflege brauchte mein Vater Tag für Tag lange Zeit. Seine Anzüge waren vom besten englischen Tuch und beim ersten Schneider in Breslau gefertigt. Eine Sammlung von Schuhwerk wurde von ihm selbst gereinigt und blank geputzt, er hätte sie nie fremder Hand überantwortet.
Den damals üblichen Schlafrock verachtete er. Beim ersten Frühstück bereits war er bis auf die Busennadel tadellos angekleidet.
Jeden Morgen rieb er sich selbst mit einem in kaltes Wasser getauchten, rohen und rauen Leinentuch, in das er sich dabei völlig einwickelte, von oben bis unten ab.
Dagegen war meine Mutter, seit ich sie kannte, gegen ihr Äußeres völlig gleichgültig. Sie nannte den Körper mit Luther einen elenden Madensack, der ja doch schließlich den Würmern anheimfiele.
Die schöne goldene Uhrkette auf meines Vaters Weste und die Berlocken daran sind mir von früh erinnerlich.
Schon sehr zeitig, scheint mir, ist der Scheitel meines Vaters gelichtet gewesen, er ging an den Schläfen in ganz kleine natürliche Löckchen aus.
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Ich artete zunächst mehr der Mutter nach. Mich viel zu waschen oder viel gewaschen zu werden liebte ich nicht, ebensowenig mochte ich, wie schon gesagt, schöne Kleider. Sie bedeuteten Rücksicht auf Flecke, Beengung, ja gewissermaßen Gefangenschaft. In dieser Hinsicht ließ mich der Vater meiner Wege gehen, wogegen er auf meine Wasserscheu keine Rücksicht nahm und mich mit seiner Kaltwasserkur eigenhändig betreute.
Es wurden morgens Schwämme voll eiskalten Wassers über meinen gebeugten Nacken und Kopf ausgedrückt. Manchmal machte mich der Schmerz halb wahnsinnig, aber ich durfte nicht schreien, und auch sonstigen Widerstand gab es nicht, ebensowenig, wenn der Vater mich in das eigens für mich geschnittene nasskalte Abreibtuch wickelte und mich mit kräftigen Fäusten abschrumpelte. Hier war das schlimmste der erste Augenblick.
Der Protest meiner Mutter, die von alledem nichts hielt, half ebensowenig wie die zitternde Ergebung meiner zarten Kindlichkeit. Schön und erquickend war die von meinem Vater beliebte Art des Abtrocknens. Mir wurde ein weiches Bettlaken umgelegt, womit ich mich vor dem offenen Fenster gleichwie mit Flügeln plädern durfte.
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Neues Schuhwerk ließ mir mein Vater in der Werkstatt des Schusters Bliemel zu Hinterhartau, neue Anzüge in der Werkstatt des Schneiders Leo am Ende der Promenade persönlich anmessen. Leo, ein Zwerg, der eine Zwergin geheiratet hatte, saß immer mit gekreuzten Beinen, stichelnd und von Tuchlappen umgeben, in einem winzigen Schaufenster. Heute scheint mir, dass dieses Männchen, sein Betragen und seine Werkstatt noch dem Mittelalter angehört haben.
Mit besonderer Sorgfalt nahm sich der Vater meines Schuhwerks an. Er selber hatte verbildete Füße, wovor er uns Kinder bewahren wollte. Ohne Rücksicht auf die Mode des spitzen Schuhs bestand er auf Breite und Weite.
Mein Vater handelte oder schwieg, Redensarten machte er nicht. Auf seinem Arm habe ich nolens volens2 mit viel Geschrei im Lehmteich hinter der Gasanstalt das erste Bad im Freien genommen. Noch sehe ich das bedrohliche, schwindelerregende Glitzern der kleinen Wellen um mich her.
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Dieser Lehmteich hat mir später einen empfindlichen Streich gespielt. Ich trieb mich wie stets auf der Straße in der Nähe des Gasthofs herum, die Saison war in vollem Gange. Da sprach mich ein Junge, ein geborener Hanswurst namens Geisler, an, der einen herrlichen Apfel in der Hand hatte. Der etwa zehn Jahre alte Armenhäusler langweilte sich. Er musste im Auftrag einen weiten Weg machen und verfiel darauf, mich zur Gesellschaft mitzulocken.
Der Geislerjunge hatte mich gern. Nur um mir eine Freude zu machen, biss er Maikäfern die Köpfe ab, zerkaute Glas, stach sich Nadeln durch die Finger und machte den wilden Mann. Jetzt kaufte er mir die Begleitung bis zu einem Haus in Richtung des Niederdorfs gegen einen ersten Biss in den Apfel ab. Als ich den Apfel bis zum Griebsch3 in mir hatte, waren wir unversehens bei der Gasanstalt und dem dahinterliegenden Lehmteich angelangt. Ich war mehr als eine halbe deutsche Meile weit von unserm Hause verschleppt worden.
Das nun aber, was im Augenblick hier am Teiche geschah, brachte den zurückgelegten Weg, den Gasthof zur Krone, die Geschwister, die Eltern, ja mich selbst völlig in Vergessenheit. Der Lehmteich wurde abgelassen, und zu Aberhunderten sprangen, schnalzten und panschten in dem immer seichter werdenden Wasser große Karpfen und kleine Forellen herum. Sie wurden von Männern in aufgestreiften Hosen aus dem gelben Schlamm herausgegriffen, am Ufer in Wannen und Fässern zusammengehäuft. Krebse wurden aus ihren Löchern hervorgezogen und zum allgemeinen Vergnügen und Entsetzen herumgereicht.
Alles dieses nahm mich gefangen. Die großen und kleinen Fische, die ich zum ersten Mal lebend und nahe sah, ihre glotzenden und verzweifelnden Augen, die Fanglust, die mich ergriff, und zugleich die bittere Erkenntnis des todesnahen Zustandes, in den alle diese Wesen, noch eben frei und glücklich, geraten waren: die packende Gegenwart von alledem betäubte mich. Ich hatte noch nicht Mittag gegessen, und als ich den Heimweg antrat, um, wie ich glaubte, dazu noch rechtzeitig vor der Mahlzeit einzutreffen, war es nahezu Abend geworden.
Meine Eltern müssen verzweifelt gewesen sein. Die Polizei war verständigt worden, nach allen Himmelsrichtungen hatte man Boten ausgeschickt, die dann unverrichteter Dinge zurückkamen. Es waren Zigeuner gesichtet worden, der Demuthteich wurde abgesucht, ich konnte zum Baden verführt und ertrunken sein.
Nun, die ungeheure Spannung und Angst hat sich bei meinem Vater, als er mich wieder an der Hand hatte, in die Form einer ziemlich harten Züchtigung aufgelöst.
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Es war natürlich, dass ich aus den Schulbänken, wo ich mit den zerlumpten Armenhäuslern СКАЧАТЬ