Название: Stoner McTavish - Schatten
Автор: Sarah Dreher
Издательство: Автор
Жанр: Ужасы и Мистика
isbn: 9783867548809
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»Was? Sicher. Irgendwo muss hier ja was offen sein.«
Sie kamen an einem Ferienort vorbei. Zwei Reihen identischer weißer Häuser, die sich auf einem freien Feld gegenüberstanden. In einiger Entfernung tauchte der Ozean auf. Sein unbewegter, blaugrauer Anblick rief Erinnerungen an Kinderheimaufenthalte an der Küste wach – an die dünne Schicht aus knirschendem Sand auf braunem Linoleum, Betten mit Eisengestell und weißen Überdecken, Duschkabinen mit Blechwänden und Bodenbelägen aus einem unidentifizierbaren Material, das sich an den Fußsohlen irgendwie schleimig anfühlte, und an schwere Plastikduschvorhänge, die unten über dem Boden schmutzig aussahen, als wären sie voller Rost oder altem Blut.
»Zu schade, dass Marylou nicht hier ist«, sagte Gwen.
»Marylou verreist niemals.«
»Aber sie isst.«
»Vielleicht ist alles nur ein Missverständnis«, sagte Stoner. »Wir kommen dort an und stellen fest, dass sie tatsächlich nur in Urlaub ist. Vielleicht ist Nancy nur hysterisch. Allerdings kam sie mir nicht so vor, als neige sie besonders zur Hysterie, und dir?«
»Ich kenn sie doch gar nicht«, sagte Gwen.
»Ach ja, richtig. Sie kam mir sehr jung und auch sehr sensibel vor, und schutzbedürftig.« Sie überlegte einen Moment. »Gwen, meinst du, ich kann Menschen gut einschätzen?«
»Besser als ich.«
Stoner sah sie an. »Bloß weil du einen Mann geheiratet hast, der nur dein Geld wollte, heißt das noch lange nicht, dass du keine Menschenkenntnis hast. Jede macht mal einen Fehler.«
»Ich nicht. Ich fabriziere nur gigantische Irrtümer.«
»Gut«, sagte Stoner, »vielleicht wirst du’s so los. Einmal ein gigantischer Irrtum und ab dann ist’s ein gemütlicher Spaziergang.«
»Da waren drei Restaurants in der Stadt, durch die wir gerade gefahren sind«, sagte Gwen sehnsüchtig.
»Tut mir leid. Wir halten in der nächsten, versprochen.« Sie trat das Gaspedal fester durch. »Die Frage ist doch, wenn Claire irgendetwas zugestoßen ist, warum? Wenn es ein Unfall war – sie ist in den Ozean gefallen oder so was –, warum vertuschen? Sie ist erst zwei Monate in Schattenhain. Wie viele Feinde kannst du dir in zwei Monaten machen?«
»Hunderte«, warf Gwen ein, »wenn du sie verhungern lässt.«
»Also geht vielleicht irgendetwas Ungesetzliches in Schattenhain vor sich, und Claire hat es bemerkt, und sie mussten sie zum Schweigen bringen.«
Gwen warf sich zu Stoner rüber und biss ihr ins Handgelenk.
»Um Gottes willen, Gwen. Willst du, dass ich gegen einen Baum fahre?«
»Hunger!«, schrie Gwen.
Stoner brachte den Wagen zurück in die Spur. »Deshalb sollten wir, wenn wir in Castleton sind, auf verdächtige Vorgänge achten.«
»Jetzt weiß ich, was das hier wird«, jammerte Gwen, als etwas, das ›Die Kochmütze‹ hieß, ausgestattet mit Sitzbänken, Tischchen und servierbereiten Kellnerinnen, vorbeirauschte. »Die Suche nach Erleuchtung. Wir werden so lange weiterfahren, ohne Essen, ohne Schlaf, bis wir Halluzinationen bekommen.«
»Wieso hast du bloß schon wieder Hunger?«, fragte Stoner. »Wir haben doch eben erst gefrühstückt.«
»Wir haben um 7 : 45, Digitalzeit, gefrühstückt. Jetzt ist es 13 : 30.«
»Oha.« Sie gewahrte ein kleines Betongebäude, etwas weiter vorne. Ein Neon-Schriftzug flackerte hinter der Fensterscheibe wie ein sterbendes Glühwürmchen. Sie stemmte sich in die Bremsen, lenkte auf den Parkplatz und schaute sich um. »Ich weiß nicht, es wirkt ein bisschen ärmlich.«
»Mich würd’s nicht mal stören, wenn es dekadent wäre«, sagte Gwen und sprang aus dem Wagen. »Hauptsache, sie haben was zu essen.«
Stoner betrachtete Gwen, die voranging, und seufzte.
Ich bin verliebt.
***
»Verloren«, sagte Gwen.
Stoner zeigte auf eine verfallene Scheune am Straßenrand. »Das erinnere ich. Hier sind wir vorhin vorbeigekommen.«
»Soso. Da waren wir also auch schon verloren.«
Gwen hielt unter einem rostigen Pfeiler, der eine Straßengabelung markierte. Rankender Efeu verdeckte das Schild am oberen Ende des Pfeilers. »Kannst du lesen, was da steht?«
Stoner stieg aus und blickte nach oben. »Da steht Castleton.«
»Welche Richtung?«
»Rechts lang.«
»Welche Richtung sind wir letztes Mal gefahren?«
»Links, glaube ich.« Sie stieg wieder ins Auto. »Soll ich fahren?«
Gwen ließ den Motor an. »Stoner, mein Engel, da müsste erst der Tag kommen, an dem es in der Hölle schneit, bevor ich dich noch mal fahren lasse, besonders kurz vorm Essen.«
Mein Engel. Sie hat mich ›mein Engel‹ genannt.
»Ich schätze«, fuhr Gwen fort, »du bist die einzige Überlebende der Donnertruppe.«
»Was ist das?«
»Eine Gruppe Pioniere, die so besessen davon waren, die Goldfelder zu erreichen, dass sie versucht haben, die Wüsten im Winter zu durchqueren. Sie gerieten in einen Blizzard und verspeisten sich gegenseitig.«
»Na so was«, sagte Stoner. »Ich hätte gedacht, sie seien zu schwach für Sex gewesen!«
»Stoner McTavish! Das ist das Verdorbenste, was ich dich jemals hab sagen hören.«
»Wart’s ab«, sagte Stoner. »Ich kann sogar richtig derb werden.«
Sie rasten an überwinternden Feldern und Knäueln aus Brombeergestrüpp vorbei und ließen Farmhäuser in einer ganzen Palette verwaschen weißer Anstriche hinter sich. Kraftloses Elend. Scheunen mit zersplitterten Stützbalken, Fenster, die den Himmel reflektierten oder nach innen geöffnet zu schwarzen Löchern geworden waren.
»So was wie das hier würdest du im Süden niemals zu sehen bekommen«, sagte Gwen. »Es würde sofort dem Erdboden gleichgemacht werden. Ich weiß von Leuten, die fuhren übers Wochenende weg, und als sie zurückkamen, war ihr Haus kurzerhand verschwunden.«
»Keine schlechte Idee.« Stoner schaute sich besorgt um. »Meinst du, Castleton ist auch so?«
»Ich bezweifle es. Das hier ist doch nur ein Trick, um Kunstmalerinnen anzulocken.«
»Aber wo sind dann die Künstlerinnen.« Sie sackte tiefer in den Beifahrersitz. »Gwen, ich fürchte, ich bin etwas nervös.«
»Nervös! Du bist schon die ganze СКАЧАТЬ