Название: Stoner McTavish - Schatten
Автор: Sarah Dreher
Издательство: Автор
Жанр: Ужасы и Мистика
isbn: 9783867548809
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»Die Menschen, die hier leben, haben vermutlich ebenfalls dieses ungute Gefühl. Falls hier welche leben.« Sie sah Stoner an. »Kriegst du Alpträume davon?«
»Kann sein.«
»Alpträume können dir nichts anhaben, Stoner.«
»Sie können, wenn sie Vorahnungen sind.« Der Wagen überquerte eine schmale Brücke und erklomm einen Bergkamm. »Oh Mann, wir haben Castleton gefunden.«
Das Meer lag vor ihnen. Träge wie Blei. Schäfchenwolken schwebten über dem Wasser. Der Horizont war unsichtbar in Nebel getaucht. Richtung Osten war das Land eben, zog sich in bräunlichen Feldern an einem kleinen, schlammfarbenen Bach entlang. Das Städtchen Castleton kauerte sich ans flache Meeresufer. Vier rostverkrustete Fischerboote, um eine Boje herum vertäut, schaukelten verlassen auf und ab.
Am südlichen Ende der Stadt stieg das Land schroff an, formte sich zu einer felsigen, bewaldeten Halbinsel, die sich wie der Kamm eines arroganten Hahnes dem Ozean entgegenstreckte. Ein paar große, zerfallende Häuser klebten an den Felsen entlang der Straße, die sich zu einem matschigen Weg verschlechterte, als sie den Waldrand erreichte. Wellen klatschten unbarmherzig an den Fuß der Klippen. Draußen über dem Meer bildete sich eine Nebelbank, bewegte sich auf die Küste zu, griff nach dem Land mit silbrig samtenen Fingern.
»Gute Göttin«, hauchte Stoner.
»Allerdings«, sagte Gwen. Sie schaute auf die Karte. »Das muss der Castle River sein. Castle Bluffs. Castle Point. Der Fluss zum Schloss, das Kliff zum Schloss und der Aussichtspunkt zum Schloss, alles da, fehlt uns eigentlich nur noch das Schloss selbst.« Sie setzte das Auto wieder in Gang. »Ich hoffe, du bist bereit. Shirley Jackson hätte es geliebt.«
Nein, ich bin nicht bereit. Irgendwas ist falsch, irgendetwas stimmt nicht mit dieser Gegend. Und alles ist so vertraut. »Ich kenne diese Stadt«, flüsterte sie.
Gwen nickte grimmig. »Ich auch. Als ich ein ganz kleines Mädchen war, zog eine Zigeunerin über die Jahrmärkte bei uns und prophezeite mir, mich werde mein Schicksal in einer Gegend ereilen, die dieser verdächtig ähnlich sieht.«
»Mach keine Witze.«
»Doch, ich denke, das sollten wir besser.«
Sie hatte kaum ausgeredet, als sich die Stadt prahlerisch in Szene setzte. Ein baufälliges Lebensmittel- und Spirituosengeschäft inklusive Drahtgittertür und fliegenverklebten Paralstrips vom letzten Sommer, ein Café, einladenderweise ›Die Seegurke‹ genannt, eine Bar, ein von den MGM-Filmkulissen übriggebliebener Drugstore, eine Tankstelle mit zwei Zapfsäulen, etwa 1947, und ein mit rosa Stuck verziertes Hotel vierter Klasse, das behauptete, die ›Herberge zum Ostwind‹ zu sein. Langsam fuhren sie die Straßen auf und ab, auf der Suche nach einem Zeichen menschlichen Lebens.
»Vermutest du auch«, sagte Gwen, »dass sie bei Vollmond aus ihren Särgen steigen?«
Ein Münztelefon unter einer Kunststoffblase stand am Straßenrand, der Hörer baumelte unbenutzt herum, die dünnen Telefonbuchseiten flatterten im Nachmittagswind. Der einzige sichtbare Hinweis auf eine moderne Zivilisation.
»Was, glaubst du, haben die Einwohner damit gemacht?«, fragte Stoner.
»Sie hielten es vermutlich für einen Außerirdischen und haben es erschossen.« Gwen bog mit dem Wagen in eine andere graue Straße ein. »Weißt du, was wir machen sollten?«
»Was?«
»Davonrennen, so schnell die Füße uns tragen.«
Der Nebel begann sich ums Auto zu wickeln. Er stieß an die Scheiben und wulstete sich über die Motorhaube.
Stoner räusperte sich den Hals frei. »Sollen wir Schattenhain suchen oder uns erst im Hotel anmelden?«
»Nachdem ich das Hotel bereits gesehen habe, bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob ich Schattenhain überhaupt noch kennenlernen möchte.«
»Wenn wir zu lange warten, sind die Zimmer vielleicht schon alle vergeben.«
»An wen?«
Gwen wendete, um zurück ins Stadtzentrum zu fahren. Nachdem sie in irgendeine Straße eingebogen war, rollten sie ein paar Blocks weit an Häusern mit grauen Mauerschindeln vorbei. Die vorgebauten Veranden hatten ziemliche Schlagseite und wirkten, als ob sie sie belauschten. Gwen versuchte es mit einer anderen Straße und noch einer anderen. Nichts.
»Gut«, sagte sie. »Was machen wir jetzt?«
»Das Hotel muss hier irgendwo sein. Wir haben es doch schon gesehen.«
»Haben wir?«
Verwirrt kaute Stoner auf ihrer Unterlippe herum. Wir können uns nicht schon wieder verirrt haben. Nicht in einer Stadt dieser Größe. Und wir haben Castleton mit Sicherheit nicht wieder verlassen. Da ist ›Die Seegurke‹, da der Drugstore, der Stadtpark …
Sie bemerkte ein verblasstes, fast umgefallenes Schild, das in einer Schneewehe stak. ›HERBERGE ZUM OSTWIND, erste Straße rechts‹.
»Stoner«, raunte Gwen, »vor zehn Minuten stand das Schild noch nicht da.«
»Lass das«, antwortete Stoner. »Es ist auch so schon gruselig genug.«
»Gruselig trifft es nicht mal ansatzweise.«
Das Hotel lag etwas zurückversetzt an der Straße, so dass der Platz gerade für eine Reihe vorsichtig diagonal geparkter Fahrzeuge, eine einspurige Zufahrt und eine dünne Reihe aus verwelkten Ringelblumen reichte. Eine Neonschrift, die sich HE BERG UM O TWI D las, lugte an einer Ecke des Hauses hervor. Hinter Panoramafenstern erinnerten verbogene und zerkratzte Metalljalousien an Zäune aus knorrigen dünnen Zweigen. Die Sturmschutztür eines Stockwerkes stand offen. Die Tür dahinter sah aus, als würde sie nur noch durch eine Glasscherbe in Form gehalten.
Stoner zögerte. »Das macht keinen sehr vielversprechenden Eindruck. Vielleicht sollten wir es irgendwo anders versuchen.«
»Wo irgendwo anders? Wenn wir Castleton den Rücken kehren, werden wir es nie wiederfinden. Vermutlich taucht es nur alle hundert Jahre aus der See auf, wie Brigadoon. Wenn es zu schrecklich ist, können wir morgen immer noch weiterfahren.«
»Na gut«, sagte Stoner widerwillig, »ich schätze, uns bleibt nichts anderes übrig. Möchtest du den offiziellen Teil erledigen?«
Gwen lugte zur Tür des Empfangsbüros und schnitt eine Grimasse. »Nur dieses eine Mal noch bist du der kesse Vater. Um der guten alten Zeiten willen.«
Das Empfangsbüro war leer, die Tür verschlossen. Ein drei mal fünf Zentimeter großes Pappkärtchen steckte in der Ecke einer Glasscheibe und versprach, dass irgendwer ›bald zurück‹ sein würde.
»Die entscheidende Frage«, bemerkte Gwen, nachdem Stoner ihr Bericht erstattet hatte, »ist nur, ob dieses ›bald‹ als ›vor dem Abendessen‹ oder als ›Ende Mai‹ zu interpretieren ist.«
Stoner rieb sich den Nacken. »Ich meine, wir könnten ein bisschen Zeit damit totschlagen, mal zu schauen, wo Schattenhain liegt. Es muss irgendwo da an der Straße beim Ozean sein.«
»Ich frag mich«, СКАЧАТЬ