Menschen im Krieg – Gone to Soldiers. Marge Piercy
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Название: Menschen im Krieg – Gone to Soldiers

Автор: Marge Piercy

Издательство: Автор

Жанр: Книги о войне

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isbn: 9783867548724

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СКАЧАТЬ wahrscheinlich nicht in ihn verliebt war. Oscar wollte immerhin mit Louise essen gehen. Obwohl sie sich ein wenig schämte, begann sie vorsichtig, sich auf Sonntag zu freuen. Unterdessen lief sie über den Flur, zog sich eine bequeme Hängebluse und einen weiten Glockenrock an, schlüpfte in Fellpuschen und widmete sich dann am Schreibtisch wieder der Geschichte von Betsy, deren Mann bei einem Zugunglück im 5-Uhr-15-Nahverkehrszug von der North Station starb; und deren Jugendfreund gelbe Rosen schickte und geheimnisvoll lächelte, der jungenhaft lachte, dessen schelmische schwarze Asiatenaugen aber von Oscar ausgeliehen waren.

      Daniel 1

      Ein alter China-Hase

      Daniel Balaban überquerte die Brücke von der Harvard Business School, in der er und seine Kommilitonen untergebracht waren, zum älteren Harvard auf der Cambridge-Seite des Charles River. Die Scharen junger College-Studenten betrachtete er ebenso neugierig und kühl distanziert, wie er die vielsprachigen Spaziergänger auf der Bund in Schanghai beobachtet hatte. Er gehörte hier nicht her. Die Marine erlaubte sich Harvard gegenüber einen kleinen Scherz mit diesem Sammelsurium aus Missionarssöhnen, Marinestabsoffizieren und alten China-Hasen, die in Geschäfts- oder Militärangelegenheiten die letzten zwanzig Jahre dort verbracht hatten. Die meisten konnten ein wenig Japanisch, doch andere wie er selbst konnten nur Chinesisch. Die Marine hatte sie hier zu einen Japanisch-Intensivkurs am Yenching-Institut versammelt. Daniel, Kind einer in der Bronx untergekrochenen jüdischen Emigrantenfamilie, hatte als Student hier und da Tüpfel von Begabung gezeigt, war jedoch zu keinem besonderen Ehrgeiz gelangt, zumindest keinem, für den akademische Grade verliehen wurden. Nun arbeitete er hart an seinem Japanisch und war von sich selbst überrascht: Sein Glück freute ihn, und zugleich fand er es komisch.

      Daniel erinnerte sich gut genug an die Depression, um niemals zu vergessen, was Hunger war und wie er einen Menschen zusammenstutzte auf nichts als sich selbst. Sein Vater war mit fünfzehn Jahren aus dem polnischen Kozienice in die Vereinigten Staaten gekommen. Nach und nach hatte er sich ein kleines Knopfgeschäft aufgebaut, das in den zwanziger Jahren florierte. Er glaubte an sein Adoptivland und wollte alles so tun, wie es die Amerikaner taten. Er nahm Daniel und seinen älteren Bruder Haskel mit zu den Spielen der Giants, und er bedankte sich überschwänglich bei seinen Geschäftsfreunden für die Börsentipps, die sie ihm gaben. Es ging ihnen sehr, sehr gut, wie in seinen Träumen. Dann verschwand es über Nacht, als wäre es nie da gewesen: Feengeld. Daniel dachte, dass weder sein Vater noch seine Mutter je den Schock verwunden hatten, als all das Geld zu Schulden schmolz. Innerhalb von zwei Monaten waren sie nicht mehr wohlhabend, und wenig später waren sie arm.

      Onkel Nat, der in Deutschland Geschäftsmann gewesen war, ging fort, sobald Hitler die Macht ergriffen hatte. In Schanghai blühten seine Geschäfte, und so wollte er seine Brüder nachkommen lassen. Onkel Mendel arbeitete in Frankreich; Onkel Eli und Tante Esther ging es in Kozienice sehr gut, vielen Dank. Daniels Vater in der Bronx nahm das Geld für die Überfahrt dankbar an und machte sich auf den Weg, um das Glück seines Bruders in Schanghai zu versuchen. Keiner von beiden wurde reich, aber es ging ihnen gut, taipans, erfolgreiche Geschäftsleute. Innerhalb von sechs Monaten holte Daniels Vater seine Familie nach. Alle fuhren, bis auf Haskel, den hochbegabten, wenngleich engstirnigen Medizinstudenten in einem vorklinischen Semester am City College.

      Er konnte sich noch daran erinnern, wie er und seine Schwester Judy und seine Mutter auf dem französischen Schiff, das sie nach China brachte, gegessen hatten. Sie fuhren dritter Klasse, doch das Essen war reichlich, so reichlich, dass sie in ihrer ersten Woche auf See von nichts anderem reden konnten. Wie viel es zu essen gab. Wie oft sie aßen. Wie bald sie wieder so viel essen würden. Nach drei Wochen auf dem Schiff hatte sich ihre Ausgezehrtheit in sonnengebräuntes Fleisch verwandelt. Seine Mutter sah zehn Jahre jünger aus. Seine sechzehnjährige Schwester Judy war plötzlich hübsch.

      Bis dahin war er ein linkisches Kind gewesen. Flog ein Ball in seine Richtung, traf er ihn unweigerlich ins Gesicht, als leite Bosheit das runde Ding oder ein Magneteisen in seinem Schädel, so dass er mit vierzehn von harten und weichen Baseballbällen, von Footballbällen, Basketbällen, Fußbällen, Strandbällen, Tennisbällen, ja selbst von Pingpongbällen schmerzlich getroffen worden war; sobald sie Gelegenheit dazu bekamen, hatten die Bälle ihn angegriffen und damit bei seinen Spielkameraden Wut und Spott ausgelöst.

      Er war ein eigensinniges, verträumtes, in sich gekehrtes Kind und liebte Bücher über die Hunde und Katzen und Pferde, die er nicht haben konnte. Seine Kosetiere waren zwei Goldfische, Mink und Mank. Seine Mutter schärfte ihm immer wieder ein, sie nicht zu überfüttern, doch das war das Einzige, was er für sie tun konnte. Eines Morgens schwammen sie mit dem Bauch nach oben in ihrem winzigen Glas. Er ersetzte sie nicht. Er las lieber Burschi, ein Hund oder das Dschungelbuch. Ihm schienen Wölfe die liebevolleren, aufmerksameren Eltern. In früher Kindheit war er seiner Mutter eng verbunden gewesen, doch der Verlust ihres behaglichen Heims, des Autos, der Möbel, des Ansehens versetzte sie in Apathie. Sie führte nur noch Selbstgespräche, wenn sie ohne Unterlass die enge, überfüllte Wohnung putzte. Obwohl sie sich nun unablässig über China beklagte, hatte sie hier einen Hausdiener und einen Koch, und jeden Tag stattete sie anderen verheirateten jüdischen Damen Besuche ab.

      Daniels Familie zog in ein sogenanntes Hofhaus in Hongkew, einem armen, überbevölkerten, aber faszinierenden nordöstlichen Vorort, der auf drei Seiten von Wasser umgeben war. Sie wohnten dort, weil die Mieten und die Lebensmittel nur halb so teuer waren wie im International Settlement oder in der Französischen Konzession. Ihr Haus gehörte zu den rasch hochgezogenen Neubauten der Gegend, stand im Schutze einer Mauer mit einem Tor und war feuchtkalt, nur beheizt von kleinen, stinkenden Kohleöfen.

      Daniel wurde auf die amerikanische Schule im International Settlement geschickt, aber der tägliche Unterricht dauerte nicht lange und ließ ihm viel Zeit, durch die Straßen zu stromern. Bei einem Straßenhändler kaufte er sich getragene chinesische Kleidungsstücke, die er in der Mauer verbarg. Mit seinem schwarzen Haar, der tiefgebräunten Haut und den dunkelblauen Augen sah er nicht chinesisch aus, konnte aber als mandschurisch durchgehen. Wäre er in europäischen Kleidern mit seiner Armbanduhr herumgelaufen, man hätte ihn überfallen und ausgeraubt. In seinem selbsterdachten Abenteuer blühte er auf vor neuem Selbstvertrauen. Er stellte sich vor, wie die Jungens aus seinem alten Viertel ihn beneideten und wie sie bedauerten, ihn nicht in ihre Baseballmannschaft gewählt und ihn sogar vom Brennball ausgeschlossen zu haben. Die Straßen waren verstopft und glitzerten von riesigen, vergoldeten Schildern, leuchtenden Neon reklamen und gewaltigen grellbunten Wandbildern, die einheimische Produkte anpriesen. Er wuchs rasch und hatte immer Hunger, aber es gab viel zu essen, und alles billig: Nudeln, gefülltes Pao, Tangtuanklöße, süße Mandelsuppe, süße oder salzige Kuchen, Salzfisch und Kohl. Er liebte die Dampfer und die Sampans, die Hausboote mit den aufgemalten Augen im brackigen Hafen.

      Auf der amerikanischen Schule wurde kein Chinesisch unterrichtet. Wenige Eltern sprachen Chinesisch oder verstanden es. Onkel Nat sagte, auf den anderen internationalen Schulen sei es das Gleiche. Als sein Onkel sah, dass er sich dafür interessierte, besorgte er Daniel zwei Lehrer, einen für umgangssprachlichen Wu-Dialekt und den anderen zum Lesen und Schreiben der Schriftzeichen. Er lernte bei seinen beiden chinesischen Lehrern weitaus eifriger als bei seinen Lehrern in der amerikanischen Schule, weil er das, was er lernte, sofort auf der Straße anwenden konnte, dort, wo er immer sein wollte.

      »Die Europäer und die Amerikaner verhalten sich wie Schafsköpfe«, sagte Onkel Nat und wies darauf hin, dass die Amerikaner keine Chinesen in ihren Country Club ließen. »Es gibt in dieser Welt niemanden, auf den man sich absolut verlassen kann. Man kommt in anderer Leute Land, wo man die Chance hat, in Sicherheit zu sein, ein gutes Leben zu führen, also lernt man ihre Sitten und spricht ihre Sprache, damit man sie nicht mehr kränkt als nötig. Wenn man in den Wind spuckt, fliegt’s einem ins Gesicht zurück. Kapiert?«

      Onkel Nat war ein grauhaariger Mann ähnlich wie sein Vater, aber er stand anders da, nicht krumm und gebeugt. Er hielt sehr auf äußere Form. Daniel fühlte sich bei ihm wohler als bei СКАЧАТЬ