Menschen im Krieg – Gone to Soldiers. Marge Piercy
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Название: Menschen im Krieg – Gone to Soldiers

Автор: Marge Piercy

Издательство: Автор

Жанр: Книги о войне

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isbn: 9783867548724

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СКАЧАТЬ der gute Sohn.

      Schanghai wimmelte von Menschen, vier Millionen Chinesen und dazu hunderttausend Ausländer, es gab moderne Wolkenkratzer, tipptopp uniformierte Sikhs auf kleinen Zementpodesten, die den Verkehr regelten, fünf Universitäten, zahlreiche gelehrte und wissenschaftliche Einrichtungen, Nobelhotels und exklusive Privatclubs; doch für die meisten Chinesen gab es nur Armut und einen schnellen oder langsamen Tod. Morgens lagen Leichen auf seinem Schulweg. Überall schüttelten verkrüppelte Bettler ihre Büchsen. Schanghai brodelte von Krankheiten, von politischen Unruhen und Morden. Er sah zu, wie Gefangene für politische oder ganz gewöhnliche Verbrechen geköpft oder garrottiert wurden, öffentliche Hinrichtungen, wo er in der Menge stand und staunend mit ansah, wie ein Leben ausgelöscht wurde, sich aber in Acht nahm, so gleichmütig dreinzuschauen wie alle anderen, um keinen Ärger zu bekommen.

      Dann fing er sich eine Art Paratyphus ein, der so mächtige Darmkrämpfe auslöste, dass er sehen konnte, wie sein Bauch davon wogte, während er ächzend in hohem Fieber lag. Nach diesem ersten heftigen Anfall kehrte die Krankheit jeden Monat wieder; schließlich schien er sie auszuwachsen. Er aß weiterhin Gerichte von Garküchen und Straßenverkäufern. Er schoss zu einem Meter achtzig auf. Mit sechzehn kaufte er sich seine erste Sexualerfahrung im Rotlichtdistrikt der Kiangsestraße, und im Gegensatz zu dem, was seine Lektüre ihn glauben gemacht hatte, fand er sie nicht widerwärtig oder abstumpfend, sondern reizvoll, wenn auch unvollständig, da ohne jeden Zusammenhang.

      Nach diesen anfänglichen Sexualerlebnissen betrachtete er Frauen mit großem Interesse. Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, aber offenbar bemerkte die Frau eines Arztes aus Berlin sein Interesse. Sie verführte ihn, eine Aufgabe, die ihr keine Schwierigkeiten bereitete, sobald er begriffen hatte, dass ihm angeboten wurde, was er am meisten begehrte. Prompt verliebte er sich in sie. Ach, das war es also, worauf er gewartet hatte, was er erwartet hatte. Da war zum einen der Sex und da war zum anderen die Schwärmerei, aber wenn er beides in einer bestimmten Frau zusammenfügte, entstand ein unwiderstehliches neues Spiel, eines, das bis in sein erstes Jahr an der Schanghai-Universität andauerte, wo er sich mit zwei chinesischen Jungen anfreundete und in ihre Elternhäuser eingeladen wurde.

      Die japanische Invasionsarmee näherte sich der Stadt. Die chinesischen Truppen verbrannten einen Großteil von Hongkew, die Japaner zerbombten den Rest, und die Balabans zogen widerwillig in kleinere, wesentlich teurere möblierte Zimmer in der Französischen Konzession, bis rasch wieder Hofhäuser hochgezogen wurden. Häufige Bombenangriffe erschütterten den Boden, zerstörten ganze Wohnblocks. Der Bahnhof wurde von Bomben getroffen, und es gab unzählige Tote. 1938 war Schanghai vom Festland abgeschnitten und warf weniger Gewinne ab. Flüchtlinge aus Deutschland und Österreich kamen in Scharen und brachten haarsträubende Berichte mit. Daniels Eltern wurden zunehmend nervös. Es war an der Zeit, fanden sie, in die Bronx zurückzukehren.

      Er verließ China unter Protest und weinte ganz offen. Judy war glücklich. Sie wollte das normale Leben eines amerikanischen Mädchens, sagte sie laut. Daniel hatte kein Verlangen nach dem normalen Leben eines amerikanischen Jungen, das er sich als Titelseite der Saturday Evening Post vorstellte, ein sommersprossiger Dorfbub mit einer Angel. Genauso wenig sehnte er sich nach den Prügeleien mit italienischen und polnischen Bengels auf den umkämpften Straßen der Bronx.

      Er besuchte das City College. Der politische Umbruch faszinierte ihn, wie es die Straßen von Schanghai getan hatten. Er ging zu den Versammlungen von Splittergruppen, schlenderte durch den Basar der Ideen, konnte sich mit keiner identifizieren, war aber guter Hoffnung, dass irgendeine Ideologie ihn zum Engagement verlocken würde. Er wohnte zu Hause und fuhr täglich zum College, obwohl er bei seinen Eltern, denen er sich seit Jahren nicht mehr anvertraut hatte, keine Ruhe fand. Er sah sie als enge, naive, liebe, aber beschränkte Menschen. Sie hatten sich den Kopf stets über Überlebensstrategien zerbrechen müssen. Er versprach sich ganz andere Optionen. Er war ungern mit Haskel zusammen, der jetzt in den klinischen Semestern war und von seiner Mutter bedient wurde wie von einer Magd. Jeder Bruder fand den anderen verachtenswert.

      Dienstags und mittwochs fuhr er mit der Stadtbahn zur Upper West Side, wo es eine kleine chinesische Gemeinde von der Mittelküste gab. Dort nahm er Unterricht bei dem Besitzer des Shanghai Star, in einem kleinen Büro über dem Restaurant. Dienstags war die Umgangssprache dran. Pao Chi war ein kahler, großgewachsener und schwergewichtiger Mann, doch seine Stimme war sanft und melodiös. Er redete gern über den Taoismus. Mittwochs studierten sie die Schriftzeichen. Gleich nach dem amerikanischen Neujahr erlaubte ihm Mr. Pao, die Kalligrafie auf einer Speisekarte zu machen.

      Seine Familie missbilligte seine Vernarrtheit in alles Chinesische. Sein Vater, seine Mutter und seine Schwester Judy hatten in China gelebt wie eine Katzenfamilie, die auf einem Baumstamm in einem Bach hockt und bemüht ist, nicht nass zu werden, nicht in das vorbeifließende Leben hineingezogen zu werden. Daniel hatte vor, zu seinem Onkel Nat zurückzukehren, der China so liebte wie er. Das war der Traum, nach dem er sich verzehrte.

      Er verliebte sich in eine Trotzkistin und gab sich große Mühe, auch Trotzkist zu werden, denn ihr Körper war seidenweich, und sie hatte ein warmes, aufreizendes Lachen und einen klaren, nüchternen Verstand, mit dem er gern die Klingen kreuzte. Sie genoss die Streitgespräche nicht so sehr wie er und gab ihn für einen auf, dessen politische Überzeugungen stärker waren und dessen Verlangen ebenso stark schien. Er erfuhr, dass die Liebe für ihn wie ein Feuerwerk war, Hitze und Licht, doch wenig Schaden. Sein Verlangen ließ nicht nach, wenn auch oft seine Verliebtheit. Er verliebte sich in Belanglosigkeiten, ein Lachen, die Form eines Beines, ein Lächeln; kein Wunder, dass sein Interesse rasch verflog.

      Er freundete sich mit seinem Vetter Seymour an, der ein Jahr älter und Kommunist war und sich bemühte, ihn anzuwerben. »Du bist ein Dilettant«, sagte Seymour zu ihm. »Nichts bewegt dich, oder alles bewegt dich.«

      Mr. Pao hielt das für eine annehmbare Daseinsweise. »Das höchst Gute gleicht dem Wasser. Das Wasser nützt den zehntausend Wesen und streitet nicht; es fließt selbst dahin, wo kein Mensch sein mag. Darum ist es nahe dem Weg«, zitierte Pao aus dem Taoteking.

      Daniel war sich uneins, ob er wirklich so wässerig bleiben wollte. Er versuchte, sich wundersame Leidenschaften vorzustellen, die ihn länger als zwei Wochen beschäftigen würden. Nur die Frau des Arztes hatte sein Interesse wach gehalten, doch es hieß, sie sei mit einem Engländer durchgebrannt, der angeblich Geheimagent war und sich dann als Hochstapler mit einem Berg Schulden entpuppte. Onkel Nats Briefe waren voll von Katastrophen unbegreiflichen Ausmaßes, Menschen fielen wie welkes Laub und gaben einen blutigen Kompost ab, während der Krieg unaufhörlich weiterging. Die Japaner kontrollierten nun die Stadt. Onkel Nat beschrieb ein letztes Kontingent von tausend polnischen Juden, die auf der Suche nach Sicherheit bis dorthin geirrt waren. Viele Flüchtlinge saßen in Schanghai fest, das keine Visa verlangte, keine Pässe, keine Papiere, keine Zeugnisse über Unbescholtenheit und vergangene oder gegenwärtige Reichtümer. Der Krieg bescherte allen Armut, berichtete Onkel Nat. Bald würde er nur noch ein yang kueitze sein, das Schimpfwort für mittellose Ausländer. In Hongkew, schrieb Onkel Nat, gab es inmitten der Ruinen und Schutthalden ein Kammerorchester, mehrere Theater und einen hin- und herwogenden Krieg kultureller Versnobtheit zwischen den Juden aus Wien und den Juden aus Berlin. Daniel wurde von Heimweh gepackt. Seine Eltern sangen die Litanei über die Klugheit ihrer Abreise. Nur sein Lehrer Pao Chi teilte seine Faszination für das, was in China vorging.

      Daniel arbeitete als Platzanweiser in einem Kino. Im Sommer kellnerte er in den Catskills. Ein einziges Mal drang seine Chinaleidenschaft in sein College-Leben ein, als er nämlich gebeten wurde, im Progressive Club einen Vortrag über die Lage in China zu halten. Seine Rede war kein Erfolg, denn sein Selbstvertrauen, in Einzelbegegnungen oft das eines Löwen, schwand beim Anblick der ausdruckslosen, anonymen Gesichter. Nach dem Examen war die einzige Arbeit, die er finden konnte, das Zustellen von Gerichtsvorladungen.

      Trotzdem zahlte sich sein missratener Vortrag doch noch aus, denn sein Volkswirtschaftsdozent hatte seinen Namen jemandem von der Marine genannt, der nun СКАЧАТЬ