Название: Rotlicht
Автор: Uwe Schimunek
Издательство: Автор
Жанр: Исторические детективы
isbn: 9783955520403
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«Sie wünschen?», fragte die Frau.
Kappe zückte seinen Dienstausweis, stellte sich vor und sagte: «Wir würden gern Herrn Dieter Mönningsee sprechen.»
«Der wohnt bei mir zur Untermiete. Kommen Sie herein!» Die Frau schritt durch den Flur, klopfte an eine Tür und rief: «Herr Mönningsee, die Polizei!» Sie klang, als verfasse sie innerlich schon das Kündigungsschreiben für den Untermietvertrag.
Die Tür ging auf, und ein hagerer Mann Mitte zwanzig erschien. «Für mich?», fragte er. «Warum?»
«Das kann ich Ihnen auch nicht sagen», erklärte Frau Pasulke und blieb neben der Tür stehen.
«Es liegt nichts gegen Sie vor, allerdings müssen wir Sie in einer dringenden Angelegenheit sprechen», sagte Kappe und stellte sich und Galgenberg erneut vor. «Können wir irgendwo ungestört reden?», fragte er schließlich und sah Frau Pasulke scharf an.
«Ich ziehe mich dann mal zurück», sagte Frau Pasulke. Sie klang so enttäuscht, als wäre sie von einer Familienfeier ausgeladen worden.
Mönningsee wies in sein Zimmer. Der Raum war spartanisch eingerichtet – eine Kommode, ein Schreibtisch mit einem Schemel davor, eine Schlafcouch. Die Fotografie über der Couch zeigte eine Familie neben einem DKW Junior. Kappe erkannte das Mordopfer und dessen Bruder. Das Bild musste fünf oder sechs Jahre alt sein, denn die beiden waren keine Kinder mehr, aber auch noch nicht so richtig erwachsen. Neben ihnen lehnte ein älteres Pärchen an der Heckflosse des schnittigen Wagens. Offenbar handelte es sich um die Eltern der Geschwister. Der Mann trug einen Anzug, und die Frau erinnerte mit ihrer blonden Pagenfrisur an Doris Day. Das Bild könnte auch als Plakat für eine amerikanische Kinokomödie dienen, dachte Kappe.
«Ich kann Ihnen leider nur den Platz auf meinem bescheidenen Sofa anbieten», sagte Mönningsee und setzte sich selbst auf den Schemel am Schreibtisch.
«Danke sehr», erwiderte Kappe. Sein Mund fühlte sich so trocken an, als hätte er zwei Stunden Sport getrieben und keinen Schluck getrunken. Er nahm Platz und sah, wie Galgenberg sich ebenfalls auf das Sofa plumpsen ließ. Der Kollege schaute demonstrativ zum Fenster hinaus. Das sah ihm ähnlich, die unangenehmen Gespräche überließ er dem Ranghöheren.
«Wir würden gern mit Ihnen über Ihre Schwester sprechen», sagte Kappe. Er merkte, dass er mit jedem Wort leiser geworden war.
«Hat Monika etwas angestellt?», fragte Mönningsee.
«Deswegen sind wir nicht hier.»
«Nein?»
«Herr Mönningsee …» Kappe zögerte einen Moment, dann fuhr er fort: «Wir müssen Ihnen leider eine sehr traurige Mitteilung überbringen. Ihre Schwester, Frau Monika Mönningsee, ist verstorben.»
Der Mann lehnte sich mit dem Rücken gegen seinen Schreibtisch und stammelte: «Wann? Wie? Und warum?»
«Wir ermitteln in der Sache noch, Herr Mönningsee. Doch zum derzeitigen Standpunkt spricht vieles für ein Tötungsdelikt.»
«Sie wurde umgebracht?»
«Davon müssen wir ausgehen.»
Mönningsee ließ den Kopf in seine Hände sinken. Er schluchzte leise und schwieg dann.
«Wir würden Ihnen gerne ein paar Fragen zu Ihrer Schwester stellen. Am liebsten natürlich jetzt gleich. Wenn es Ihnen lieber ist, können wir aber auch am Nachmittag noch einmal zu Ihnen kommen, oder Sie besuchen uns am Montagmorgen auf der Dienststelle», sagte nun Galgenberg. Kappe warf ihm dafür einen dankbaren Blick zu.
«Nein, nein. Das ist schon in Ordnung. Fragen Sie nur», sagte Mönningsee.
«Wie war das Verhältnis zu Ihrer Schwester?»
«Nun …», Mönningsee holte tief Luft, «… es wurde gerade wieder besser. Ich muss vielleicht ein wenig dafür ausholen.» Er zeigte auf das Foto mit der Familie, das über dem Sofa hing. «Unsere Eltern sind im vergangenen Oktober bei einem Autounfall ums Leben gekommen.» Mönningsee drehte sich zu seinem Schreibtisch, suchte etwas und hob ein Foto in die Höhe. Es zeigte seine Schwester in einem kurzen Rock und einem knappen Jäckchen. «Sie wissen ja sicher schon, welchem Beruf sie nachgeht … ich meine, nachging. Als meine Eltern das erfuhren, waren sie bestürzt. Besonders meine Mutter hat das nicht verkraftet. Ich habe damals noch zu Hause gewohnt, und Mama hat penibel darauf geachtet, dass Vater und ich keinen Kontakt zu Monika aufnehmen.»
«Wann haben Sie Ihre Schwester wiedergetroffen?», fragte Galgenberg.
«Anfang November. Kurz nach dem Tode unserer Eltern.» Mönningsee zögerte einen Moment. «Ich war verwundert, wie zufrieden sie mit ihrem Leben war.»
«Sie meinen, sie hat ihren Beruf jerne ausjeübt?», fragte Galgenberg, und der Schalk mischte sich in seinen Ton. Es fehlte nur noch, dass er anfing, irgendeinen Klassiker zu zitieren, wie er das in letzter Zeit gerne tat.
Kappe warf dem Kollegen einen strengen Blick zu.
«So weit würde ich nicht gehen. Allerdings schämte sie sich auch nicht für ihn. Zumindest mir gegenüber. Viel tiefer ließ sie mich freilich nicht in ihr Inneres blicken.»
«Wie oft haben Sie Ihre Schwester in der letzten Zeit gesehen?», fragte Galgenberg nun wieder sachlich.
«Vielleicht ein bis zwei Mal im Monat. Es war nicht so einfach, sie zu treffen. Wie Sie sich vorstellen können, erwartete sie häufig schon anderweitig Besuch. Manchmal auch sehr kurzfristig. Ich musste sie stets noch einmal per Telefon kontaktieren und mir den Termin bestätigen lassen, bevor ich bei ihr erscheinen durfte. So als wäre ich ein Handelsvertreter.»
Kappe wollte schon zur nächsten Frage ansetzen, da rieb sich Mönningsee die Stirn und fuhr fort: «Sie dürfen das nicht missverstehen. Ich konnte das Verhalten meiner Schwester durchaus nachvollziehen. Sie war seit Jahren auf sich selbst gestellt, und dann bin ich plötzlich wieder in ihr Leben getreten.» Der Mann schluchzte. «Ich wollte ihr die Zeit geben, die sie braucht. Sie war doch meine einzige nähere Verwandte.»
Josef Bolp stieg aus seinem Porsche 911 und schaute sich auf der Kurfürstenstraße um. Obwohl die Sonne schon tief am Himmel stand, warteten erst wenige Damen vom horizontalen Gewerbe auf die ersten Freier. Keine davon kannte er gut genug, um sie mit seinen Fragen zu behelligen.
Der Reporter blickte noch einmal auf seinen Notizblock, um die Stichpunkte zu überfliegen. Eine seiner Quellen bei der Kripo berichtete von einem Mord an einer Prostituierten mit dem Künstlernamen Yvonne. Einen Verdächtigen gebe es bislang nicht. Ermitteln würde Kriminaloberkommissar Otto Kappe. Bolp kannte den Beamten vom Namen her. Von dem würde er kaum exklusive Informationen erhalten. Allerdings hätte er von dem auch kaum ernsthaften Ärger zu erwarten, wenn er selbst ein bisschen herumschnüffelte. Also schlenderte er den Gehweg entlang.
Ein dürres Mädchen, das in seiner viel zu knappen Bekleidung am ganzen Leib zitterte, trat aus dem Schatten der Hauswand und fragte, ob er Interesse an einer flotten Nachmittagsnummer habe. Die Kleine war sicher noch keine achtzehn Jahre alt. Wahrscheinlich war sie neu hier und wusste deswegen nicht, wen sie da anquatschte.
«Lass mal, Süße!», sagte Bolp. «Ich СКАЧАТЬ