Название: Rotlicht
Автор: Uwe Schimunek
Издательство: Автор
Жанр: Исторические детективы
isbn: 9783955520403
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Sie blieb stehen, warf ihm ein anzügliches Grinsen zu und rief: «Herr Bolp, ist die holde Angetraute schon am Sonnabendnachmittag zu langweilig?»
Ein paar Passanten drehten sich um. Doch Bolp ließ sich nicht aus der Ruhe bringen – nicht von ein paar Rentnern auf dem Weg zur U-Bahn und von einer vorlauten Dirne erst recht nicht. «Und selbst? Sind zu Hause die Kohlen ausgegangen, oder was treibt Sie auf die Straße?», fragte er zurück.
Ginny stöckelte ihm ein paar Schritte entgegen und blieb neben einer Straßenlaterne stehen. Sie lehnte sich an den Laternenmast und zog eine Zigarette aus ihrer Manteltasche. «Ich würde mich doch sehr wundern, wenn Sie das ernsthaft interessiert. Aber wenn wir schon beim Thema Hitze sind – würden Sie mir Feuer geben?» Die Dirne zwinkerte ihm zu. «Für meine Zigarette.»
Bolp fischte ebenfalls eine Zigarette sowie eine Streichholzschachtel aus seiner Manteltasche. Er entzündete ein Hölzchen und hielt es der Dame hin. Dann steckte er die eigene Zigarette an und sagte: «Im Ernst, meine Liebe, nach körperlicher Betätigung steht mir gerade nicht der Sinn. Aber wenn Sie Zeit für ein kurzes Gespräch hätten …»
«Nun, um diese Uhrzeit sind die Tarife noch moderat.» Ginny hielt die Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand und brachte dabei das Kunststück fertig, mit Daumen und Ringfinger das Prüfen eines Geldscheins zu simulieren.
Bolp zog seine Geldbörse aus der Manteltasche und nahm einen Zwanzigmarkschein heraus. «Das sollte für zehn Minuten am Nachmittag reichen.»
«Nun, das hängt ein wenig von der verlangten Leistung ab, Schätzchen.» Ginny nahm den Schein und ließ ihn im Dekolleté unter ihrem offenen Jäckchen verschwinden. «Also dann, lassen Sie uns einen kleinen Spaziergang machen.» Sie drehte sich um und bog in die Blumenthalstraße. Hier waren kaum Passanten unterwegs. «Nun fragen Sie, die Zeit läuft!», forderte die Dirne Bolp auf.
«Also ohne Umschweife, ich habe vom Tod Ihrer Kollegin Yvonne gehört und würde mir gern ein umfassendes Bild machen. Was flüstert denn die Straße?»
«Was weiß die Redaktion denn bislang?»
«Ach Gott, Ginny! Was heißt bei uns schon wissen? Mir wurde von einem Mord berichtet. Viel weiter ist die Geschichte in meinem Notizbuch noch nicht gediehen.»
Ginny lachte, nein, sie wieherte, als ob sie in einer Eckkneipe einen anzüglichen Witz gehört hätte. «Ja, das ist mir auch zu Ohren gekommen. Allerdings hat Yvonne immer so getan, als wäre sie etwas Besseres, und hat sich kaum mit uns abgegeben.» Ginny zog an ihrer Zigarette und blies den Rauch in die Dämmerung. «Meistens hatte sie wohl Hausbesuche. Aber manchmal musste sie sich auch ein paar Scheine draußen auf der Straße dazuverdienen. Hatte wohl einen ziemlichen Bedarf an Barem, die Gute.»
«War der Grund dafür nur ein kostspieliger Lebenswandel oder noch etwas anderes?»
«Sie war wohl nicht so dumm, wie sie arrogant war. Man tuschelt von einem Haus draußen in Marienfelde.»
«Das klingt vornehm.»
Erneut lachte Ginny wie eine angetrunkene Stute. «So war sie. Und dann war sie weg.»
«Wann haben Sie Yvonne zum letzten Mal gesehen?»
Ginny blieb stehen und zog an ihrer Zigarette. In den Rauch hinein sagte sie: «Dienstag war sie hier. Da vorn.» Sie zeigte auf die Kurfürstenstraße.
Bolp bemerkte, dass es in ihrem Kopf zu arbeiten begann. Es sah aus, als ginge hinter ihrer Stirn eine Lampe an – ach was, ein ganzer Kronleuchter! «Gibt es da etwas, das ich wissen sollte?», fragte er vorsichtig.
«Möglicherweise.» Ginny grinste. «Es fällt mir bestimmt ein, wenn ich noch einen hübschen Schein bekomme.»
Bolp zog die Brieftasche erneut hervor und nahm einen weiteren Zwanziger heraus.
«Der ist doch nicht hübsch», sagte Ginny empört.
Bolp zog einen Fünfziger hervor und fragte: «Meinen Sie, Ihre Information ist so viel wert?»
Ginny schnappte sich den Schein. «Yvonne ist vergangenen Dienstag in ein Cabrio gestiegen und danach nicht wiederaufgetaucht.»
«In was für ein Cabrio?»
«Ein rotes. Die Marke habe ich nicht erkannt.»
«Ein rotes Cabrio? Davon gibt es in Berlin bestimmt Hunderte, wenn nicht gar Tausende. Und dafür einen Fuffi?», echauffierte sich Bolp.
«Nun warten Sie es doch ab! Ich habe zwar das Auto nicht erkannt, wohl aber den Fahrer.» Ginny warf die Zigarette auf den Gehweg und trat sie mit ihrem Stöckelschuh aus. «Yvonne stieg zu Kurt Kannenhenkel in den Wagen.»
«Zu dem Kannenhenkel?»
«Zu dem Schauspieler. Die beiden fuhren davon, und Yvonne kam nie zurück.»
Otto Kappe lenkte den Dienstwagen zum Tatort. Der Sonnabend wollte anscheinend nie enden. In seiner Aktentasche ruhte der Bericht von der Gerichtsmedizin. Er hatte die Papiere nur kurz überflogen, der Eintritt des Todes war auf Dienstagabend datiert.
«Wenn die Alte nich da is, lassen wir det aba ma jut sein für heute», maulte Galgenberg, als Kappe einparkte.
«Wir befragen Frau Kleema erst mal, dann sehen wir weiter», sagte Kappe beim Aussteigen.
«Mensch, ick kriege wirklich Ärger zu Hause, Otto!»
«Ärger zu Hause, Ärger auf dem Revier – irgendwo gibt es immer dicke Luft», murmelte Kappe und klingelte bei Frau Kleema. Prompt surrte es.
«So ’n Mist!», fluchte Galgenberg und öffnete die Haustür.
Kappe trat in den Hausflur und eilte die Treppe hinauf, denn erstens wollte er die Befragung schnell hinter sich bringen, und zweitens hatte er keine Lust, sich noch weitere Sprüche von Galgenberg anzuhören. Mit seiner gegenwärtigen Laune neigte der Kollege noch stärker zum Sarkasmus als üblich.
Im Obergeschoss wartete Frau Kleema bereits in der Tür. «Ham Se den Mörder, Herr Kommissar?», fragte sie.
«Guten Tag, Frau Kleema!», sagte Kappe. «Derzeit haben wir nur ein paar Fragen.»
«Wat soll ick denn noch wissen?»
«Wir würden jern auch den Papagei verhörn», mischte sich Galgenberg ein, bevor Kappe antworten konnte.
Die Alte guckte, als hätte ihr jemand die Brille gestohlen.
Kappe seufzte. «Wir haben inzwischen neue Erkenntnisse von der Gerichtsmedizin und würden gern noch einmal Ihre Erinnerungen in Anspruch nehmen.»
«So Sie denn über die entsprechenden verfügen», flötete Galgenberg.
Die Kleema guckte die СКАЧАТЬ