Das Geheimnis vom Oranienburger Thor. Horst Bosetzky
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Название: Das Geheimnis vom Oranienburger Thor

Автор: Horst Bosetzky

Издательство: Автор

Жанр: Исторические детективы

Серия:

isbn: 9783955520366

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СКАЧАТЬ »Ich bin nie dafür eingetreten, die amerikanische Verfassung auf Deutschland zu übertragen, ich war immer für die konstitutionelle Monarchie. Meiner Meinung nach sollten alle adeligen Privilegien aufgehoben und die Presse- und Versammlungsfreiheit gewährleistet werden, aber mit einem König an der Spitze.«

      »Wie passt das zusammen?«, fragte Gontard.

      »Wir müssen die Welt so nehmen, wie sie ist, und alles daransetzen, dass sich unser Volk nicht selbst zerfleischt«, erklärte Waldeck. »Darum bin ich auch zur gemäßigten demokratischen Fraktion gestoßen und habe alles getan, um weitere gewalttätige Auseinandersetzungen zu verhindern.«

      Gontard nickte. »Ich weiß, zum Beispiel beim Streik der Kanalarbeiter im vergangenen Jahr.«

      Waldeck seufzte. »Dreh- und Angelpunkt ist für mich das Parlament. Ich ziehe die Redeschlachten dort den Straßenschlachten allemal vor. Und ein Gefängnis ist auch nicht gerade eine Stätte bürgerlicher Gemütlichkeit.«

      Waldeck war im Mai 1849 verhaftet und eingesperrt worden, weil man ihm unter anderem vorgeworfen hatte, ein Attentat auf den König geplant zu haben. Das Gericht hatte ihn allerdings freigesprochen, nicht zuletzt deswegen, weil sich Hinckeldey als Zeuge in Widersprüche verwickelt hatte. Waldeck war anschließend von der Menge frenetisch gefeiert worden und hatte auf seinen Dienstposten beim Obertribunal zurückkehren können.

      »Und nun?«, fragte Gontard. »Wie stehen Sie zur Deutschen Frage?«

      Waldeck zögerte nicht mit einer Antwort. »Ich halte noch immer nicht viel von der provisorischen Regierung in Frankfurt und glaube, dass wir Preußen das Volk sind, das in Deutschland an der Spitze stehen sollte. Deshalb können nur wir die Einheit Deutschlands herbeiführen, wobei ich Österreich ausschließe. Auch wenn es deswegen Krieg geben sollte.«

      Gontard war anderer Meinung, äußerte sich aber nicht, da er an einem der Nebentische einen Spitzel Dr. Stiebers entdeckte hatte. Darum sagte er jetzt so laut, dass der Spitzel es hören musste: »Goethe hat recht, die Politik ist wirklich ein garstiges Lied. Ich mache es so wie Sie, lieber Waldeck, und ziehe mich aus der Öffentlichkeit zurück. Es lebe das Private!«

      Franz Böttschendorf war eigentlich Barbier, übte aber auch den traditionellen Beruf des Baders aus, zog also Zähne und versuchte sich bei armen Leuten, für die der Besuch einer Arztpraxis zu teuer war, als Mediciner. Sehr zum Ärger seiner Frau Dorothea. »Wir haben überall Schulden, und du verplemperst deine Zeit mit Leuten, die auf dem Kirchhof besser aufgehoben wären!«

      Böttschendorf blieb gelassen. »Der Herr wird’s mir schon einmal danken.«

      »Das denkst du! Ich glaube nicht daran.« Doch Böttschendorfs Frau sollte sich geirrt haben …

      An einem Freitag suchte Böttschendorf den Kunstmaler und Kupferstecher Martinus Michels auf, um ihn zur Ader zu lassen. Ein Aderlass sollte den Körper von schlechtem Blut befreien, das durch übermäßiges Essen, Sorgen, Ängste oder Enttäuschungen entstanden sein konnte. Böttschendorf glaubte zwar nicht daran, aber mit dem Aderlass ließ sich noch immer Geld verdienen.

      Michels hauste in einem verwahrlosten Gebäude in der sogenannten Parochialritze, der äußerst schmalen Parochialstraße, in einem Raum, der gleichzeitig als Atelier sowie als Wohn- und Schlafzimmer diente. Fast hätte man denken können, Carl Spitzweg sei 1839 hier zu Besuch gewesen, um sich Anregungen für sein wunderbares Gemälde Der arme Poet zu holen, nur dass Martinus Michels nicht dichtete, sondern malte. Manche hielten ihn für ein Genie, nur kaufen wollte niemand, was er auf die Leinwand brachte. Auch seine Radierungen und Federzeichnungen fanden keine Abnehmer.

      Während Böttschendorf den Schröpfschnepper hervorholte, mit dem er die Haut an Michels linkem Arm anritzen würde, warf er einen Blick auf einige Federzeichnungen, die der Künstler an der Wand befestigt hatte, wohl, um sich an die Barrikadenkämpfe im März 1848 zu erinnern. »Haben Sie selbst auf den Barrikaden gekämpft?«, wollte Böttschendorf wissen.

      Voller Stolz fuhr Michels auf. »Selbstredend! Immer mittenmang. Sehen Sie nicht, da stehe ich doch!« Er deutete auf eine der Zeichnungen.

      Böttschendorf hätte sich schnell wieder seiner Profession zugewendet, wenn er nicht in diesem Augenblick neben Martinus Michels ein bekanntes Gesicht auf dem Gemälde entdeckt hätte. »Das darf doch nicht wahr sein!«, rief er aus.

      »Was ist?«, wollte Michels wissen.

      »Ach, nichts.« Böttschendorf sah keinen Anlass, Michels auf die Nase zu binden, dass er einen der lebensecht gezeichneten Barrikadenkämpfer erkannt hatte. Es war kein Geringerer als der Königliche Oberst-Lieutenant Christian Philipp von Gontard, verkleidet als Totengräber! Diese Entdeckung konnte Gold wert sein, und so kaufte Böttschendorf die Federzeichnung März 1848 – Barrikade am Alexanderplatz – Vor dem ersten Schusswechsel für so viel Geld, dass es Michels vorkam, als fielen Ostern und Pfingsten auf denselben Tag. Beide waren so glücklich wie schon lange nicht mehr.

      Als Gontard am nächsten Morgen zum Rasieren und Haareschneiden zu Böttschendorf kam, holte der die Federzeichnung aus einer Schublade hervor und hielt sie seinem Kunden unter die Nase.

      »Das ist der Beweis, Herr Oberst-Lieutenant, der Sie Kopf und Kragen kosten kann. Wie viel ist er Ihnen wert?«

      Ein Institut für Pathologie gab es im Jahre 1852 an der Berliner Charité noch nicht, aber man verfügte seit 21 Jahren über eine Prosektur, in der zur Aufklärung von Todesursachen regelmäßig Obduktionen durchgeführt wurden.

      An diesem Tag lag der Kürschner Charles Corduan auf dem Seziertisch, da sein plötzlicher Tod einige Fragen aufgeworfen hatte. Zu Johann Ludwig Casper, dem Inhaber des Lehrstuhls der praktischen Unterrichtsanstalt für die Staatsarzneikunde, der sich gerade mit einem jungen Kollegen daranmachte, den Leib des Kürschners zu öffnen, hatte sich ein Mann gesellt, der erst Mitte dreißig sein mochte, in Berlin jedoch bereits eine sehr hohe Reputation genoss. Es handelte sich um Emil du Bois-Reymond, den Spross einer Hugenottenfamilie. Er hatte in Berlin Medicin studiert und im Jahre 1846 mit der Arbeit Über die saure Reaktion der Muskelsubstanz nach ihrem Tode seine Habilitation abgeschlossen. Entscheidende Anregungen hatte er von dem Anatomen und Physiologen Johannes Peter Müller erhalten, dessen Handbuch der Physiologe des Menschen für Vorlesungen als Meilenstein in der Medicin angesehen wurde. Seit 1849 war du Bois-Reymond Assistent am Berliner Anatomischen Museum. Am liebsten aber stellte er sich immer wieder selbst an den Seziertisch, denn er strebte an, Professor für Physiologie zu werden und Müllers Nachfolge anzutreten.

      »Wie ist dieser Mann gestorben?«, wollte du Bois-Reymond wissen.

      »Es hat ihn nach dem Nachtmahl erwischt«, hatte Johann Ludwig Casper in Erfahrung bringen können. »Er litt wohl an Übelkeit, Erbrechen und wässrigem Durchfall. Schließlich hat die Atmung ausgesetzt.«

      »Hm …« Emil du Bois-Reymond richtete seine Aufmerksamkeit auf die Haut des Toten, die aschfahl war. »Es scheint mir fast, als sei der Mann mit Arsen vergiftet worden. Die Hautfarbe und die geschilderten Symptome sprechen jedenfalls dafür.«

      Casper winkte ab. »Seitdem man mit der Marsh’schen Probe Arsentrioxyd nachweisen kann, ist das Gift ein bisschen aus der Mode gekommen.«

      »Sie sollten dennoch eine Marsh’sche Probe in Betracht ziehen«, wandte du Bois-Reymond ein.

      »Ich habe sie bereits veranlasst. Das Ergebnis liegt inzwischen bestimmt im Laboratorium.«

      Man СКАЧАТЬ