Das Geheimnis vom Oranienburger Thor. Horst Bosetzky
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Название: Das Geheimnis vom Oranienburger Thor

Автор: Horst Bosetzky

Издательство: Автор

Жанр: Исторические детективы

Серия:

isbn: 9783955520366

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СКАЧАТЬ schon zur Anprobe auf dem Garderobenständer hing. Doch als er den Laden in der Jägerstraße betrat, war nicht der Kürschner, sondern einer der Gesellen gerade dabei, den rechten Ärmel an den Mantel zu nähen.

      »Nanu!«, wunderte sich Gontard und fragte, wo der Meister sei. »Er hat sich doch höchstpersönlich um meinen neuen Pelz kümmern wollen!«

      »Herr Corduan ist in der Charité«, antwortete der andere Geselle höchst lakonisch.

      »Ist er plötzlich krank geworden?«

      »Nein, viel schlimmer. Er ist in der vergangenen Nacht plötzlich zusammengebrochen und gestorben. Es heißt, der Schlag habe ihn getroffen. Jetzt liegt er da, wo die Leichen aufgeschnitten werden.«

      Es gab Verlierer der gescheiterten Märzrevolution von 1848 – und es gab Gewinner. Zu Letzteren schien der Jurist Dr. Wilhelm Stieber zu gehören. Am 3. Mai 1818 in Merseburg zur Welt gekommen, wurde er schon als Schüler nach Berlin geschickt, wo er das Abitur am angesehenen Gymnasium zum Grauen Kloster ablegte. Anschließend studierte er an der Friedrich-Wilhelms-Universität Rechtswissenschaften. Er war ab 1844 als Auskultator, also Referendar, beim Berliner Criminalgericht tätig und ging bald – mit einigem Erfolg – gegen politische Oppositionelle vor. Zwar musste er seinen Dienst 1847 quittieren, weil er bei seiner Arbeit mitunter ein wenig gegen Recht und Gesetz verstoßen hatte, doch gerade das sicherte ihm die Gunst einflussreicher Männer, und so durfte er 1850 als Assessor ins Polizeipräsidium einrücken und die Ermittlungen gegen den Bund der Kommunisten leiten. Er war gerade dabei, gemeinsam mit Karl Georg Ludwig Wermuth Steckbriefe für das sogenannte Schwarze Buch zusammenzustellen, dessen voller Titel lautete: Die Communisten-Verschwörungen des neunzehnten Jahrhunderts. Im amtlichen Auftrage zur Benutzung der Polizei-Behörden der sämmtlichen deutschen Bundesstaaten. Erster Theil. Enthaltend: Die historische Darstellung der betreffenden Untersuchungen. Wermuth war der Königliche Hannöversche Polizeidirektor, dem man ein besonders gutes persönliches Verhältnis zu König Georg V. von Hannover nachsagte.

      Stieber und Wermuth saßen in Stiebers Bureau im Berliner Polizeipräsidium beisammen, um zu beraten, welche Personen noch ins Schwarze Buch aufzunehmen seien.

      »Ich hätte einen ganz interessanten Kandidaten«, begann Dr. Stieber.

      »Schießen Sie los!« Dr. Wermuth war gespannt.

      »Oberst-Lieutenant Christian Philipp von Gontard von der Vereinigten Artillerie- und Ingenieurschule.«

      Dr. Wermuth zeigte sich erstaunt. »Wieso ausgerechnet den? Gontard war öfter zu Gast bei unseren Manövern im Hannoverschen und hat stets einen ausgezeichneten Eindruck hinterlassen.«

      »Mag sein, aber das ist alles nur Tarnung. Er präferiert die Staatsform der amerikanischen Republik, und er ist Leuten wie Virchow kordial verbunden.«

      »Und dennoch ist er vor nicht allzu langer Zeit zum Oberst-Lieutenant avanciert?« Dem Polizeidirektor aus Hannover fehlte angesichts dieser Informationen das Verständnis für die Beförderung.

      »So ist es«, bestätigte Dr. Stieber. »Jemand am Hofe muss seine Hand schützend über ihn halten.«

      »Denken Sie an Seine Majestät selbst?«

      Dr. Stieber schüttelte den Kopf. »Nein, ich vermute eher, dass es eine der Hofdamen ist, möglicherweise sogar die Königin.«

      Beide schwiegen erst einmal, denn was ihnen durch den Kopf ging, war zu heikel, um es auszusprechen. In Berlin wurde schon seit langem gemunkelt, dass Christoph Wilhelm Hufeland, der wohl bedeutendste Arzt der preußischen Residenz, beim König bereits in jungen Jahren eine unheilbare Impotenz diagnostiziert habe. Ob dieses Gerücht nun stimmte oder nicht, Tatsache war, dass die Ehe zwischen Friedrich Wilhelm IV. und seiner Frau Elisabeth kinderlos geblieben war. Und wenn die Königin nun ein Verhältnis mit dem Oberst-Lieutenant von Gontard hatte?

      Dr. Stieber beendete das Schweigen. »Gontard soll sich im Jahre 1836 mit Karl Marx getroffen haben.«

      »Das ist sechzehn Jahre her«, murmelte Dr. Wermuth.

      »Was will das schon heißen? 1836 war Karl Marx an der Friedrich-Wilhelms-Universität eingeschrieben und hat nicht nur Vorlesungen von Friedrich Carl von Savigny, Carl Ritter und Bruno Bauer gehört, sondern auch von Eduard Gans, der Criminalrecht und Preußisches Landrecht gelehrt hat.«

      »Und?« Dr. Wermuth konnte sich noch immer keinen Reim auf die Ausführungen Dr. Stiebers machen.

      »Eduard Gans und Gontard sind entfernte Verwandte. Es ist also nicht ganz unwahrscheinlich, dass Gontard mit Karl Marx zusammengetroffen ist und sich von dessen staatsfeindlichem Gedankengut hat anstecken lassen.«

      Dr. Wermuth wollte keine Entscheidung fällen. »Darf ich vorschlagen, dass wir das mit Gontard vorerst noch offenlassen?«

      Gontard hatte an diesem Vormittag eine Verabredung im Café Stehely, zu der er auf keinen Fall zu spät kommen wollte. Schnell fuhr er mit dem rechten Fuß in seinen Stiefel. In derselben Sekunde hallte ein Schmerzensschrei durch das Haus in der Dorotheenstraße, der für einen Soldaten wenig heldenhaft war.

      Henriette eilte sofort in die Diele. »Hat dir jemand ins Bein geschossen?«

      »Es fühlt sich zumindest so an.« Gontard zog den Fuß wieder aus dem Stiefel. »Da, bitte!« Blut tropfte aus der grauen Socke.

      Es stellte sich heraus, dass Paul Quappe die reparaturbedürftigen Stiefel nicht zum Schuster gebracht, sondern sich selbst ans Werk gemacht hatte. Dabei hatte er allerdings viel zu lange Nägel verwendet.

      »Das ist ein Mordversuch«, brummte Gontard. »Man müsste den Burschen sofort standrechtlich erschießen.«

      »Ach was, das war doch keine Absicht!«

      »Mag sein, aber Paul Quappe hat einfach zwei linke Hände und sorgt tagtäglich für ein fürchterliches Durcheinander.« Derzeit lag Gontards Bursche allerdings in seiner Kammer und kurierte seine Gehirnerschütterung aus. »Wenn Kußmaul sagt, dass es eine Gehirnerschütterung ist, wissen wir wenigstens, dass Quappe über so etwas wie ein Gehirn verfügt«, stellte Gontard fest, während er seine Wunde am rechten Fußballen mit einem Stück Mullbinde versorgte und gleichzeitig, auf dem linken Bein humpelnd, nach einem anderen Paar Schuhe suchte.

      »Hat man denn den Kerl schon gefunden, der Paul niedergeschlagen hat?«, wollte Henriette wissen.

      Gontard schüttelte den Kopf. »Nein. Werpel wartet sicherlich, bis der Mann zwei Dutzend Einbrüche begangen hat – und womöglich noch einen Mord –, damit er umso mehr Ruhm erntet, wenn er den Übeltäter gefangen hat.«

      »Du sprühst heute geradezu vor Ironie«, stellte Henriette fest.

      Gontard lachte. »Ich hoffe, das bleibt den ganzen Tag so.« Dann küsste er Henriette und machte sich auf den Weg zum Gensdarmen-Markt. Er sah sich dabei mehrfach um, denn er hielt es nicht für ausgeschlossen, dass ihn einer von Dr. Stiebers Leuten verfolgte. Schließlich würde er einen Mann treffen, der in Preußen ganz sicherlich als Staatsfeind galt: Benedikt Waldeck.

      Waldeck war am 31. Juli 1802 in Münster geboren worden, hatte in Göttingen studiert, unter anderem bei Jakob Grimm, war ein hervorragender Jurist geworden und 1844 als Obertribunalrath an das höchste preußische Gericht nach Berlin gekommen. Viele Denker seiner Zeit hatten ihn beeinflusst, unter ihnen auch der französische Autor Henri de Saint-Simon.

      »Ich СКАЧАТЬ