Название: Das Geheimnis vom Oranienburger Thor
Автор: Horst Bosetzky
Издательство: Автор
Жанр: Исторические детективы
isbn: 9783955520366
isbn:
Werpel folgte der Aufforderung, anfangs noch etwas stockend, dann aber doch recht flüssig, und schloss damit, dass er Angst habe, in Berlin werde nun eine zweite Gesche Gottfried ihr schauriges Handwerk betreiben.
Hinckeldey staunte. »Wer ist das?«
»Gesche Gottfried war die Tochter eines Schneidermeisters aus Bremen. Zuerst dachte man, sie tut nur Gutes und opfert sich für alle auf, in Wahrheit hat sie aber fünfzehn Menschen mit Arsen vergiftet. Im Jahre 1831 ist sie überführt und hingerichtet worden.«
Hinckeldey lächelte. »Was ausschließt, dass sie auch unseren wackeren Corduan ermordet hat. Das Tragische an der Geschichte ist, dass Seine Majestät ihn in den nächsten Tagen zum Hoflieferanten machen wollte. Der König hat also ein ganz besonderes Augenmerk auf diesen Fall gelegt. Werpel, geben Sie nicht nur Ihr Bestes, sondern übertreffen Sie sich selbst, und verhindern Sie um Gottes willen, dass noch weitere Berliner vergiftet werden! Damit ist unser Gespräch beendet.«
Caroline Schlitt war Witwe. Manche Nachbarn in der Brüderstraße, in der sie mehrere Häuser besaß, waren überzeugt, dass sie ihren Mann aus Habgier umgebracht hatte. Sie bestritt das energisch und hatte auch schon Prozesse gegen diejenigen angestrengt, die diese Behauptung in der Öffentlichkeit kundtaten. Immer wieder erklärte sie, dass ihr Mann, der überaus erfolgreiche Tuchfabrikant und -händler Ludwig Schlitt, beim Verzehr eines Stücks Rindfleisch erstickt sei. Man glaubte ihr nicht, denn der Bolustod, ausgelöst durch einen im Kehlkopf feststeckenden Gegenstand, war noch nicht bekannt.
Nun war Caroline Schlitt wirklich keine herzensgute Frau. Im Gegenteil, sie stänkerte gern und bereitete anderen Leuten mit Vorliebe Schwierigkeiten, vor allem ihren Mietern. Man behauptete, sie habe beim Eintreiben der Miete stets eine kleine Pistole in ihrer Handtasche. Das stimmte zwar nicht, wäre ihr aber durchaus zuzutrauen gewesen. Als sie einmal eine Familie auf die Straße gesetzt hatte, weil sie die heftigen Hustenanfälle des an Tuberkolose erkrankten Mannes in ihrer Nachtruhe gestört hatten, war mit Kreide an ihre Wohnungstür geschrieben worden:
DU HEXE SOLLTEST VERBRANNT WERDEN!!!
Sie störte das nicht sonderlich, denn sie genoss die Macht, die sie dank ihres Eigentums über andere Menschen hatte.
Eigentlich hatte sie an diesem Tag gute Laune, denn durch den Tod ihres Onkels Charles Corduan erbte sie eine ganze Menge. Gerade hatte sie sich zu einem Mittagsschläfchen auf ihrem Canapé wohlig ausgestreckt, da wurde an ihre Wohnungstür geklopft. Sie fühlte sich in ihrer Ruhe gestört. »Wer ist denn da?«, fragte sie ungehalten.
»Magdalena Gnie.«
»Lassen Sie mich in Ruhe!«
»Ich bitte noch um einen Tag Aufschub«, kam es vom Treppenhaus in flehentlichem Ton. »Meine Schwester kommt morgen nach Berlin und wird mir das Geld für die ausstehende Miete leihen.«
»Kommt nicht in Frage! Packen Sie Ihre Sachen! In einer Stunde steht ein Fuhrwerk vor der Tür, das Ihren Krempel abholt.« Caroline Schlitt wusste, dass sie nun so schnell keinen Schlaf finden würde, und setzte sich an ihr Klavier, um die Réminiscences des Huguenots von Franz Liszt zu spielen. Das war ihre andere Seite: Sie war eine glänzende Solistin und eine begehrte Klavierlehrerin.
Der Constabler Krause hatte natürlich vergessen, in den Berliner Apotheken nach auffälligen Käufen von Arsen zu fragen. Seine Begründung war einleuchtend: »Ick hab nu mal ’n Jedächtnis wie ’n Sieb, det weeß doch jeda.«
Also war Werpel selbst losgezogen. Jetzt stand er am Oranienburger Thor und sah auf seine Liste. In der Rosengarth’schen Apotheke war er eben gewesen, nun kam die von Ernst Schering an die Reihe. Der Apotheker 1. Klasse kam aus Prenzlau, das wusste Werpel, hatte in der Apulius’schen Apotheke, der besten Berlins, gelernt und dann in Berlin Pharmazie studiert. Obwohl Schering keine dreißig Jahre alt war, hatte er es schon weit gebracht. Er galt als außerordentlich kundig und kam auf immer neue Ideen. Frauen etwa beglückte er mit »Schering’s bekömmlicher Speisenwürze«, mit der man Suppen und Eintöpfe, die schon etwas angegangen waren, noch genießbar machen konnte. Immer mehr Kunden sagten ihrem alten Apotheker ade, um sich ihre Salben und Medikamente fortan aus der »Grünen Apotheke« zu holen. Auf diesen Namen hatte Schering, der Naturliebhaber, die Schmeisser’sche Apotheke nach ihrem Ankauf umgetauft. Sie lag in der Chausseestraße No. 21, nahe dem Oranienburger Thor.
Schering konnte sich denken, warum der Criminal-Commissarius ihn aufsuchte. »Sie kommen wegen des Kürschners Corduan, oder?« Offenbar hatte sich schon herumgesprochen, dass Corduan mit Arsen vergiftet worden war.
Werpel nickte. »In der Tat. Haben Sie einen Augenblick Zeit für mich?«
»Ja, obwohl ich gerade sehr beschäftigt bin, denn ich möchte mir hinter dem Verkaufsraum ein eigenes kleines Laboratorium einrichten. Ich träume schon lange davon, Medikamente nach einem standardisierten Verfahren herzustellen. Kommen Sie, hinten stehen zwei Stühle, dort sind wir ungestört.«
Werpel wollte so schnell wie möglich Feierabend machen und legte keinen großen Wert auf eine Plauderei. »Ich möchte Sie wirklich nicht lange stören. Sie wissen ja, worum es geht, Herr Schering. Wir müssen herausfinden, wer sich das Arsen, mit dem Corduan vergiftet wurde, wann und wo beschafft hat.«
Der Apotheker holte weit aus. »Arsen ist ein weißes und gut in Wasser lösliches Pulver, das etwas nach Knoblauch riecht.«
»Was aber die Leute, die gern Knoblauch essen, davon nicht abhalten wird«, warf Werpel ein.
»Nein, das ist es ja. Die tödliche Dosis beim Menschen dürfte, je nach Körpergewicht, zwischen 60 und 170 Milligramm Arsenik liegen, schätze ich«, fuhr Schering fort. »Diese Menge lässt sich leicht in eine Mahlzeit mischen, ohne dass es auffällt.«
»Man muss das Gift aber erst einmal haben, um das zu tun«, merkte Werpel an.
»Arsen zu erwerben ist gar nicht so einfach«, gab Schering zu Protokoll. »Die Zeiten, in denen es jeder als Fliegengift kaufen konnte, sind vorbei.«
»Trotzdem kann es noch in vielen Haushalten vorhanden sein.«
»Das stimmt. Heute jedenfalls darf ich keinem Mehlhändler, Bierbrauer, Bäcker oder Müller Arsen verkaufen, wenn Fliegen, Schaben, Mäuse oder Ratten ausgerottet werden sollen. Dafür gibt es inzwischen andere Methoden. So soll verhindert werden, dass das Arsen durch Unachtsamkeit in die Nahrungsmittel gelangt. Kammerjäger meinen außerdem, dass Ratten und Mäuse das Gift leicht in Gefäße mit Mehl, Malz oder Graupen speien können.« Werpel schüttelte sich. »Wem dürfen Sie überhaupt noch Arsen verkaufen?«
»Medicinern, Tierärzten und allen Künstlern, die mit Gold, Silber und Glas zu tun haben. Auch Fabriken, in denen Kattun und Pelze gefärbt werden, dürfen Arsen verwenden.«
Werpel horchte auf. »Pelze? Corduan könnte also das Arsen selbst im Hause gehabt haben?«
»Im Prinzip ja.«
»Nun …« Werpel stockte, weil sich der Verdacht gegen die Dienstmagd Susanna damit erhärtet hatte. Da brauchte er eigentlich gar nicht weiter nach einer unbekannten Giftmörderin zu forschen. Dennoch wandte er sich noch einmal an Schering. »Wir gehen von einem weiblichen Täter aus. Hat in Ihrer Apotheke vielleicht eine Frau nach Arsen gefragt?«
»Nein«, sagte Schering, ohne lange СКАЧАТЬ