Название: Die Hochzeitskapelle
Автор: Rachel Hauck
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783865069641
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Damals hatte er ihnen den Rest des Jahres abgeschworen. Aber heute? Dads Pasteten waren besser als die aus der Bäckerei.
„Lass uns doch ins Kino gehen. Oder in die Milchbar.“
„Den Film haben wir doch schon gesehen. Das wäre jetzt nicht einer, für den ich noch einmal einen Groschen ausgeben würde. Zu meiner Zeit hat das ja nur so viel gekostet, das Kino. Einen Groschen.“
„Das hast du erzählt, ja.“
„Und was soll ich denn in der Milchbar?“ Jimmy hörte, wie die Kühlschranktür aufging und wieder geschlossen wurde. „Morgen muss ich früh raus. Und du auch, Junge. Wir holen Steine aus Crawfords Feld. Ich werde deine Hilfe brauchen.“
„Ich will aber nicht meinen ganzen Samstag damit zubringen, Kalksteine aus Crawfords Feld zu holen. Ich weiß auch gar nicht, warum du das machst. Du hast doch eine gute Arbeit als Gutachter. Ich weiß nicht, was du mit all den Steinen anfangen willst.“
Sie hatten ihre eigenen gut vier Hektar Land, mit denen Dad nichts anderes anfing, als im Sommer mit einem Traktor darüberzufahren und das Gras zu mähen. Er hatte das Grundstück mit Kalkstein eingefasst, und das war’s dann auch schon. Ansonsten füllte er ihre Scheune mit Stein und Bauholz, ohne ersichtlichen Grund.
„Achte auf deinen Tonfall.“ Dad kam mit einem Stück Pastete auf dem Teller ins Zimmer. „Man weiß nie, wofür die Steine eines Tages noch gut sind.“ Er betrachtete Jimmy. „Um sechs geh ich los. Sei bereit.“
„Warum muss ich mir den Rücken krumm machen, meine Zeit vergeuden und deine Steine vollschwitzen?“
„Weil das auch deine Steine sind. Hast du mal darüber nachgedacht, dass du vielleicht eines Tages heiraten und eine Familie haben wirst? Ich habe zweieinhalb Hektar, die ich dir geben will. Das Material, das ich sammle, das ergibt ein schönes Haus für deine Frau. Das spart auch ganz gut Geld. Na, jedenfalls wenn du irgendwann mal gut genug riechst, damit ein Mädchen mit dir ausgeht.“ Dad runzelte Stirn und Nase.
„Hey, ich hab geduscht nach dem Spiel.“
„Trotzdem musst du morgen früh um sechs fertig sein. Ich geb dir ein Frühstück bei Ella’s aus.“
Essen war nur eine kleine Motivation, aber es reichte. „Dann will ich aber extra Speck“, sagte Jimmy, ging zum Fenster und ließ Dad sich sein Gebäck in den Mund schaufeln.
Mit der Spitze des Footballs schob er die Gardine zurück und starrte in Richtung des Hauses der Clemsons. Drei breite Straßen entfernt war ein Mädchen, das sein Herz zum Flattern brachte, und das saß vielleicht gerade mit einem anderen Jungen auf der Couch.
Eine Flamme der Eifersucht brannte sich durch die dünne Schicht Selbstvertrauen, die das Footballheldentum mit sich gebracht hatte. Colette war das einzige Mädchen, das ihm im Matheunterricht jemals die Konzentration geraubt hatte. Trotzdem hatte er noch nicht den Schneid aufgebracht, mit ihr zu sprechen, außer mal „Hallo“ oder „Tschüss“. Er musste irgendwie Mut zusammenkratzen, sonst würde er als alter Junggeselle enden wie sein Dad. Nachdem ihn seine Frau verlassen hatte, hatte er nie wieder eine andere auch nur in Betracht gezogen.
Jimmy nannte sie nicht Mama. Weil sie nie eine gewesen war. Sie war nur eine Frau, die ein Baby zur Welt gebracht hatte und dann auf und davon war, um Ruhm und Reichtum zu suchen.
Vom Fenster aus betrachtete Jimmy seinen Vater eine Weile. Der Stein, das Bauholz …
„Dad“, sagte er leise, langsam. „Sie kommt nicht mehr wieder, weißt du?“ Sein alter Herr starrte auf seinen leeren Teller. „Ich weiß nicht, warum du deine Zeit damit vergeudest, deinen und meinen Rücken kaputtzumachen und Baumaterialien für ihr Traumhaus zu sammeln, wenn sie seit einem Dutzend Jahren nicht mehr hier aufgetaucht ist. Und wenn sie’s täte, würden wir sie überhaupt wollen?“ Jimmy ganz bestimmt nicht. Nur daran zu denken bereitete ihm schon üble Bauchschmerzen. „Wie wäre es denn mit Miss Jackson, die unten bei der Bank arbeitet? Die würde mit dir ausgehen, wenn …“
„Ich warne dich, James Allen.“ Dad nannte ihn bei seinem vollen Namen und raubte Jimmys Draufgängertum den Schwung. Er benutzte nie seinen vollen Namen. „Du bist sechzehn, aber ich kann dich immer noch mit raus zum Holzschuppen nehmen, falls das nötig sein sollte.“ Dad ging in die Küche, und es klang, als hätte er seinen Teller in die Steingutspüle gepfeffert. „Verdirb dir nicht deinen großen Abend, werd nicht frech. Dein Opa hätte mich längst einmal durchs Zimmer geprügelt.“
„Ich meine das nicht respektlos.“ Jimmy ließ sich unruhig gegen die Wand fallen. Ihn juckte es, sich zu bewegen, etwas zu unternehmen. Nein, was ihn juckte, war, dass er bei Colette sein wollte. Nicht im Dunkeln mit seinem Vater. Nicht heute Abend.
„Was sagst du, wenn ich zu Clem rübergehe?“ Wenn er an dem Abend, an dem er ein Held war, nicht mit Colette sprechen konnte, würde er es nie tun. „Die anderen treffen sich da, weißt du, so nach den Spielen.“
Jimmy war letztes Jahr ein paarmal hingegangen, aber er ließ Dad nicht gerne alleine am Freitagabend, der dann nur wieder auf seiner Anlage Frank Sinatra oder Bing Crosby hörte, die ihre Liebeslieder schmachteten. Das schien ihm irgendwie bemitleidenswert. Jimmy schüttelte den Kopf. Er verstand es einfach nicht. Dad mochte die Balladen, aber er machte nie einen Schritt Richtung Romantik.
„Werden Fred und Jean dort sein?“, fragte Dad, der sich auf den Weg zur Treppe machte.
„Wo sollten sie sonst sein?“ Jimmy strebte zur Küche, holte seine Jacke und glättete mit der freien Hand sein Haar. Unter dem anderen Arm hielt er immer noch den Ball. „Meinst du, die würden Clem zu Hause allein lassen? Mit einer Horde Footballspieler?“
„Schätze nicht.“ Dad machte einen Schritt die Treppe hoch. Seine Hand ruhte auf dem Geländer, sein Gesicht lag im Schatten. „Sei nicht wütend, Jimmy. Sei nicht wütend auf deine Mama. Du hast sie nicht gekannt. Sie war eine gute Frau.“
„Sie hat uns verlassen. Wie gut kann sie da sein?“
„Sie war … voller Leben. Ein Freigeist. Zu hübsch für ihr eigenes Wohl. Und klug.“ Kopfschüttelnd pfiff er. „Sie hätte aufs College gehen können, wenn sie nicht in anderen Umständen gewesen wäre.“
„Das war nicht mein Fehler.“ Er hatte die Geschichten gehört, wie Mama, die Jahrgangsbeste, am Tag ihrer Diplomübergabe schwanger war. Über den Sommer, in dem Mama ihr Collegestipendium aufgab, um Dad zu heiraten – dem ihr Vater wiederum die Pistole an den Kopf hielt.
„Nein, das war meiner. Mein Fehler.“ Dad verschwand auf der dunklen Treppe und machte sich nicht einmal die Mühe, das Flurlicht einzuschalten, als er oben angekommen war.
Jimmy war es egal, wessen Fehler es war. Und während er so gar keine Erfahrung mit dem Kindermachen hatte, war er sich doch ziemlich sicher, dass da immer zwei dazugehörten. Es war einfach nicht richtig, was Vera getan hatte: Dad sitzenzulassen und ihn so fertigzumachen. Und Jimmy zu verlassen.
Aber Dad sah die Schuld nur bei sich selbst. Diese Last ließ ihm gerade noch genug Herz dafür, arbeiten zu gehen und abends wieder nach Hause zu kommen. Sonst für nicht viel. Mit seinen fünfunddreißig Jahren war er ein alter Mann.
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