Ketzer. Gerd Ludemann
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Название: Ketzer

Автор: Gerd Ludemann

Издательство: Автор

Жанр: Религия: прочее

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isbn: 9783866744783

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СКАЧАТЬ Unterkunft fand, ist wegen der früheren engen Beziehung des Paulus zu den Hellenistenkreisen wahrscheinlich. Er ist ja von diesen Gruppen, die er einst verfolgte, im Christentum unterwiesen worden.

      d) Schließlich dürfte, wie bereits erwähnt, der Apg 21,21 ausgesprochene Vorwurf gegen den Apostel historisch sein und zutreffend die Vorbehalte Jerusalemer Christen gegen Paulus wiedergeben. Er lautet: Paulus »lehrt alle Juden, die unter den Heiden wohnen, den Abfall von Mose« und sage, »sie sollen ihre Kinder nicht beschneiden und auch nicht nach den (jüdischen) Bräuchen leben«.

      Ein solcher Vorwurf kommt im Verhältnis zu dem, was in der Apg von Paulus berichtet wird, überraschend. Lukas hatte Paulus als praktizierenden Juden beschrieben, der z. B. Timotheus beschnitt (Apg 16,2 f) und sich später als gesetzestreuen Pharisäer hinstellte (Apg 23,1 – 9). Deswegen geht der genannte Vorwurf sicherlich auf eine vorlukanische Überlieferung zurück.

      Historisch hatte er einen Anhalt in dem, was in paulinischen Gemeinden wirklich vor sich ging. Zwar predigte Paulus in Übereinstimmung mit den Absprachen auf dem Konzil und entsprechend seiner Berufung vornehmlich den Heiden das Evangelium. Auch findet sich in keinem seiner erhaltenen Briefe eine Aussage, wie sie ihm Apg 21,21 unterstellt wird. Doch erwartete der Apostel von geborenen Juden im Umgang mit Heidenchristen zumindest teilweise die Nichtbeachtung von Speisegesetzen (vgl. Gal 2,11 ff) und schärfte in seinen Briefen mehrfach die Gleichgültigkeit des Gesetzes gegenüber der neuen Schöpfung in Christus ein. Ein Lehrsatz, der schnell zu einer Kampfesformel werden konnte, lautete z. B.:

      »Beschnittensein ist nichts, und Unbeschnittensein ist nichts,

       sondern Gottes Gebote halten (sc. darauf kommt es an)«. (1Kor 7,19).

      Ein anderer Spruch hatte folgenden Inhalt:

      »(In) Christus gilt weder Beschneidung etwas

      noch Unbeschnittenheit etwas,

      sondern eine neue Kreatur«. (Gal 6,15).66

      Konnte es da ausbleiben, dass geborene Juden infolge einer solchen Praxis sich vom Gesetz entfremdeten und ihre Kinder nicht mehr beschnitten?

      Apg 21,21 gibt daher eine historisch zuverlässige Information über die Folgen der Predigt des Paulus sowie seiner Praxis unter Juden und über die starken Vorbehalte, um nicht zu sagen: die Feindschaft der Jerusalemer Gemeinde ihm gegenüber wieder. Zwar litt Paulus in Jerusalem für eine Sache, die nicht die seine war, nämlich die totale Loslösung des Christentums vom Judentum. Aber die Judenchristen hatten frei nach Adolf von Harnack recht: Letztlich zerstörte Paulus’ Werk die jüdischen Sitten und bereitete dem Gesetz des Moses ein Ende.

      Wenn nun feststeht, dass die letzte Jerusalemreise des Apostels den alleinigen Zweck hatte, die Kollekte abzuliefern, warum steht darüber nichts in Apg 21? Dieser Befund ist um so erstaunlicher, als Apg 21 im wesentlichen historische Elemente enthält. Gerade deswegen erscheint es ausgeschlossen, dass die in Apg 21 benutzte Quelle keinen Hinweis auf die Sammlung enthielt, was die Frage provoziert: Warum tilgt Lukas jeglichen Hinweis auf die Kollekte in jenem Kapitel?

      Die Dringlichkeit der Beantwortung der Frage wird erhöht, wenn sich in Apg 24,17 (Paulus in Jerusalem: »Nach vielen Jahren bin ich hergekommen, um für mein Volk Liebesgaben zu bringen und zu opfern«) eine versprengte Notiz über den Sinn der letzten Jerusalemreise des Paulus verbirgt.67 Die einzige mögliche Antwort auf die gestellte Frage kann daher nur lauten: Lukas meidet Apg 21 absichtlich das Kollektenthema, weil die von ihm benutzte Quelle von einem Scheitern ihrer Übergabe bzw. von ihrer Ablehnung berichtete. Hätte nämlich die Quelle ihre Annahme erzählt, würde Lukas diese Nachricht aufgenommen haben (an dieser Stelle!), kommt es ihm doch gerade darauf an, das gute Verhältnis zwischen Paulus und der Jerusalemer Gemeinde aufzuzeigen. Statt dessen vorverlegt er das in Kap. 21 vermiedene Kollektenthema und bringt es Apg 11,27 ff, wo er unter Verarbeitung von Einzeltraditionen eine »Modellreise« konstruiert68 und Barnabas und Paulus eine Kollekte nach Jerusalem bringen lässt. (Freilich wird selbst dort nicht explizit von einer Annahme der Sammlung berichtet!)

      Nun kann man natürlich historisch versuchen, die Auslösung von vier Nasiräern mit der Kollekte in Verbindung zu bringen, und überlegen, ob nicht Paulus einen Teil des Kollektengeldes dafür verwendet haben mag.69 Aber auch in diesem Fall bleibt das Fehlen einer Erwähnung der Kollekte erklärungsbedürftig, und die These, die Kollekte sei »anscheinend gleichsam nur im Nebenzimmer und sozusagen nur flüsternd übergeben und empfangen« worden70, ist eine Verlegenheitsauskunft. Sie geht nämlich von der nicht mehr hinterfragten Voraussetzung aus, die Jerusalemer Gemeinde habe auf jeden Fall einen Bruch mit Paulus vermeiden wollen. Das aber ist doch die Frage, um so mehr, als Paulus wenige Jahre zuvor in Jerusalem nur mühsam das Blatt zu seinen Gunsten hatte wenden können.

      Dieser Rückschluss auf eine Ablehnung der Kollekte71 wurde in der Forschung oftmals so nicht gezogen. Jürgen Becker schreibt: Es »muß … unter den Judenchristen in Jerusalem Leute gegeben haben, die für eine Verweigerung der Kollekte eintraten.« Er fährt sogleich einschränkend fort: »Zu diesen wird mit ganz hoher Wahrscheinlichkeit nicht Jakobus gezählt haben.«72 Die Hauptbegründung dafür leuchtet jedoch nicht ein, denn in einer Konfliktsituation war es auf jeden Fall denkbar, »daß Jakobus seine Anerkennung des Heidenchristentums auf dem Apostelkonvent … durch die offizielle Verweigerung der heidenchristlichen Kollekte praktisch in Gestalt eines öffentlichen Eklats rückgängig machen konnte.«73

      Aber wieso soll den Jerusalemer Judenchristen eine Kollekte nicht mehr willkommen gewesen sein, die sie einige Jahre zuvor noch akzeptiert hatten? Mehrere Gründe legen sich als Antworten nahe.

      Zum einen war die Spannung zwischen Paulus und den Jerusalemern gestiegen. Der Apostel hatte Worte gegen das Gesetz geschrieben, die den Jerusalemern zu Ohren gekommen waren. Aus ihrer Mitte waren Spione in die paulinischen Gemeinden entsandt worden. Sie hatten dort Gräueltaten gegen das Gesetz beobachtet, die geborene Juden betrafen: Judenchristen beschnitten ihre Kinder nicht mehr und aßen zusammen mit Heidenchristen.

      Zum anderen war die Lage in Jerusalem für die dortige Gemeinde schwieriger geworden, weil sich einflussreiche Gruppen in Jerusalem im Vorfeld des jüdischen Krieges radikalisiert hatten. Und vielleicht ist die Kollekte auf der Konferenz zunächst gar nicht gefordert, sondern erst von Paulus ins Spiel gebracht worden, um einen Verhandlungserfolg zu erzielen.

      Unter den 18 Halachot (vgl. MSchab 1,4 – 9), die einige Juden vor der Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 beschlossen hatten, befand sich auch das Verbot, von Heiden Geschenke anzunehmen.74 Man kann darin eine Entsprechung zum Verhalten der Jerusalemer Gemeinde gegenüber der Gabe der heidenchristlichen Kirchen sehen und schlussfolgern: Was einst akzeptabel war, war jetzt, mitbedingt durch Entwicklungen in Jerusalem und im paulinischen Missionsgebiet, für die Jerusalemer Gemeinde unerträglich, ja geradezu »ein vergiftetes Geschäft«75 geworden.

      Paulus ahnte offenbar Böses, denn er bittet kurz vor der Reise nach Jerusalem die Römer um Beistand im Gebet, »dass ich errettet werde vor den Ungehorsamen (= Juden) in Judäa und mein Dienst (= die Kollekte) den Heiligen (= der Jerusalemer Gemeinde) willkommen sei«. (Röm 15,31). M. a. W., er kennt die Entrüstung der (ungläubigen) Juden in Jerusalem, aber auch die Verschlossenheit der dortigen Gemeinde gegenüber seiner Person und der Kollekte.

      Der jüdische Geschichtsschreiber Josephus über die Hinrichtung des Jakobus

      Josephus, Ant XX 199 – 203:

      »Der jüngere Hannas jedoch, dessen Ernennung zum Hohepriester ich soeben erwähnt habe, war von heftiger und verwegener Gemütsart und gehörte zur Partei der Sadduzäer, die, wie schon früher bemerkt, im Gerichte härter und liebloser sind als alle anderen Juden. Streng und hart, wie er war, glaubte Hannas auch jetzt, da Festus gestorben, Albinus aber noch nicht angekommen СКАЧАТЬ