Ketzer. Gerd Ludemann
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Название: Ketzer

Автор: Gerd Ludemann

Издательство: Автор

Жанр: Религия: прочее

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isbn: 9783866744783

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СКАЧАТЬ die Erzählung einzelner Jerusalemer Judenchristen gewesen sein mag, die in der Tat kurz vor dem Krieg Jerusalem verlassen hatten, ebenso wie andere Juden auch (vgl. Josephus, Ant XX, 256/​Bell II 279: Ende 64 n. Chr., mit dem Amtsantritt des Gessius Florus, haben Juden Jerusalem verlassen).5 Diese Christen hätten dann später in Pella einen bleibenden Wohnort gefunden.

      Jedenfalls bedeutete die Zerstörung des Tempels einen tiefen Einschnitt für die damalige Jerusalemer Gemeinde (und ebenfalls für die »nichtchristlichen« Juden). Ihre Nachfahren lebten in der Zukunft zersplittert an verschiedenen Orten: in Pella, Kokabe, Nazareth und im syrischen Beröa. Ein Teil der Urgemeinde aus Jerusalem sowie Teile des palästinischen Christentums dürften nach Kleinasien übergesiedelt sein (vgl. nur die Töchter des Philippus [Apg 21,8 f], von deren Ephesus- bzw. Hierapolis-Aufenthalt spätere Schriftsteller berichten [Polykrates von Ephesus bei Euseb, KG III 31,3 und Papias von Hierapolis, ebd., III 39,9]). Und schließlich ist die Möglichkeit nicht völlig von der Hand zu weisen, dass judenchristliche Restgruppen Jerusalemer Herkunft nach einiger Zeit wieder in Jerusalem ansässig geworden sind.

      Die Nachricht Eusebs (KG IV 5,2), bis zur Niederwerfung der Juden unter Hadrian seien in Jerusalem 15 Bischöfe einander gefolgt und alle von Geburt Hebräer gewesen, sollte man zugunsten der zuletzt angeführten Möglichkeit nicht ins Spiel bringen, denn diese Überlieferung ist aus zwei Gründen anzuzweifeln. Erstens hat angeblich der Nachfolger des Jakobus und zweite Bischof, Symeon, bis ca. 115 n. Chr. den Bischofsthron innegehabt.6 Dann aber ist es unwahrscheinlich, dass in der verbleibenden Zeit bis zum Aufstand unter Hadrian, d. h. in 20 Jahren, 13 Bischöfe regiert haben. Zweitens sagt Euseb im gleichen Atemzug, er habe »über die Jahre der Bischöfe in Jerusalem keine schriftliche Nachricht ausfindig machen können«. (KG IV 5,1). Das macht die ganze Bischofsliste nicht glaubwürdiger. Vermutlich stammt sie überhaupt vom heidenchristlichen Bischof Narzissus, Anfang des 3. Jh.s, oder von seinen Anhängern7, denn für die zweite Periode bis zu ihm führt Euseb in einem Schematismus8 gleichfalls 15 heidenchristliche Bischöfe auf (IV 5,1 – 4; V 12).

       Die Leitungsfunktion der Verwandten Jesu. Das Schicksal der Judenchristen

      Jakobus, der Herrenbruder, war die Autorität in der späteren Phase der Jerusalemer Gemeinde. Nach seiner Ermordung im Jahre 62 übte ein Vetter Jesu, Symeon, bis zur trajanischen Zeit (= 98 – 117) die Leitung des »Jerusalemer« Gemeindeverbandes aus. Allerdings wird nicht recht deutlich, ob sich sein Sitz in Jerusalem befand. Hegesipp setzt dies zwar voraus (bei Euseb, KG IV 22,4), weil er an der Kontinuität der Amtsinhaber auf dem Jerusalemer Bischofsstuhl interessiert ist9, doch ist das aus allgemeinen historischen Gründen unwahrscheinlich. Wir wissen nur, dass nach der Ermordung des Jakobus zu einem bestimmten Zeitpunkt Symeon sein Nachfolger wurde, und zwar, weil er mit Jesus verwandt war.

      Unter Trajan, so berichtet Hegesipp (bei Euseb, KG III 32,3), erlitt Symeon im Alter von 120 Jahren den Märtyrertod. Er muss also in Palästina eine bekannte Gestalt gewesen sein. Das gleiche gilt für die Enkel des Judas, der ein Bruder Jesu war. Sie wurden Hegesipp zufolge (bei Euseb, KG III 20,1 – 6) vor Kaiser Domitian geführt, aber wegen ihrer Harmlosigkeit in Freiheit gesetzt. Am Schluss der Erzählung heißt es:

      »Sie aber erhielten nach der Freilassung, da sie Bekenner und Verwandte des Herrn waren, führende Stellungen in der Kirche. Nachdem Frieden geworden war, lebten sie noch bis Trajan«. (20,6).

      Und schließlich besitzen wir ein weiteres Zeugnis über das Ansehen der Verwandten Jesu in Palästina, wenn es bei Euseb, KG I 7,14 (im Exzerpt aus Julius Africanus) heißt: »Die Herrenverwandten breiteten sich von den jüdischen Dörfern Nazareth und Kokabe aus über das übrige Land …«10 Man kann es kaum für einen Zufall ansehen, dass die Heimat der Herrenverwandten, Kokabe, und der Ort, wo zahlreiche Judenchristen wohnten, denselben Namen haben.11 Vielmehr deutet das auf eine Vereinigung beider Gruppen hin, die ja ohnehin wahrscheinlich ist, da der Herrenbruder Jakobus die Leitung der (judenchristlichen) Gemeinde Jerusalems innehatte.

      Von den anderen (Heiden-)Christen getrennt, waren die Ebioniten und Herrenverwandten auch von den jüdischen Brüdern separiert und gerieten sozusagen zwischen die Stühle der zunehmend heidenchristlich werdenden Kirche und des sich neu formierenden jüdischen Synagogenverbandes.

      Durch die Zerstörung Jerusalems hatten auch die jungen heidenchristlichen Kirchen ihren durch Jesus und die Jerusalemer Gemeinde (!) gesetzen Mittelpunkt verloren; ein neuer etablierte sich mit der römischen Gemeinde, die unter Berufung auf Petrus und Paulus (1Clem 5) bald einen Führungsanspruch erhob und ihn innerhalb eines Jahrhunderts auch durchsetzte.

      Erst in der zweiten Hälfte des 2. Jh.s entdeckten einzelne Heidenchristen das Heilige Land wieder neu (Bischof Melito von Sardes besuchte um 160 n. Chr. Jerusalem [vgl. Euseb, KG IV 26,14])12, aber da war es für eine Rehabilitierung der Jerusalemer Christen schon zu spät; sie waren zu ebionitischen Ketzern geworden. Auch im Verhältnis zu ihren jüdischen Brüdern ging es ihnen nicht besser. Wenn sie beispielsweise am Synagogengottesdienst teilnehmen wollten, mussten sie fürchten, dass man bei der Rezitation des Achtzehnbittengebetes den Spruch gegen die Häretiker auf sie beziehen würde.13

       Teil I: Das Jerusalemer Judenchristentum vor dem Jüdischen Krieg

      Ich zeichne im Folgenden die dramatische Vorgeschichte des Jüdischen Kriegs nach.14 Das Auftreten Jesu hatte durch seine Kreuzigung ein Ende gefunden. Die Motive für die Hinrichtung durch den Römer Pilatus lagen darin, dass er Jesus für einen politischen Aufrührer hielt, den es kaltzustellen galt. Die Kreuzesinschrift »Der König der Juden«. (Mk 15,26) zeigt, wie Jesu Wirken als politisches verstanden werden konnte.

      Und doch bedurfte es für die Überstellung Jesu durch die jüdische Behörde an die Römer eines besonderen Grundes. Dieser dürfte in Jesu Haltung zum Tempel zu finden sein.15 In den ntl. synoptischen Evangelien steht der Auftritt Jesu im Tempel (Mk 11,15 – 19 parr) in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner späteren Hinrichtung. Wohl ist nicht ohne weiteres klar, was Jesus mit der Aktion – ihre Historizität vorausgesetzt – bewirken wollte.

      a) War sie als Tempelreinigung gedacht? Aber wer wird das Vertreiben der Händler und Verkäufer und das Umstoßen der Tische der Geldwechsler und Taubenhändler so auffassen können?

      b) War sie als Tempelreform zu deuten? Aber dazu passt nicht, dass sie gar nicht den ganzen Tempel, sondern nur einen kleinen Bezirk betraf.

      c) Jesu Aktion im Tempel dürfte eher eine symbolische Handlung sein, die auf etwas anderes hindeutet (vgl. die Zeichenhandlungen der atl. Propheten.16 Jesus versuchte, zeichenhaft den Tempelkult aufzuheben. »Diese Aufhebung aber geschah nicht, um den Tempelkult zu reformieren oder seine (weitere) Profanisierung zu stoppen, sondern um einem ganz neuen Tempel, dem eschatologischen und damit von Gott erwarteten, Platz zu machen.«17

      Voraussetzung dieses Verständnisses ist zweierlei: 1) Jesus hat in wörtlichem Sinn das Umstürzen (Mk 11,15) verstanden, das auf den ganzen Tempel zielte; 2) er hat damit die Hoffnung auf einen neuen Tempel verbunden, wie sie sich im Judentum in verschiedenen Ausprägungen findet (Jes 60,13; Mi 4,1 – 2; Hag 2,6 – 9; Tob 14,7; 1Hen 90,28 f).

      Ein weiterer Reflex der Tempelkritik Jesu findet sich im Bericht über seinen Prozess. Vgl. Mk 14,58: »Wir haben gehört, dass er gesagt hat: ›Ich will diesen Tempel, der mit Händen gemacht ist, abbrechen und in drei Tagen einen anderen bauen, der nicht mit Händen gemacht ist‹.« Die jesuanische Herkunft dieses Tempellogions ist sehr wahrscheinlich, umso mehr, als Mk 14,57 es ausdrücklich als Falschzeugnis darstellt (vgl. Apg. 6,14, wohin es – zur Entschärfung? – vom Vf. der Apg transportiert worden ist) und damit der Radikalität der Verkündung Jesu an dieser Stelle die Spitze abbricht. Des weiteren war die jesuanische Erwartung des himmlischen Tempels auch insofern gut verstehbar, als die Jerusalemer Urgemeinde sich mit dem Tempel identifizierte. Ihre Mitglieder hielten sich stets zum jüdischen Heiligtum (Apg 2,46; 3,1 ff; 21,26) und erwarteten hier in СКАЧАТЬ