Ketzer. Gerd Ludemann
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Название: Ketzer

Автор: Gerd Ludemann

Издательство: Автор

Жанр: Религия: прочее

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isbn: 9783866744783

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СКАЧАТЬ dem Justinreferat nahmen die Judenchristen eine unterschiedliche Haltung zu ihren heidnischen Glaubensbrüdern ein. Sie hatten darüber eine abweichende Meinung, ob sie die von ihnen geübte Gesetzespraxis auch von den Heidenchristen verlangen sollten. Der eine Teil lehnte die Gemeinschaft mit den Heidenchristen ab, falls diese nicht ebenfalls jüdisch lebten (47,3). Der andere Teil befürwortete ohne eine solche Forderung Gemeinschaft mit ihnen (47,2).

      An welche Art Gemeinschaft ist gedacht? Justin spricht 47,2 vom Zusammenleben, d. h. von der Gemeinschaft des geselligen Verkehrs und des Essens.

      Das Problem wurde für reisende Christen akut, die Unterkunft in christlichen Häusern suchten und auf die Hilfe ihrer Brüder und Schwestern angewiesen waren. Justin, der nach eigener Angabe aus Flavia Neapolis in Palästina stammt (I Apol 1,1) und sich später in Ephesus und Rom aufhielt, war schon von seiner Biographie her die Wichtigkeit einer solchen Frage geläufig. Da er zumindest in Palästina Judenchristen persönlich kennengelernt hatte, empfand er Verständnis für ihre Eigenheiten. Andere Heidenchristen brachten diese Toleranz nicht auf und lehnten die Gemeinschaft mit Judenchristen generell ab.

      Justin scheinen daher Judenchristen beider Arten vertraut zu sein, so dass seinem Bericht ein besonderer Wert zukommt. Da zwischen ihnen nur die Stellung zu den Heidenchristen kontrovers gewesen zu sein scheint, mag man davon ausgehen, dass sie nicht zu verschiedenen Gemeinden gehört haben, sondern jeweils in einer Gemeinschaft vereint gewesen sind. Eine Parallele liefert die judenchristliche Kirche Jerusalems vor 70 n. Chr., die trotz unterschiedlicher Einstellung zur Heidenchristenheit eine Gemeinde bildete. »Unschwer sind hier (sc. im Bericht Justins) die beiden auf dem Apostelkonvent von judenchristlicher Seite in Jerusalem vertretenen Positionen wiederzuerkennen, wie immer auch der Zusammenhang historisch sein mag.«89

      Über den geographischen Ort der Judenchristen äußert Justin sich leider nicht. Man wird aber wahrscheinlich an Palästina denken (vielleicht aber auch an Kleinasien); in beiden Gebieten hat sich Justin längere Zeit aufgehalten.

      Es ist nun möglich, eine Paulusfeindschaft der Judenchristen Justins als wahrscheinlich zu erweisen, obwohl Justin diese nicht ausdrücklich erwähnt.

      Als Voraussetzung sei die Annahme eingeführt, dass Paulus in der ersten Hälfte des 2. Jh.s im östlichen und westlichen Christentum bekannt gewesen ist. Zwar kann man den Gebrauch seiner Briefe und/​oder die Kenntnis seiner Person nicht in jeder heidenchristlichen Gemeinde voraussetzen, wohl aber in den Zentren Antiochien, Kleinasien, Griechenland und natürlich Rom.

      Nun hat eine Klasse der Judenchristen Justins harte Forderungen gegenüber Heidenchristen erhoben und bei ihrer Nichtbeachtung die Gemeinschaft mit diesen abgelehnt. Dies setzt voraus, daß die Judenchristen über Heidenchristen einschließlich ihrer Wertschätzung des Heidenapostels informiert waren. Eine Verweigerung der Gemeinschaft mit den Heidenchristen war daher in vielen Fällen notwendig mit einer Ablehnung des Paulus verbunden.

      Die Frage, ob Justin Paulusbriefe gekannt und benutzt hat, ist sicher positiv zu beantworten. So benutzt er Dial 27,3 dieselben Psalm- und Jesajazitate wie Röm 3,12 – Ps 14,3; 5,10; 140,4; Jes 59,7 f –, und zwar in derselben Reihenfolge, und er gibt Dial 39,1 f »die Klage des Elias gegen Israel und Gottes Antwort (vgl. 1Kg 19,10/​17) in einer Weise wieder …, die in mehreren Einzelheiten gegen die LXX-Version mit Röm 11,2/​5 übereinstimmt.«90 Überdies ist daran zu erinnern, dass in Rom vor dem Ende des 1. Jh.s Petrus und Paulus ein festes Personenpaar und zumindest Röm und 1Kor greifbar waren. Man vgl. dazu auch den am Ausgang des 1. Jh.s verfassten Brief der römischen Kirche an die korinthische Gemeinde:

      (1) »Doch um mit den alten Beispielen aufzuhören, lasst uns zu den Kämpfen der jüngsten Zeit kommen: Nehmen wir die edlen Beispiele unseres Geschlechts. (2) Wegen Eifersucht und Neid sind die größten und gerechtesten Säulen verfolgt worden und haben bis zum Tode gekämpft. (3) Halten wir uns vor Augen die tapferen Apostel: (4) Petrus, der wegen ungerechtfertigter Eifersucht nicht eine und nicht zwei, sondern viele Mühen auf sich genommen hat und der so – nachdem er Zeugnis abgelegt hatte – gelangt ist an den ihm geschuldeten Ort der Herrlichkeit. (5) Wegen Eifersucht und Streit hat Paulus den Kampfpreis der Geduld aufgewiesen: (6) Siebenmal Ketten tragend, vertrieben, gesteinigt, Herold im Osten wie im Westen, hat er den edlen Ruhm für seinen Glauben empfangen. (7) Gerechtigkeit hat er die ganze Welt gelehrt und hat Zeugnis abgelegt vor den Führenden, so ist er aus der Welt geschieden und ist an den heiligen Ort gelangt – größtes Vorbild der Geduld«. (1Clem 5,1 – 7).

      Aus der Tatsache, dass Justin Paulus nicht explizit erwähnt, erschließen manche Forscher in Verbindung mit anderen Argumenten eine paulusfeindliche Einstellung des Justin – zweifellos zu Unrecht, denn Justin greift Paulus gar nicht an. Andreas Lindemann hat diesen Sachverhalt anders erklärt: »Daß er Paulus nicht erwähnt, ist Folge seines theologischen Prinzips: Die Wahrheit des Christentums wird aus dem Alten Testament erwiesen; von Bedeutung sind daneben nur noch Worte Jesu, wie sie in den ›Denkwürdigkeiten der Apostel‹, d. h. den Evangelien, aufgezeichnet sind.«91 Hiergegen stellt sich aber sofort die Frage, warum Justin überhaupt Paulusbriefe benutzt. Daher ist Lindemanns Lösung unwahrscheinlich.

      Statt dessen wird man den obigen Befund wie folgt deuten: Justin steht zwischen zwei Fronten. Er attackiert auf der einen Seite Markion und entwickelt ihm gegenüber eine eigentümliche Gesetzeslehre92, um die Kontinuität der atl. und ntl. Offenbarung zu sichern. Auf der anderen Seite befindet sich Justin in einem Dialog mit dem Judentum, so sehr dieser auch monologisch geführt wird. Das Fatale an der Situation bestand nun darin, dass der christliche Ketzer Markion, den Justin in einem früheren Werk ausdrücklich bekämpfte (s. oben S. 41), Paulus auf seinen Schild erhoben hatte und andererseits derselbe Paulus den Juden tabu war. Ein Nennen des Heidenapostels hätte Justin daher gleichzeitig zu sehr in die Nähe Markions gerückt und den Dialog mit den Juden erschwert. Die

      »absichtliche Nennung des Apostels und die ausdrückliche Berufung auf ihn als orthodoxen Ausleger alttestamentlicher Typologie (sc. wäre eben) wenig hilfreich in einer Stadt, in der zur gleichen Zeit Markion wirkte und mit Paulus das Alte Testament bekämpfte.«93

      Das alles hat Konsequenzen für die Beurteilung von Dial 46 f. Denn war Paulus aus den aufgeführten Gründen von Justin absichtlich ausgelassen worden, so verbot es sich von selbst, die Paulusablehnung von Judenchristen zur Sprache zu bringen. Justin war dann gezwungen, den Antipaulinismus der von ihm referierten Judenchristen zu übergehen.

      Nach dem soeben Ausgeführten drängt sich also die These auf, dass die Judenchristen Justins ein historisches Bindeglied zwischen dem Jerusalemer Judenchristentum vor dem Jahre 70 und den im Ketzerreferat des Irenäus zusammengefassten judenchristlichen Gemeinden sind.

      Das Jerusalemer Judenchristentum in den Pseudoklementinen94

      Ableger des Jerusalemer Judenchristentums finden sich nachweislich bis zum 4. Jh. über Palästina, das Ostjordanland und Syrien verstreut. Dies ergibt eine hier ausgelassene Analyse der Referate der Kirchenväter Hippolyt, Eusebius und Epiphanius.95 Die für die Kenntnis des älteren Judenchristentums einst hochgeschätzten Pseudoklementinen sind heute fast in Vergessenheit geraten – m. E. zu Unrecht, wie einige Proben ihrer Paulus-Feindschaft noch erweisen werden.

      Die Pseudoklementinen sind in ihrer jüngsten Fassung (4. Jh.) ein Wiedererkennungsroman, angeblich verfasst von Klemens von Rom, der in ihm von dem Verlust seiner Familie und ihrer glücklichen Zusammenführung berichtet. In sie wurden verschiedene Quellenschriften eingelegt, deren älteste Schichten aus dem 2. Jh. stammen. Sie enthalten heftige Polemik gegen Paulus, die z. T. pamphlethaft wirkt, und es »spitzt sich alles auf eine krasse Bestreitung der Legitimität seines Apostolats zu.«96 In einer Disputation in Laodicea, deren Tradition ins 2. Jh. weist, führt Petrus in einer für jerusalemische Paulusgegner typischen Art ein für allemal aus, dass Paulus den Auferstandenen auf keinen Fall gesehen haben könne. Die Begründung dafür ist ebenso einfach wie einleuchtend: Nur die Augenzeugen des geschichtlichen СКАЧАТЬ