Ketzer. Gerd Ludemann
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Название: Ketzer

Автор: Gerd Ludemann

Издательство: Автор

Жанр: Религия: прочее

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isbn: 9783866744783

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СКАЧАТЬ Kirchen, der gesetzestreuen und der gesetzesfreien.

      Die obige Einigungsformel sicherte zwar Paulus das uneingeschränkte Recht der Heidenmission zu. Aber gleichzeitig konnte sie auch dazu benutzt werden, um eine Mission an Heiden und Juden rückgängig zu machen. Die Regelung schloss daher nicht aus, dass in Zukunft Juden, die gesetzeslos in einer heidenchristlichen Gemeinde lebten, auf das Halten des jüdischen Gesetzes verpflichtet werden konnten. Wir beobachten hier den Vorgang, dass ein zu starker Wille zur Einigung, die fast um jeden Preis geschieht und daher eigentlich nichts taugt, die entgegengesetzten Kräfte, die den Konflikt erst ausgelöst haben, wieder neu belebt.

      Dafür liefert ein weiterer Vorgang, von dem wir einen Augenzeugenbericht besitzen, reichhaltiges Anschauungsmaterial.59

      In der neugegründeten Gemeinde Antiochiens hielten geborene Juden(christen) mit Heiden(christen) regelmäßig Tischgemeinschaft. Daran hatte Paulus, als er in Antiochien anwesend war, teilgenommen, und ebenso Petrus. Als »einige von Jakobus«, d. h. von ihm abgesandte Boten, in Antiochien ankamen, änderte sich das schlagartig. Petrus, Barnabas und die anderen anwesenden Juden(christen) ziehen sich aus Furcht vor den »Beschneidungsleuten« zurück und erregen damit den Zorn des Paulus, nach dessen Meinung Petrus damit die alleingelassenen Heiden(christen) zwinge, sich beschneiden zu lassen, um die Tischgemeinschaft zwischen Juden(christen) und Heiden(christen) wiederherzustellen. Ja, Paulus spitzt die Situation noch dadurch zu, dass er sagt, Petrus habe vorher heidnisch gelebt (Gal 2,14).

      Wie »heidnisch« hatten die dort anwesenden Gemeindeglieder wirklich gelebt? War etwa Schweine-, Esel- oder Hasenbraten auf den Tisch gekommen?60 Trank man gar heidnischen Wein, der den Göttern geweiht worden war? Ging es um Speisen, für die man nicht den Zehnten abgeliefert hatte?61 Oder hatte man Fleisch gegessen, das ursprünglich den Göttern geopfert worden war? Diese Fragen stellen heißt einerseits, vor Augen zu führen, wie wenig wir über den Zwischenfall in Antiochien eigentlich wissen. Andererseits ist aus 1Kor 8 – 10 bekannt, wie Paulus sich zum Götzenopferfleisch verhielt. Im allgemeinen hatte er keine Bedenken, es zu essen (1Kor 10,25 – 27). Falls aber jemand auf die Herkunft des Fleisches hinweisen würde, gab er den Rat, auf dessen Verzehr zu verzichten – dies um der Gemeindeglieder willen, die schwach im Glauben waren (1Kor 10,28 f). Hatte also Paulus für seine eigene Person eine große Freiheit gegenüber Götzenopferfleisch, so traf das für Barnabas und die übrigen Judenchristen nicht zu, andernfalls hätten sie sich nicht so schnell in Antiochien zurückgezogen.

      Deswegen ist es unwahrscheinlich, dass die oben genannten extremen Möglichkeiten zutrafen. Vielmehr wird ein Mindestmaß an Thora eingehalten worden sein; nur Jakobus selbst drang auf eine strikte Einhaltung und hatte dafür gute Gründe, weil nämlich die Judenchristen in Jerusalem nicht noch mehr kompromittiert werden sollten. M. a. W., auch hier findet er eine Trennung besser – ebenso wie beim Jerusalemer Konzil.62

      Paulus sah im Verhalten des Petrus ein falsches Verständnis der Gerechtigkeit vor Gott, in der er mit ihm doch einig gewesen war (Gal 2,15 - 16), übertreibt dann aber, wie erwähnt, mit seiner Bemerkung, Petrus habe vorher heidnisch gelebt (Gal 2,14). Indes stellte sich sofort die allgemeine Frage, wieviel Wert das Gesetz für die junge Kirche überhaupt noch haben sollte. Immerhin war der vorher und später erhobene Vorwurf gegen Paulus nicht von der Hand zu weisen, dass er mit solcher Schwarz-weiß-Malerei, die in einem Entweder-Oder gipfelte, dem jüdischen Gesetz den entscheidenden Stoß versetzt hatte, auch wenn er das Gegenteil behauptete.

      Die geschichtliche Entwicklung (Fortsetzung):

       Vom Apostelkonzil bis zur Ablehnung der paulinischen Kollekte und der Hinrichtung des Jakobus

      In der Zeit zwischen dem Konzilsbesuch und der letzten Jerusalemreise des Paulus nahm die dortige Gemeinde unter der Führung des Jakobus zunehmend eine paulusfeindliche Haltung ein, ja, sie stilisierte Paulus förmlich zum Ketzer. Das findet eine Reaktion in der zunehmenden Bitterkeit des Paulus gegenüber Jerusalemer Sendlingen. Er hatte die Judaisten in Galatien konditional verflucht (Gal 1,6 ff) und sich ähnlich zu den Eindringlingen Jerusalemer Provenienz in Philippi geäußert (Phil 3,2 ff). (Im nächsten Kapitel werden wir die Geschichte dieser Paulusfeindschaft weiter verfolgen.) Der Bericht der Apostelgeschichte (Kap. 21) bestätigt die Paulusgegnerschaft der Jerusalemer Gemeinde weiter.

      Paulus bemühte sich zwischen dem zweiten und dritten Jerusalembesuch, der Zusatzformel des Jerusalemer Konkordats zu genügen und in seinen Gemeinden eine Kollekte zugunsten der Armen in Jerusalem einzusammeln. Den ursprünglich gefassten Plan, Abgesandte mit dieser Kollekte nach Jerusalem zu schicken (vgl. 1Kor 16,3: »Wenn ich also [sc. zu euch nach Korinth] gekommen bin, will ich die, die ihr für bewährt haltet, mit Briefen senden, damit sie eure Gabe nach Jerusalem bringen«), ließ er fallen und plante, die Kollekte selbst nach Jerusalem zu bringen (Röm 15,25: »Jetzt aber fahre ich hin nach Jerusalem, um den Heiligen zu dienen«), – das hatte er freilich bereits vorher als Möglichkeit erwogen (1Kor 16,4: »Wenn es aber die Mühe lohnt, dass ich auch [nach Jerusalem] hinreise, sollen sie [sc. die Abgesandten der Gemeinde] mit mir reisen«). Diese Änderung in der (seit 2Kor 9,4 absehbaren) Strategie lässt sich wohl nur so erklären, dass Paulus der judenchristlichen Gegnerschaft vor Ort entgegentreten wollte.

      Die Kollekte kristallisierte sich förmlich zu einem Symbol der Einheit der Kirche aus Heiden- und Judenchristen, an dessen Ausgang sich ihre Zukunft entscheiden würde. An der Gemeinschaft von Heidenchristen und Judenchristen war Paulus alles gelegen. Gerade deswegen musste er entsprechend dem vor wenigen Jahren geschlossenen Vertrag die vereinbarte Kollektengabe nach Jerusalem bringen und gleichzeitig den in seinen Gemeinden durch Jerusalemer Sendlinge verursachten Streit schlichten. Das sind keine »unhaltbaren Behauptungen«, wie der bedeutende dänische Neutestamentler Johannes Munck meinte63, sondern Aussagen, die an der komplexen und widersprüchlichen Situation paulinischer Gemeinden im 1. Jh. orientiert sind.

      Zwar fehlt ein eigenes Zeugnis des Paulus über den letzten Jerusalemaufenthalt, doch enthält die Berichterstattung der Apg in Kap. 21 wertvolles, altes Textmaterial, auch wenn der Wir-Bericht nur eine Augenzeugenschaft fingieren soll.64

      Paulus reist mit einigen Begleitern von Milet über Cäsarea nach Jerusalem. Er erhält in Cäsarea gastliche Aufnahme beim Hellenisten Philippus und in Jerusalem beim Hellenisten Mnason (Apg 21,16). In der Jerusalemer Gemeinde, die gesetzestreu lebt und der Jakobus vorsteht, ist seine Person höchst umstritten, denn Gerüchte kursieren: Paulus sei antinomistisch und wende sich gegen die Beschneidung von jüdischen Knaben. Jakobus sagt daher zu Paulus: (Viele Tausende von Gläubiggewordenen unter den Juden) »haben über dich erfahren, du lehrtest alle Juden, die unter den Heiden sind, den Abfall von Moses, indem du sagtest, sie sollten ihre Kinder nicht beschneiden und nicht nach (jüdischen) Bräuchen leben«. (Apg 21,21). Paulus tritt dem durch die Übernahme der Auslösung von vier Nasiräern entgegen (Apg 21,26). Ein solcher Akt, der im Judentum als frommes Werk galt, bestand aus einer Geldspende an den Tempel, womit das Ende des Gelübdes der Nasiräer bezeichnet wird. Er selbst geht daher in den Tempel, um sich als einer, der unter Heiden gewesen ist, entsühnen zu lassen.

      Man hat gefragt, ob der auf der Grundlage der Tradition der Apg gewonnene Erzählablauf überhaupt Anspruch auf historische Wahrscheinlichkeit haben kann. Das ist nachdrücklich zu bejahen, da andere Quellen die Bestandteile der herausgeschälten Tradition bestätigen:

      a) Durch andere Quellen65 wird die Führungsstellung des Jakobus und der nomistische Charakter der Gemeinde in den fünfziger Jahren des 1. Jh.s bekräftigt.

      b) Die Beteiligung des Apostels an einem Kultakt ist wegen des Freiheitsverständnisses des Paulus gut denkbar. So schreibt er verallgemeinernd 1Kor 9,19 – 21:

      (19) »Denn obwohl ich allen gegenüber frei bin, habe ich mich allen zum Sklaven gemacht, damit ich immer mehr gewänne. (20) Und ich bin den Juden wie ein Jude geworden, damit ich Juden gewänne; denen, die unter dem Gesetz stehen, als ob ich unter dem Gesetz stände …; (21) denen, die ohne Gesetz sind, als СКАЧАТЬ