X-World. Jörg Arndt
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Название: X-World

Автор: Jörg Arndt

Издательство: Автор

Жанр: Религия: прочее

Серия:

isbn: 9783865068736

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СКАЧАТЬ Spuren hinterließ, aber so weit hatte er noch nicht gedacht.

      Jonte schlenderte weiter und wandte sich dem Wald zu. Plötzlich erstarrte er. Ein etwa gleichaltriger Junge kam auf ihn zugelaufen und blieb vor ihm stehen. Neugierig musterte er Jonte von oben bis unten. „Was machst du auf meiner Insel?“, fragte er schließlich.

      Ron beobachtete seinen Sohn aufmerksam. Lisa hatte sich schon des Öfteren Sorgen um ihn gemacht, weil es ihm schwerfiel, Kontakte zu knüpfen. In Bezug auf andere Kinder war er meist schüchtern und zurückhaltend. Ron konnte das gut verstehen, er hatte sich als Kind mit Gleichaltrigen auch immer schwergetan. Nur dass er seine Schüchternheit meist hinter Aggressionen versteckt hatte, was häufig in Raufereien ausgeartet war. Es gab so einige Freundschaften in seinem Leben, die mit blauen Flecken begonnen hatten. Er war gespannt, wie sein Sohn auf den virtuellen Spielkameraden reagieren würde – im Gegensatz zu seiner Frau hatte Ron ja nur wenig Gelegenheit, Jonte im Alltag zu erleben.

      „Papa?“, fragte Jonte leise. Ron zögerte kurz. Schließlich beschloss er, nicht zu reagieren – der Junge hatte die vereinbarte Geste nicht gemacht, er musste also davon ausgehen, dass sein Vater ihn nicht hören konnte. Dann sah Ron, wie sich der Körper seines Sohnes straffte.

      „Was heißt hier ‚deine Insel‘?“, sagte Jonte selbstbewusst. „Das ist meine Insel! Mein Papa hat sie extra für mich gemacht!“

      „Echt? Du bist der Sohn des Schöpfers?“, gab der Junge beeindruckt zurück.

      „Ja, das kannst du glauben. Und ich heiße Jonte. Jonte Schäfer!“

      „Ich heiße Alf“, sagte der andere. „Wollen wir Freunde sein?“

      „Ich weiß noch nicht“, sagte Jonte vorsichtig. Sein Gegenüber nickte ernsthaft.

      „Komm, ich zeige dir alles!“, rief er fröhlich und sprang davon. Jonte folgte ihm, so schnell ihn seine virtuellen Füße trugen.

      Zufrieden schaltete Ron den Ton aus und konzentrierte sich auf die Logdateien. Es war sehr hilfreich für ihn, das Spiel einmal in Aktion beobachten zu können. Seine To-do-Liste wuchs weiter an, aber im Grunde war er zufrieden – mit sich, mit X-World und mit Jonte. Er fand, sein Sprössling hatte die Begegnung mit dem fremden Kind hervorragend gemeistert.

      Stunden später saßen Vater und Sohn bei ihrem Super-Spezial-Essen: Fischstäbchen mit Backofenpommes und einer mächtigen Portion Ketchup dazu. Dieses Gericht hatte Tradition bei den beiden, und Ron hortete große Vorräte davon in seiner Tiefkühltruhe. So war er immer gut gerüstet für die Besuche, die für ihn meist überraschend kamen, weil Zeitmanagement eindeutig nicht zu seinen Stärken gehörte. Als freischaffender Programmierer lebte er seinen eigenen Rhythmus, er arbeitete, bis er müde war und schlief, wann es gerade passte – so kam es häufig vor, dass er sich in einem anderen Zeitgefüge befand als die Menschen um ihn herum. Besonders wenn er an einem neuen Projekt arbeitete.

      „Du Papa, das Spiel ist wirklich klasse“, sagte Jonte mit vollem Mund. „Und Alf ist total nett.“

      Kein Wunder, dass er dir gefällt, dachte Ron, ich habe ihn schließlich an dein Psychoprofil angepasst. Er könnte dein Zwillingsbruder sein.

      Laut sagte er: „Das freut mich wirklich, Jonte. Schließlich habe ich diese Welt extra für dich gemacht!“ Das stimmte nicht ganz und war doch die Wahrheit.

      „Dann darf ich mir doch bestimmt noch was wünschen, oder?“

      „Klar“, sagte Ron.

      „Machst du mir einen Berg mit einer richtigen Höhle drin? Das wäre toll!“

      „Okay …“, sagte Ron nachdenklich. Das dürfte eigentlich kein Problem sein. Vor Urzeiten hatte er mal ein Adventure programmiert, das zum größten Teil in einer Höhlenwelt spielte. Er könnte die alten Daten etwas modifizieren und …

      Eher zufällig blickte er auf die Uhr. Es war weit nach Mitternacht.

      „Au weia, es ist schon spät, du musst ins Bett!“, sagte er. Jonte verzog sein Gesicht.

      „Ich will aber nochmal zu Alf“, murrte er.

      „Nein, heute nicht mehr“, sagte Ron entschieden. „Jetzt ist Feierabend. Und morgen bekommst du deinen Berg.“

      „Na gut“, gähnte Jonte, „aber vergiss die Höhle nicht!“

      „Warte nur ab“, schmunzelte Ron, „jetzt wird erstmal geschlafen!“

      Er brachte den Jungen ins Bett und machte sich gleich an die Umsetzung seiner Ideen. Er freute sich, seinem Sohn diese Wünsche erfüllen zu können. Ihm war schmerzlich bewusst, dass er seiner Frau und seinem Kind viel schuldig geblieben war. Immer wieder hatte die Familie hinter seiner Arbeit zurückstehen müssen. Es hatte kaum ein Wochenende gegeben, an dem er nicht noch dieses oder jenes erledigen musste. Ständig war er gedanklich abwesend gewesen, im Geist mit irgendeinem Projekt beschäftigt, während seine Frau versucht hatte, ein Familienleben zu führen, das diesen Namen wirklich verdiente. Irgendwann hatte sie aufgegeben und war mit Jonte zu ihren Eltern gezogen.

      Für Ron war das eine Katastrophe, auf die er nicht gefasst gewesen war. Als hätte sich alles gegen ihn verschworen, war kurz darauf auch noch sein berufliches Fiasko gefolgt. Es hatte sich angefühlt, als hätte ihm jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Noch keine dreißig und schon am Ende. Er hatte Monate gebraucht, um wieder einigermaßen auf die Beine zu kommen.

      Aber nun schien es allmählich aufwärtszugehen. Und jetzt bot sich ihm auch noch die Gelegenheit, seinem Sohn durch seine Programmierkunst mal etwas zu geben, nachdem er ihm zuvor so viel genommen hatte.

      Ron griff nach seinen Collegeblock und kritzelte eine Skizze auf das Papier. Er wollte den Berg in die Mitte seiner Insel einfügen. Am einfachsten schien es ihm, die Grundfläche der Insel entsprechend zu vergrößern. Also berechnete er grob die Ausmaße der geplanten Anhöhe und gab die Daten in sein Programm ein. Prompt entstand in der Mitte des Dschungels ein grauer Fleck. Einige Tastenanschläge später erhob sich an dieser Stelle ein mächtiger Berg. Ron ließ ihn fürs Erste kahl – die Eigendynamik der virtuellen Pflanzenwelt würde ihn schon bald begrünt haben. Stattdessen konzentrierte er sich auf das Innere des Berges. Er suchte auf seinem Rechner nach dem alten Adventure. Natürlich konnte er es nicht einfach in den Programmcode kopieren, weil er seinerzeit mit anderen Grafikstandards auskommen musste, aber zumindest brauchte er das Rad nicht neu zu erfinden, sondern konnte sich an seinen alten Entwürfen orientieren. Nach und nach entstand ein Höhlenlabyrinth, in dem es für Jonte jede Menge zu entdecken gab.

      Als Ron den Rechner endlich herunterfuhr, graute draußen bereits der Morgen. Müde erhob er sich von seinem Bürostuhl und schlurfte ins Badezimmer. Dieser Tag war ziemlich lang gewesen. Bevor er selbst ins Bett ging, warf er noch einen zärtlichen Blick auf seinen friedlich schlafenden Sohn. Es war schön, ihn bei sich zu haben, und er freute sich schon jetzt darauf, Jonte die neuen Erweiterungen der Spielwelt entdecken zu lassen.

      Er ging in sein Schlafzimmer, legte sich ins Bett und wartete auf den Schlaf. Es dauerte eine Weile, bis seine überreizten Nerven zur Ruhe kamen und plötzlich fiel ihm ein, dass Jonte Angst im Dunkeln hatte. Wäre eine Höhle wirklich der geeignete Spielplatz für ihn, selbst wenn sie nur virtuell war? Aber ehe er den Gedanken zu Ende denken konnte, hatte der Schlaf ihn übermannt.

      Kurz darauf, wie es ihm schien, wurde er unsanft von Jonte geweckt, der energisch an seiner Bettdecke zog. „Aufstehen, Papa! Ich will Alf besuchen!“

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