Название: X-World
Автор: Jörg Arndt
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783865068736
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Ron rief sein Building-Tool auf. Der Monitor wurde schwarz. Lediglich ein aufgeregt blinkender Unterstrich zeigte an, dass der Computer auf Eingaben wartete.
„Es werde Licht“, murmelte der Programmierer, während seine Finger über die Tastatur flogen.
Zuerst erschien eine endlose Wasserfläche. Ein weiterer Befehl ließ darin eine Insel aufsteigen. Ron legte die Parameter fest. Ein Quadratkilometer sollte für den Anfang genügen. An der Küste ein tropischer Traumstrand, im Landesinneren ein paradiesischer Garten …
Ron klickte und tippte und ging in seinem Werk völlig auf. Die Uhrzeit und der Rhythmus der Umwelt hatten jegliche Bedeutung verloren. Gelegentlich aß und trank er, ohne darauf zu achten, was er zu sich nahm. Er liebte diese rauschhaften, schöpferischen Phasen und wollte sie so lange wie möglich auskosten. Doch irgendwann konnte er die Augen nicht mehr offenhalten. Sie brannten vom kalten Licht des Monitors.
Ron schickte den Computer in den Energiesparmodus und legte sich auf den Teppich in seinem Arbeitszimmer, um einen Augenblick zu entspannen. Bloß keine Zeit verschwenden. Man musste am Ball bleiben, wenn der Kreativitätsstrom floss.
Nach wenigen Stunden traumlosen Schlafes wachte er auf. Wie in Trance putzte er sich den unangenehmen Geschmack von den Zähnen, ließ den Kaffeeautomaten eine extra starke Portion aufbrühen und setzte sich zurück an den Schreibtisch.
Als er den Computer aufweckte, blieb der Bildschirm dunkel. Erst vermutete Ron eine Systemstörung, aber dann wurde ihm klar, dass in der jungen Welt Nacht herrschte. Er machte sich an die Arbeit, und bald erstrahlte ein wunderschöner Sternenhimmel über der tropischen Insel. Ein untergehender Mond spendete gerade so viel Licht, dass man sich problemlos orientieren konnte.
Ron war begeistert. Seine Schöpfung gefiel ihm. Aber noch wirkte sie trotz der Palmen, die sich sanft im Wind bewegten, kalt und unbelebt.
Das lässt sich ändern, dachte er. Fangen wir mal mit dem Meer an. Das ist die größte Fläche.
Als er fertig war, durchschnitt eine Gruppe Delphine die Wellen und umrundete mit ihren Sprüngen die Insel. Sie jagten glänzende kleine Fische, die den Ozean bevölkerten.
Zufrieden wandte Ron sich dem Land zu. Auch hier konnte er einige Dateien aus früheren Projekten verwenden, und so dauerte es nicht lange, bis die virtuelle Karibikinsel von fröhlichem Vogelgezwitscher erfüllt war.
Wirklich nicht schlecht, lobte er sich und ließ den Computer die Telefonnummer des Pizzadienstes wählen. Er hatte keine Ahnung, wie spät es mittlerweile war, aber das spielte keine Rolle, schließlich boten sie einen 24-Stunden-Service an.
Mit einem Stück Pizza im Mund machte er sich daran, die Landlebewesen zu programmieren. Wieder griff er auf vorhandene Vorlagen zurück, die er mit wenigen Befehlen in das aktuelle Projekt übernahm. Für den Tiger aber nahm er sich Zeit. Er sollte das Glanzlicht seiner Schöpfung werden. „Schärfer als die Realität“, meldete sich ein Werbespot aus Kindertagen in seinem Hinterkopf zu Wort. Das beschrieb sein Ziel ziemlich gut.
Es dauerte lange, bis die Texturen und Bewegungen seinen Ansprüchen genügten. Aber endlich beobachtete er mit Stolz, wie die Raubkatze geschmeidig durch den Dschungel schlich. Ihr Fell glänzte in der Sonne, und ihr Brüllen schreckte Schwärme von Vögeln auf. Ron fand, dass er noch niemals ein besseres Ergebnis abgeliefert hatte. Er war schon jetzt sehr zufrieden mit dem Projekt. Wenn das seine Auftraggeber nicht begeisterte, war ihnen nicht zu helfen. Nun war es an der Zeit, ins Bett zu gehen.
Diesmal schlief er sehr unruhig. Er träumte, dass er unterwegs zum Termin war, um die Demo vorzustellen. Den Laptop fest an die Brust gepresst, irrte er durch eine fremde Stadt auf der Suche nach der richtigen Adresse. Die Straßen waren endlos lang, trostlose Schluchten zwischen himmelhohen Bürogebäuden aus Glas und Beton, an denen es weder Hausnummern noch Eingänge gab. Allmählich wurde es dunkel, doch Ron fand niemanden, der ihm den Weg zeigen konnte. Er lief und lief, bis er schließlich aufgab und sich erschöpft auf eine Bank sinken ließ. Verzweiflung übermannte ihn – diese Präsentation war die Chance seines Lebens, aber er hatte versagt. Mal wieder.
Übergangslos befand er sich mitten in seinem Spiel. Er sah Jonte, der auf dem Tiger ritt und fröhlich lachte. „Deine Welt ist prima geworden, Papa!“, jauchzte er. Plötzlich tauchten Soldaten mit Schnellfeuergewehren auf. Sie wirkten, als wären sie aus einem Ego-Shooter entsprungen. Wortlos hoben sie ihre Waffen und eröffneten das Feuer auf Jonte und den Tiger. Ron schrie auf. Er wollte losrennen, um sie daran zu hindern, doch er kam nicht von der Stelle.
Schweißgebadet fuhr er hoch.
Die Zeiger seiner Taschenuhr – ein Erbstück seines Großvaters – standen auf Viertel nach vier. Er konnte beim besten Willen nicht sagen, ob es Nacht oder Nachmittag war. Die Rollos hielten das Außenlicht komplett zurück. Ron stand benommen auf, versuchte, die letzten Traumfetzen abzuschütteln, ging hinüber in das Arbeitszimmer und startete den Rechner.
Die Systemuhr zeigte 04 : 17 – demnach war es früher Morgen. Der vierte Tag seiner Schöpfung begann.
Gute Leistung, dachte er zufrieden. Eine ganze Welt in weniger als einer Woche zu erschaffen, das sollte ihm erst einmal jemand nachmachen. Die Beklemmung des Albtraums fiel endgültig von ihm ab. Er suchte das Bad auf, holte sich einen Kaffee und ging wieder an die Arbeit. Bisher hatte er auf Erfahrungen mit früheren Spielwelten zurückgreifen können. Nun kam etwas Neues für ihn. Sein Sohn hatte sich einen Spielkameraden gewünscht. Es würde also Menschen auf dieser Insel geben – für den Anfang zwar nur einen, aber immerhin. Das war nicht so einfach.
Die Bots, die Ron plante, sollten täuschend echt wirken. Dazu musste er Denkprozesse simulieren, vielleicht sogar eine Art Unterbewusstsein erschaffen, damit die Handlungen und Äußerungen der Figuren nicht allzu vorhersehbar und hölzern erschienen.
Diese Aufgabe faszinierte ihn schon seit seinem Psychologiestudium. Es gab einen dicken Aktenordner mit Entwürfen zu diesem Thema. Bislang hatte er allerdings noch keine Gelegenheit gefunden, sie zu verwirklichen – unter anderem, weil die Rechnerkapazitäten zu seinen Studienzeiten dafür nicht ausgereicht hatten. Mittlerweile aber war das kein Problem mehr. Der durchschnittliche Anwender verfügte heute über Prozessorleistungen, von denen man zehn Jahre zuvor selbst an den Universitäten nicht einmal hatte träumen können.
Er vertiefte sich in seine Arbeit. Der virtuelle Freund, den er für seinen Sohn programmieren wollte, sollte das geistige Niveau eines Schulanfängers bekommen. Das vereinfachte die Sache. Wie in Trance hämmerte Ron Befehle in das System. Das jahrelange Nachdenken kondensierte zu Programmcode. Es floss aus seinen Fingerspitzen in die Tastatur, als hätte alles in ihm nur darauf gewartet, diese Pläne endlich umzusetzen.
Die Türklingel war unangenehm laut.
Ron brauchte einen Augenblick, um das Geräusch einzuordnen, und vergaß es sogleich wieder. Sein Prototyp befand sich bereits im Alphastadium und war fast fertig. Er musste nur noch …
Es klingelte erneut.
Missmutig stand der Programmierer auf und stakste zur Tür. Das stundenlange Sitzen hatte seine Gelenke steif werden lassen. Als er öffnete, sah er einen Mann in brauner Uniform vor sich, der ein großes СКАЧАТЬ