Название: Das Versprechen der Nonne
Автор: Robert Storch
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783961400874
isbn:
„Niemand, Herr, ich schwöre es. Mit dem Mord haben wir nichts zu tun.“
Wulfhardt holte mit dem Schwert aus. Der Mann schrie auf, die Klinge sauste auf das Mädchen nieder, mit einem Streich schnitt er den Haarschopf ab.
Kreischend rannte das Mädchen weg, doch Wulfhardt bekam es zu fassen.
Der Mann fiel mit den Knien in den Dreck und faltete die Hände. „Bitte, Herr, glaubt mir doch …“
„Du hast die Wahl!“, donnerte Wulfhardt. „Entweder du deutest auf den Mann, der meinen Bruder ermordete, oder der nächste Schwertstreich trifft den Hals!“
Ein Rotkehlchen trällerte einsam über die Lichtung. Wulfhardt hob den Schwertarm, der Heide hob flehend die Hände. Da mischte sich plötzlich seltsames Gemurmel in das Trällern: Eine Prozession verschleierter Frauen erreichte die Lichtung. Acht Nonnen hielten die Handflächen zum Gebet aneinandergepresst. Die vorangehende Nonne murmelte etwas; ihre Worte klangen wie die lateinischen Formeln, die er während der Messen sprechen musste, ohne sie zu verstehen. Die folgenden Nonnen murmelten die Worte nach. Bange fragte sich Wulfhardt, ob sie mit diesen Worten Mächte anriefen, die er nicht kannte. Eine der Frauen − die kleinste − trug keinen Schleier, sondern ein Kopftuch, an dessen unterem Rand Locken hervorspitzten. Sie sah auf den ersten Blick aus wie ein Kind. Doch auf den zweiten Blick ließen die Locken eine Wildheit erahnen, die nicht mit dem züchtigen Kopftuch harmonierte, ebenso wenig wie die sinnlich geschwungenen Lippen. Wulfhardt starrte sie an. Die Wangenknochen überzog eine feine Röte, wahrscheinlich war sie Hals über Kopf durch den Wald gehetzt.
Wer hatte sie gerufen?
Noch immer Gebete murmelnd, schaute die Nonne auf und bemerkte seinen Blick. Hastig wandte er die Augen von ihr ab. Zusammen mit den anderen Nonnen blieb sie drei Schritte vor ihm stehen, nur die vorderste kam zu ihm heran. Ihr Köpfchen verschwand beinahe unter dem Schleier, und der Umhang fiel an ihr hinab wie an einer Vogelscheuche; an ihrem Gürtel hingen viele kleine Amphoren. Sie bekreuzigte sich und trat zwischen ihn und das Mädchen ohne Haarschopf. Sie sprach fast im Flüsterton in seiner Sprache, aber mit fremdem Einschlag: „Ich, Walburga, Äbtissin des Klosters von Heidenheim, entbiete Euch meinen Gruß, edler Bischof Wulfhardt. Ich komme eiligen Schrittes, um Euch vor einem entsetzlichen Fehler zu bewahren. Ich war oft zu Gast bei den guten Menschen, die hier jahraus, jahrein die Felder pflügen, und habe ihnen das Evangelium Jesu Christi verkündet. Sie sind friedfertig, bald werden sie die heilige Taufe empfangen. Wahrlich, das Samenkorn, welches ich unter diesen arbeitsamen Menschen aussäte, fiel auf gutes Land und wird hundertfach Frucht bringen.“
Wulfhardt gewahrte, wie lächerlich die Situation war: Ein paar Nonnen wollten ihn aufhalten! Er deutete mit dem Schwert auf die Dorfbewohner. „Der Mörder meines lieben Bruders versteckt sich unter diesen Heiden! Sie haben den Machtsitz meiner Familie überfallen, mitten in Friedenszeiten!“ Die Stimme kippte, so stark schien es ihn zu schmerzen. Als er sich gesammelt hatte, rief er: „Und nun verschwindet, damit die Schwerter für Gerechtigkeit sorgen!“
Walburga bekreuzigte sich. „Eure aufrichtige Trauer rührt mein Herz, edler Bischof Wulfhardt. Möge Gott, der Herr, Euch dies dereinst vergelten. Indessen trübt der Schmerz Euer Urteil. Ich bitte Euch, lasst ab von diesen unschuldigen Geschöpfen Gottes und handelt, wie die Schrift es uns lehrt: Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“
Wulfhardt tat die Bemerkung mit einem Schwertstreich durch die Luft ab. „Ihr glaubt, Ihr kennt die Heiden, weil Ihr sie ein Mal besucht habt. Aber die Heiden sind falsch und tückisch.“ Er deutete zum Himmel. „Mein Bruder ist mein Zeuge! Was wisst Ihr schon. Ihr seid über das Meer gesegelt, dort drüben auf eurer Insel mögt Ihr Euch auskennen. Jedoch von der Gegend hier habt Ihr keine Ahnung. Die Ungläubigen muss man bekämpfen, sie kennen nur die Sprache des Schwerts! Diese Schänder sollen gefesselt und der ewigen Verdammnis unterworfen sein, in der untersten Hölle sollen sie schmoren und mit dem Teufel und allen Gottlosen leiden!“
Die Nonne mit dem Kopftuch trat neben Walburga. Am Akzent merkte Wulfhardt, dass sie auch von dieser Insel im Norden kam. „Der heilige Paulus war ungläubig, bevor Jesus ihn bekehrte, genau wie diese Menschen. Paulus hat Erbarmen gefunden für seine Zeit im Unglauben.“
Das Gerede der Nonne regte ihn auf. Mit ihrer verhüllten Wildheit hatte sie ihn abgelenkt, nur ihretwegen hatte er sich überhaupt in dieses Gespräch verstrickt. Er betastete das Säckchen an seinem Gürtel mit den giftigen Eibennadeln darin, mit denen man Probleme – wie diese Nonne – aus der Welt schaffen konnte. Er richtete das Schwert auf sie. „Ihr wollt mich belehren, dabei kommt ihr von weit her und gehorcht einem Bischof aus einem fremden Land. Aber wir brauchen keinen Bischof aus Rom, der uns reinredet. Ihr preist euch als Missionare, dabei bekehrt ihr nur Christen zu Christen und schützt die Ungläubigen.“
Die Nonne wich nicht vor dem Schwert zurück. „Euer Bruder war anderer Meinung. Er wollte dem Ruf Jesu folgen und sich der einen, römischen Kirche anschließen.“
Wulfhardt merkte, dass es ein Fehler gewesen war, sich auf die Diskussion einzulassen. Doch nun war es zu spät. Die Männer, die er auf die Lichtung geführt hatte, folgten dem Disput mit in die Hüften gestemmten Händen. Er ging zum Angriff über. „Mit eurem Hexenwerk habt Ihr meinen lieben Bruder geblendet! Aber er hatte sich längst besonnen. Nie hätte er sich dem Bischof von Rom unterworfen!“ Er deutete gen Himmel, wo sich die Wolken verdunkelten. „Dafür rufe ich meinen Bruder zum Zeugen an!“
Walburga öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch die Nonne mit dem Kopftuch kam ihr zuvor: „Die Nachricht der Gräueltat erfüllte unsere Herzen mit Trauer um all die guten Menschen, die das Schwert der Räuber aus dem Leben gerissen hat. Wir beteten für ihre Seelen, auf dass sie Ruhe finden in Ewigkeit. Doch wer ist es, der für das jähe Ende ihrer Leiber hier auf Erden verantwortlich zeichnet?“ Über ihrer feinen Nase gruben sich tiefe Falten in die Haut. „Könnte es derjenige sein, der aus ihrem Tod den größten Vorteil zieht? Sagt, gedenkt Ihr, die Stellung Eures Bruders als Graf einzunehmen? Gott sei Euch gnädig, Bischof Wulfhardt, denn seid gewiss: Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse.“
Wulfhardt schnappte nach Luft, fassungslos darüber, dass diese Nonne mit dem Kopftuch ihm und seinem Schwert die Stirn bot − mit nichts anderem als Worten! Er zeigte mit der Schwertspitze auf die Nonne und schrie außer sich: „Bleib mir gestohlen mit deinen Weiberfabeln! Ich liebte meinen Bruder! Und nun tretet zurück, bevor der Zorn der Streiter Gottes sich auch gegen euch richtet!“
Sechs Nonnen wichen zurück, nur Walburga und die Nonne mit dem Kopftuch rührten sich nicht. Immer noch pressten sie die Handflächen wie zum Gebet aneinander. Mit durchdringender Stimme hob Walburga an: „Gott hat seine Augen und Ohren überall, er sieht und hört alles! Auch zu dieser Stunde blickt er auf uns herab. Er sieht jede Missetat. Und er wird jeden für seine Missetaten dereinst bestrafen, ebenso wie er diejenigen, die ohne Schuld sind, belohnen wird.“ Sie reckte den Arm nach oben und streckte einen knorrigen Zeigefinger gen Himmel. „Seht Euch vor, edler Wulfhardt, denn bald wird ER seine Stimme erheben!“
Ein Donnerschlag zerriss in diesem Moment die Luft.
Wulfhardt fuhr zusammen. Der Schreck lähmte seine Glieder und Gedanken.
Nur die gemurmelten Gebete der Nonnen durchbrachen die Stille.
Wulfhardt wandte sich an seine Männer. „Streiter Gottes …“ Er merkte, dass die Stimme zitterte, und vergaß, was er sagen wollte. War der Donnerschlag, von Walburga vorhergesagt, nicht ein eindeutiges Zeichen der Götter? Zoll für Zoll dämmerte ihm die bittere Erkenntnis: Die Götter verwarfen seinen Plan, stellten СКАЧАТЬ