Название: Das Versprechen der Nonne
Автор: Robert Storch
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783961400874
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Drei weitere Reiter hatte er um sich gesammelt, sie schwärmten aus und umstellten Gerold: In einem Halbkreis standen sie vor ihm, hinter sich hatte er den Großen Saal.
Gerold erkannte, dass sie ihn dort hineindrängen wollten. Er blieb stehen.
Für einige Augenblicke stand alles still. Gerold dachte, sie könnten ihn zur Aufgabe auffordern, um später für ihn Lösegeld auszuhandeln.
Aber niemand sagte ein Wort.
Er ahnte: Sie wollten keine Münzen, sondern sein Leben. Er spürte eine unsichtbare Hand, die sich um seinen Hals legte und die Kehle zudrückte.
Ein Wunder, dachte er, ich brauche ein Wunder.
Als würde sein Flehen erhört, stach ihm seine Franziska ins Auge: Sie steckte noch im Rücken des Reiters. Gerold hechtete zu ihr, warf das Schwert weg, riss die Franziska aus dem Rücken und schleuderte sie auf den Lanzenreiter.
Der Reiter riss den Schild hoch, krachend prallte die Franziska daran ab.
Der Lanzenreiter lachte leise.
Schritt für Schritt kamen die vier Reiter näher.
Gerold nahm das Schwert wieder vom Boden auf. Erneut spürte er die unsichtbare Hand an seinem Hals. Er wusste, dass er in den Großen Saal fliehen musste. Aber was, wenn sie ihn anzünden würden?
Verzweifelt suchte er einen Ausweg, irgendeine Möglichkeit zur Rettung, ein Wunder − und erspähte zwei Eisenringe im Boden. Sie gehörten zur Falltür, die in das Gefängnis führte.
Noch zehn Schritte war der Lanzenreiter entfernt.
Gerold rannte zur Falltür.
Der Lanzenreiter stieß seinem Pferd die Fersen in die Flanken.
Gerold warf den Schild weg, zog die Falltür an den Eisenringen auf und warf das Schwert hindurch.
Er sah den Lanzenreiter nicht, hörte nur das Donnern der Hufe, befürchtete, jeden Moment die Lanzenspitze in seinem Rücken zu spüren.
Dann sprang er in das Loch. Er sah den Boden nicht kommen, ohne Vorwarnung knallte er auf Knie und Ellbogen. Gerold stöhnte, zog den modrigen Geruch durch die Nase. Er zitterte am ganzen Körper. Ist das alles wahr?, fragte er sich. Nein, das kann unmöglich wahr sein. Mein kleines Schwesterherz, sie kann nicht …
Draußen landete einer der Reiter auf seinen Füßen. Schritte näherten sich.
Gotteszeichen
2. KAPITEL
Wulfhardt hielt die Lanze in der rechten Hand im Anschlag. Er lugte über den Schild, während er sich an die geöffnete Falltür wagte. Dort unten, im Dämmerlicht, streckte Gerold ihm das Schwert entgegen. Die Schwertspitze vibrierte vom Zittern der Hand.
Der ist am Ende, dachte Wulfhardt. Er nahm den Helm ab. Abendluft kühlte sein Gesicht, das sich unter dem Metallschutz erhitzt hatte. Die Kettenglieder, die den Nacken schützen sollten, klimperten. „Sieh an, der Bastard meines Bruders.“
Gerolds Schwertarm versagte für einen Augenblick die Arbeit. Er sank.
Wulfhardt lachte. Ausgerechnet Gerold, Liebling des Grafen und der Mädchen, ausgerechnet er hatte Angst. Gerold war Wulfhardt nie geheuer gewesen: Da war diese absonderliche blonde Strähne, sie zog sich über der Stirn mitten durch die hellbraunen Haare. Und dann seine Angewohnheit, mit der Franziska, einem Bauernwerkzeug, auf die Jagd zu gehen! Doch jetzt hielt er keine Franziska in seinen Händen, und in seinen hellblauen Augen spiegelte sich Entsetzen.
Gerold reckte ihm das Schwert wieder entgegen. Die Schwertspitze berührte das über ihm baumelnde Seil, mit dessen Hilfe man sich aus dem Gefängnis zog. Das andere Ende des Seils war neben Wulfhardt an einen Holzpfosten geknotet.
Wulfhardt beugte sich hinunter und griff das Seil. Er wartete, bis Gerold merkte, dass Wulfhardt ihm seine einzige Möglichkeit nahm, das Gefängnis zu verlassen. Erst als Gerolds Hand nach oben zuckte, um das Seil zu fassen, zog Wulfhardt es hoch. „Leb wohl, Neffe.“ Er warf das Seil neben den Holzpfosten und schloss die Falltür.
Wulfhardt drehte sich zu seinen Reitern um. Zwei von ihnen hatten Fackeln entzündet. Er nickte. „Zündet den Saal an!“
Das Reetdach entflammte sofort, bald fraß sich das Feuer durch das Flechtwerk an der Außenwand und schließlich in die hölzernen Pfosten, die Wände und Dach trugen. Die Menschen, die aus dem Saal brachen, rannten in die Schwerter der Reiter. „Tötet jeden!“, rief Wulfhardt seinen Reitern zu. „Niemand darf entkommen!“ Im Westen färbte sich der Himmel blutrot. Wulfhardt strich sich über den lang herabhängenden Schnurrbart, während seine Augen einer Magd folgten, die mit brennenden Haaren aus dem Saal rannte und kreischte. Er erinnerte sich, dass er in diesem Saal bei der Abendtafel nie an der Stirnseite hatte sitzen dürfen. Der Platz dort war für seinen Bruder reserviert gewesen. Aber der Pfeil, den er seinem Bruder in die Brust geschossen hat, hatte alles verändert. Ein süßes, befriedigendes Rachegefühl durchfuhr ihn bei dem Gedanken daran.
Kurz dachte er an all die Demütigungen, die er erfahren hatte, während er mit seinem Bruder zusammen hier am Hofe aufgewachsen war. Zum Beispiel an die Schlacht gegen die Baiern vor vielen Jahren, als Vater noch geherrscht hatte. Sowohl Wulfhardt als auch sein Bruder hatten jeweils eine eigene Einheit befehligt. Plötzlich war er von Feinden eingekreist gewesen, hatte Vater ihm doch die unerfahrensten Leute unterstellt. Ausgerechnet sein Bruder hatte ihn aus der Umklammerung der Feinde befreit und dafür das Lob seines Vaters bekommen. Wulfhardt hatte sich − welch eine Demütigung! – anschließend sogar bei seinem Bruder für die Hilfe bedanken müssen. Hätten sie ihm nur einen Moment länger gegeben, so wäre er selbst in der Lage gewesen, sich zu befreien. Als ob sein Bruder nur darauf gewartet hätte, die Situation für sich zu nutzen.
Und das war nur der Gipfel eines ganzen Berges voller Demütigungen, unter dem seine Eltern und sein Bruder ihn in all den Jahren begraben hatten. „Dein Bruder konnte das schon in deinem Alter.“ Wie oft hatte er diesen Satz von seinem Vater oder dem Priester hören müssen, der ihm Schreiben und Lesen beibrachte?! Oder seine Mutter, die oft ihr Bedauern darüber äußerte, mit dem zweiten Sohn nicht so viel Glück gehabt zu haben wie mit dem ersten. Natürlich nur, wenn sie dachte, dass er es nicht mitbekäme.
So hatte es ihn nicht gewundert, dass Vater ihm im Testament nur die Bischofswürde zugesprochen hatte. Damit war Wulfhardt verdammt gewesen, eine kirchliche Laufbahn einzuschlagen und jeden Tag einen Mann aus einem unbedeutenden Stamm zu ehren, der in einem Stall geboren und wie ein Verräter ans Kreuz geschlagen worden war. Sein Bruder dagegen war zum Grafen ernannt worden. In seinem Letzten Willen hatte Vater ihm zu verstehen gegeben, dass er nur Messen lesen konnte, mehr nicht. Dennoch hatte es auch hier sein lieber Bruder verstanden, die Wunde noch tiefer zu reißen. Denn im Ton unendlicher Großherzigkeit hatte er vor dem versammelten Grafenhof verkündet, er werde den Letzten Willen des Vaters respektieren und seinen Bruder in das Bischofsamt einführen. Damit hatte er ihn zum Bischof von seinen Gnaden degradiert, trotzdem hatten die Menschen diesen Heuchler für seine Großzügigkeit gepriesen. Nur Mutter nicht. Sie hatte es für einen Fehler gehalten, Wulfhardt auch nur zum Bischof zu ernennen. Zum Glück war sie vor zwei Jahren gestorben. Natürlich hatte Wulfhardt sich seine Freude nicht anmerken lassen, sondern an ihrem Grab eine Lobrede auf sie gehalten, die einige der Frauen sogar zu Tränen gerührt hatte.
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