Der Penis-Komplex. Gerhard Staguhn
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Название: Der Penis-Komplex

Автор: Gerhard Staguhn

Издательство: Автор

Жанр: Социальная психология

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isbn: 9783866746534

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      Der traditionelle Kanon der ›Männlichkeit‹, der bei uns bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts gültig war, speiste sich dementsprechend aus dem Militärischen. Der ideale Mann (auch für die Frau) war der soldatische, freilich nicht in Gestalt von ›Schütze Arsch im letzten Glied‹– gemeint ist eigentlich: Schütze Arsch mit kleinstem Glied –, sondern in der des Offiziers. Der junge, fesche, immer etwas steife Leutnant in seiner stramm sitzenden, die Körperformen mitsamt den Geschlechtsteilen stark betonenden Uniform, erfreute sich bei Frauen jeden Alters und aller Gesellschaftsschichten besonderer Beliebtheit. Der soldatische Mann verkörperte Härte, Standhaftigkeit, Stehvermögen, Geradlinigkeit, Unbeugsamkeit und Durchsetzungsvermögen – alles Attribute, die auch den Phallus auszeichnen. Nach dem Zweiten Weltkrieg machten die deutschen Verlierer-Frauen keinen Hehl daraus, dass sie die amerikanischen Soldaten in ihren ›schneidigen‹, perfekt sitzenden Uniformen ungemein attraktiv fanden. Das hatte natürlich auch damit zu tun, dass die Amerikaner mit der phallischen Potenz des Siegers auftreten konnten, während den eigenen Männern nichts anderes übrig blieb, als ihre böse versengten Verlierer-Schwänze einzuziehen. Sie hatten den Kürzeren gezogen. Mit dem ›Kürzeren‹ ist nichts anderes als der kürzere Penis gemeint.

      Der phallische Degen, die phallische Pistole, das phallische Gewehr und nicht zuletzt die zu Hochglanz gewichsten phallischen Schaftstiefel trugen zu allen Zeiten das Ihrige dazu bei, die Figur des Soldaten sexuell aufzuladen, gerade auch, was die latent-homosexuellen Aspekte der Kameradschaft in den Mannschaften betrifft. So verwundert es nicht, dass der Begriff ›Wichsen‹ (für Onanieren) in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs geprägt worden ist.

      Die Penisbezogenheit des Mannes korrespondiert auf fast schon tragikomische Weise mit der Allgegenwart des Phallischen in der Welt. Der Penis, so meinte Sigmund Freud, »findet symbolischen Ersatz erstens durch Dinge, die ihm in der Form ähnlich, also lang und hochragend sind, wie: Stöcke, Schirme, Stangen, Bäume, und dgl. Ferner durch Gegenstände, die die Eigenschaft des In-den-Körper-Eindringens und Verletzens mit dem Bezeichneten gemein haben, also spitzige Waffen jeder Art, Messer, Dolche, Lanzen, Säbel, aber ebenso durch Schießwaffen: Gewehre, Pistolen und den durch seine Form so sehr dazu tauglichen Revolver. In den ängstlichen Träumen der Mädchen spielt die Verfolgung durch einen Mann mit einem Messer oder einer Schußwaffe eine große Rolle«. (Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, Lizenzausgabe 1933, S. 165) Diskret umgeht Freud ein Faktum, das ihm als Sexualforscher zweifellos vertraut war: dass der Penis nicht nur einen »symbolischen Ersatz« in phallischen Gegenständen findet, sondern manche dieser Gegenstände sich für die Frau als praktische Masturbations-Instrumente geradezu aufdrängen. Freuds Diskretion mag auch der Grund dafür gewesen sein, dass er zwar »Stöcke, Schirme, Stangen« nennt, aber die dem Penis wesentlich ähnlicheren Gemüse- und Obstsorten geflissentlich übergeht, von der Vielfalt phallischer Wurstsorten ganz zu schweigen.

       Stolz und Komik der Erektion

      Woher kommt es eigentlich, dass ein nackter Mann, der stehenden Glieds im Raum steht, bei allem erektilen Begattungsernst einer gewissen Komik nicht entbehrt? Vielleicht, weil der nackte Mann, wenn er mit seinem Phallus posiert, nicht merkt, dass dieser, mehr als es dem Manne recht sein kann, mit ihm posiert. Da wedelt symbolisch der Schwanz mit dem Mann. Und hat, diese Urkomik verstärkend, ein nackt dastehender erigierender Mann nicht etwas von einem minimalistischen Kleiderständer? Wer hat als junger Kerl, als die Erektion noch steil nach oben zeigte, der Geliebten nicht dadurch zu imponieren versucht, dass er die soeben ausgezogenen Kleidungsstücke an seinen Ständer hängte – und dieser spielend der Last widerstand. Besonders gut machte sich ein Hut, vielleicht auch deshalb, weil der Hut in der Traumsymbolik selbst für den Penis steht. Doch am komischsten wirkt ein nackter Mann mit Erektion, sobald er damit den Raum durchquert: Dann trägt er seinen Phallus wie eine Pflugschar vor sich her.

      Im Gegensatz zum abstehenden steifen Penis ist der schlaff hängende überhaupt nicht komisch. Er ist nicht mal obszön. Ihm fehlt die Komik des Obszönen, die Obszönität des Komischen. Das gilt zumindest für den privaten Raum. Ja es gilt selbst für den halbprivaten Raum, etwa dem einer öffentlichen Sauna oder eines Nacktbadestrands. Dort tummeln sich schlaffe Penisse zuhauf, ohne dass sie das öffentliche Ärgernis oder gar einen Menschen erregen würden; sie wirken auf geradezu biedere Weise natürlich, also nicht obszön, und – wie alles Natürliche – unkomisch. Aber wehe, es ließe sich ein schlaffer Penis unter lauter bekleideten Menschen sehen, indem er aus dem offenen Hosenschlitz ragte! Mann und Penis wären der Lächerlichkeit preisgegeben.

      Es ist schon bemerkenswert, dass sich ein und derselbe Körperteil von dem Moment an nicht mehr öffentlich zeigen darf, da er ein paar Zentimeter größer wird und sich dabei aufrichtet. Ab einem bestimmten Aufrichtungsgrad gilt er als pornografisch und darf zum Beispiel in jugendfreien Filmen nicht gezeigt werden. Auch in einer öffentlichen Sauna oder am Nacktbadestrand sind Erektionen tabu, wenngleich diese an sich harmlose Erscheinung am männlichen Körper für niemanden eine Gefahr darstellt. Auch ein erigierender nackter Mann bleibt ein nackter Mann. Tatsächlich aber wird so getan, als mutiere er zu einem Schrecken erregenden – oder schrecklich erregenden – Monster. Eigentlich ist nicht die Erektion das Problem, sondern das männliche, insgeheim mit Gewalttätigkeit in Verbindung gebrachte Begehren, das sie überdeutlich und irgendwie bedrohlich zum Ausdruck bringt. Die Frauen sind in dieser Hinsicht fein raus: Falls ihnen danach ist, können sie sich in der Sauna oder am Nacktbadestrand ganz entspannt ihren sexuellen Fantasien hingeben, ohne dass ihr Körper sie auf obszöne Weise verraten würde. Die Frau kann ihre Geilheit – und ebenso ihre Frigidität – sehr gut verheimlichen.

      Nun wurde schon mehrmals das Wort ›obszön‹ gebraucht, aber was ist eigentlich mit diesem Begriff gemeint? Verbirgt sich in ihm womöglich das lateinische Wort scena (= Szene), und zwar in dem Sinn, dass etwas, das im privaten Raum ganz natürlich scheint, in dem Moment Anstoß erregt, da es sich öffentlich präsentiert, also in Szene setzt? So wurden zum Beispiel jene Szenerien im antiken römischen Theater als ›obszön‹ bezeichnet, bei denen sich die Schauspieler, etwa zum Fest der Flora, Riesenphalli aus Leder umbanden und ›auf offener Szene‹ allerlei derb-sexuellen Schabernack trieben. Doch das Wort ›Szene‹ führt uns auf eine falsche Fährte. Tatsächlich leitet sich das Wort obszön nicht von scena, sondern von caenum ab, was Schmutz, Schlamm, Kot und Unflat bedeutet. Obszön ist, was uns abstößt, wobei stets eine dreifache Abneigung gemeint ist: eine körperliche, ästhetische und moralische. Obszön ist, was allgemein als hässlich, unsittlich und eklig empfunden wird. Und das ist meistens dann der Fall, wenn das Sexuelle den privat-intimen Raum verlässt; dieser ist die einzige Bühne, auf der Obszönität inszeniert werden kann, ohne obszön zu sein. Darin zeigt sich die Ambivalenz des Obszönen: In allem Abstoßenden schlummert eben auch eine anziehende Kraft, die nur einer entsprechenden Intimsphäre bedarf, um wirksam zu werden. Das Obszöne ist das Anziehend-Abstoßende.

      Wegen seiner gewitzten Biomechanik zählt der Penis zweifellos zu den originellsten Organen, die die Natur hervorgebracht hat. Seine Verwandlungsmacht hat etwas von Zauberei oder zumindest von der Illusionskunst des Varietés. Der Vorgang verblüfft, ohne dass man ihn für einen Bluff halten müsste. Der Penis führt eine Doppelexistenz; er ist ein Zwitterwesen und gleicht darin weniger einem halbseidenen, mit Tricks arbeitenden Varieté-Künstler als einem Schauspieler, dessen Kunst ja ebenfalls darin besteht, zwei Geschöpfe in einem zu sein. Der Penis, so könnte man sagen, hat eine starke Neigung für die Schaubühne. Dieser zwittrige Mime beherrscht die Fähigkeit, je nach Bedarf seine Gestalt und damit seinen Charakter zu ändern, sich abwechselnd zu entpuppen und zu verpuppen, zwischen Sein und Schein zu wechseln in der Art des Gauklers und Maskenspielers.

      Vielleicht darf man sogar die Behauptung wagen, dass der Penis in seiner zwittrigen Lust zum Masken- und Schauspiel das Zwitterwesen der männlichen Homosexualität verkörpert. Der weiche, schlaff hängende Penis erscheint in seinem ganzen Habitus eher weiblich als männlich, zumindest im Gegensatz zu seiner steifen, aufgerichteten Gestalt, die männlicher nicht sein könnte. Und so korrespondiert das Zwitterwesen СКАЧАТЬ