Der Penis-Komplex. Gerhard Staguhn
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Название: Der Penis-Komplex

Автор: Gerhard Staguhn

Издательство: Автор

Жанр: Социальная психология

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isbn: 9783866746534

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СКАЧАТЬ weiblicher zu männlicher Rolle, wie ja überhaupt bei vielen eine starke Neigung zum Schauspiel, zu Maskerade und Kostümierung zu beobachten ist. Aus all dem wäre der (freilich nicht ganz ernstzunehmende) Schluss zu ziehen, dass der Penis, seinem komödiantischen Doppelwesen gemäß, ein Homosexueller ist. Damit stünde er in schönstem Einklang mit der in jedem heterosexuellen Mann schlummernden Liebe zum eigenen Geschlecht.

      Mit etwas Übertreibung könnte man beim Anblick einer zügig sich entfaltenden Erektion nicht nur von einem Schauspiel, sondern von einem Mysterium sprechen – wenn man nicht wüsste, wie eine Erektion rein biomechanisch funktioniert, nämlich ziemlich einfach. Die Biologie spricht von einer reflektorischen Anschwellung, Aufrichtung, Vergrößerung und Versteifung des männlichen Glieds durch Blutzufuhr in dessen Schwellkörper bei gleichzeitig vermindertem Abfluss des Bluts. Man kennt diesen Effekt von am Boden liegenden Gartenschläuchen: Diese richten sich auf und wedeln schwanzartig in der Gegend herum, sobald mehr Wasser in sie einschießt, als an der Öffnung entweichen kann. Wie der unter Überdruck stehende Gartenschlauch, so scheint auch der sich in Erektion befindliche Penis ein Eigenleben zu führen. Und in gewisser Weise stimmt das auch. Er versteift sich ja nicht durch den Willen seines Eigentümers, und ist durch diesen auch nicht zu kontrollieren. Gegenüber dem Mann hat der Penis auf dem Gebiet des Sexus immer das letzte Wort – und eigentlich auch das erste. Wohl deshalb sind die Männer geneigt, in Sexualdingen jede Verantwortung für dieses eigenwillige und eigenständige Lebewesen zwischen ihren Beinen abzulehnen.

      Wegen seiner Fähigkeit zur Eigenbewegung hat der Penis in der Tat etwas von einem primitiv gebauten Weichtier. Es kann anschwellen und sich dabei langsam aufrichten, wobei es sich pulsierend und nach oben schraubend um seine Basis dreht. Es kann auf verzückende Weise in Zuckungen verfallen, kann einfache Schlenkerbewegungen ausführen oder wie zustimmend nicken. Es kann sich erschöpft niederlegen und in sich zurückziehen, ›einen auf introvertiert oder beleidigt machen‹, um sich kurz danach erneut aufzurichten und in freudiger Erwartung dazustehen – gewissermaßen ein mit sich selbst wedelnder Schwanz. Auch das Skrotum zeigt diese Lebendigkeit, allerdings weniger augenscheinlich. Man muss schon genauer hinsehen, um zu bemerken, wie sich die Hoden in sanftem Fließen gegeneinander bewegen wie kleine, in ein Täschchen eingeschlossene Tiere.

      Manchmal steht der Penis völlig unmotiviert einfach so in der Gegend herum, zumeist morgens beim Aufwachen, ohne dass der dazugehörige Mann eine sexuelle Erregung verspürte. Das nennt man salopp eine Morgenlatte. Hierfür reicht der mechanische Druck der vollen Harnblase gegen die Prostata. Nicht selten führt das dazu, dass, spätestens unter der Morgendusche, die Erregtheit des Penis auf den Mann überspringt. Dann, so könnte man sagen, wird der Mann von seinem eigenen Penis verführt.

      Dies alles bedenkend, erscheint der Penis als jenes Körperglied des Mannes, dem man fast schon eine Art von Charisma zusprechen möchte. Dieses fließt ihm freilich erst im Anschwellen, Versteifen und Aufrichten zu. ›Charisma‹ meint ja ursprünglich nichts anderes als eine Gnadengabe, wie sie etwa einem religiösen Propheten oder weltlichen Herrscher von Gott als eine Art göttliche Berufung zuteil werden kann. Die Erektion ist das Charisma des Penis, sie ist seine auf Hingabe zielende Begabung, seine Berufung. Umso schwerer wiegt sein Versagen. Es vernichtet schlichtweg das Männlichste am Mann.

      Viertes Kapitel

      Der berühmteste Penis der Kunstgeschichte

      Der Penis hat, in der Art des altrömischen Gottes Janus, zwei Gesichter: ein langweiliges, weil schlaff hängendes, und ein aufregendes, weil markant aufragendes. Dieses Vermögen, sein Gesicht – und damit seinen Charakter – von Grund auf und je nach Bedarf zu wechseln, verleiht ihm nicht nur Charisma, sondern auch einen Hauch von Geheimnis. Denn jedes Geheimnis ist janusköpfig.

      Umso erstaunlicher, dass der Penis es allein in Gestalt des schlaffen Würstchens zu ästhetischem Ruhm gebracht hat. Phalli kommen, zumindest seit der griechischen und römischen Antike, in der abendländischen Bildenden Kunst nicht vor. Selbst der patriarchalische Wahn der alten Griechen ging nicht so weit, den idealen nackten Männerkörper, der für sie ohnehin ein Knabenkörper war, mit erigiertem Penis darzustellen. Zumindest sind solche Werke nicht überliefert. Hingegen gibt es unzählige antike Darstellungen von Phalli, mit denen göttliche oder halbgöttliche Gestalten im Gefolge des Weingottes Dionysos ausgestattet sind, voran der bocksfüßige Hirtengott Pan oder die Fruchtbarkeitsgötter Priapos, Satyr und Silen.

      Die klassischen griechischen Darstellungen von nackten Göttern und Heroen, etwa eines Ares, Herakles, Theseus oder Achilles, zeigen nicht nur keinen Phallus, sondern lassen den Heldenpenis knabenhaft klein, ja geradezu winzig erscheinen. Dem Heroismus des Helden tut das keinen Abbruch. Der Held selbst ist die Erektion; er verkörpert das Phallische in Gestalt des Kämpfers und Kriegers. Das ist auch der Grund, wieso der antike griechische Heros fast ausnahmslos nackt dargestellt wird: Man erkennt ihn an seinen typischen Waffen-Insignien und an seiner Nacktheit. Das ist insofern verwunderlich, als der nackte Körper so gar nicht zum Krieger passt; diesen verlangt es nach einer schützenden Rüstung.

      Die Darstellung eines nackten Mannes mit erigiertem Penis verbietet sich in der Kunst, und dies gewiss nicht nur aus Gründen der Scham, sondern ebenso aus Gründen der Ästhetik. Nicht, dass der Phallus an sich hässlich wäre, nein, er kann sogar schön oder zumindest wohlgestaltet sein. Doch selbst der schönste und stolzeste Phallus würde die nackte männliche Gestalt, gerade wo sie als Skulptur ein klassisches Ideal verkörpern soll, ins Lächerliche ziehen. Nicht nur, dass der Anblick Anstoß erregte – der harmonische Gesamteindruck der Figur wäre auf groteske Weise gestört. Denn das Groteske ist letztlich nichts anderes als entstellte Harmonie. Diesen verzerrenden, die Harmonie störenden Effekt kennt man auch von stark abstehenden Ohren, zu Berge stehenden Haaren oder extrem großen Nasen. An einem Körper darf nichts übermäßig abstehen, wenn er dem herrschenden Schönheitsideal entsprechen soll.

      Das Groteske ruft im Betrachter drei grundlegende Reaktionen hervor, die sich mit unserem ästhetischen Empfinden nur schwer vereinbaren lassen: Zuerst ein Erstaunen, das sich bis zum Erschrecken steigern kann, dann ein Gelächter, das sich mit Hohn und Spott vermischt, und schließlich ein Abscheu, der im Ekel endet. Gewiss, das Groteske im Allgemeinen und die Groteske im Besonderen sind der Kunst nicht fremd, doch ein Künstler, der mit seinem Werk weder Erschrecken, noch Gelächter und vor allem keinen Ekel erzeugen will, wird das Groteske meiden.

      Der steife, grotesk abstehende Penis störte aber nicht nur das äußere Gleichmaß der Figur, sondern er zerstörte über die männliche Geilheit, für die er steht, auch ihr inneres Gleichgewicht. Dem Bild oder der Skulptur eines nackten erigierenden Mannes fehlte jedes Geheimnis. Vom Geheimnis aber lebt alle zählende Kunst. Kunst ist Illusion – und das Geheimnis ist die höchste Form der Illusion. Eine Erektion jedoch ist die Desillusionierung schlechthin. Bei der künstlerischen Darstellung eines nackten Mannes mit erigiertem Penis wüsste man sofort alles über den momentanen inneren Zustand des Dargestellten: Der Mann ist geil, und sonst nichts. Da ist kein Platz mehr für Geheimnis und Illusion.

      Daraus folgt mit zwingender Notwendigkeit, dass eine künstlerisch ernstzunehmende Darstellung des nackten männlichen Körpers keine Erektion erlaubt. Das Männlichste am Mann wird von den Musen, den Hüterinnen einer harmonischen Ordnung, entschieden zurückgewiesen. Vom Phallus wenden sie sich ab mit Grausen. Hinzu kommt, dass der öffentliche Raum, zu dem auch die Räume der Museen zu zählen sind, den Phallus trotz allgemeiner Sexualisierung unseres Alltags nicht duldet. Ein erigierter Penis hat noch immer das Potential, zu erregen – voran das öffentliche Ärgernis.

      Selbst ein großer schlaffer Penis ist aus ästhetischen Gründen in der Kunst problematisch; auch er stört die Harmonie des nackten Männerkörpers, wenn auch weniger massiv als ein erigierter. Dies mag auch der Grund sein, wieso man es in der Kunstgeschichte bei Darstellungen nackter Männer fast ausnahmslos mit bescheidenen Knabenpenissen СКАЧАТЬ