Sie hat ihn zum Fressen gern
Bei einigen Spinnenarten benutzt das Männchen nur einen der beiden ›Tasterpenisse‹, der an speziellen Fortsätzen der weiblichen Geschlechtsöffnung einrastet. Meistens ist damit das Schicksal des Männchens besiegelt. Im Moment des Einrastens rastet das Weibchen buchstäblich aus; es schlägt, einem Tötungsreflex gehorchend, seine mächtigen Klauen in den Hinterleib des kopulierenden Männchens, falls dieses nicht flink genug ist, sich von seinem feststeckenden Penis loszureißen, diesen im Körper des Weibchens zurücklassend, um mit seinem anderen, heil gebliebenen Penis das Weite zu suchen. Falls ihm das gelingt, erbringt das Männchen den Beweis, dass es zumindest bei weiblichem Sexualkannibalismus nicht das Schlechteste ist, zwei Penisse zu haben. Falls das Männchen nicht entkommt und den tödlichen Biss erhält, ist damit die Samenübertragung nicht unterbunden. Der Penis des Toten führt sein Werk selbständig zu Ende. Ist dies geschehen, wird das Männchen, inklusive Penis, vom begatteten Weibchen verspeist. Erst verzehrt er sich nach ihr, dann wird er von ihr verzehrt. In sich stimmiger kann ein Liebesakt, zumindest aus weiblicher Perspektive, kaum sein.
Bei der Wespenspinne ist die Sache mit dem Sex ähnlich vertrackt, doch hat hier das Männchen eine reelle Chance, den Geschlechtsakt zu überleben. Das Weibchen ist nämlich nicht darauf fixiert, sich nur mit einem einzigen Männchen zu paaren. Es ist polygam, oder präziser ausgedrückt: polyandrisch. Das heißt, es will sich möglichst mit mehreren Männchen paaren und erst später entscheiden, welches Samenpaket es für die Befruchtung der Eier verwendet. Die Biologen sprechen in so einem Fall von ›kryptischer Weibchenwahl‹. Allerdings setzt die weibliche Spinnen-Anatomie der Polygamie Grenzen: Die Weibchen haben ›nur‹ zwei Geschlechtsöffnungen und können sich deshalb nur von zwei verschiedenen Partnern pro Paarungszeit begatten lassen. Anders als die Weibchen, sind die Männchen jedoch auf Monogamie geprägt, wenngleich auch sie im Besitz zweier Begattungsorgane sind. »In ihrem Interesse liegt es«, so meint die Verhaltensforscherin Jutta Schneider, »ein jungfräuliches Weibchen zu finden, mit ihm zu kopulieren und es dann zu monopolisieren.« Zu diesem Zweck verstopft das Männchen nach der Begattung die Geschlechtsöffnung des Weibchens mit der Spitze seines ›Taster-Penis‹– eine seltene Form der sexuellen Selbstverstümmelung. Jutta Schneider spricht von »Ein-Schuss-Genitalien«. Der Verlust der Penisspitze als Genitalpfropf lohnt sich für das Männchen insofern, als es dadurch sicherstellt, dass nach ihm kein Nebenbuhler in die von ihm besamte Geschlechtsöffnung des Weibchens eindringt und ebenfalls seinen Samen dort ablegt. Schließlich hat das Männchen ja noch einen zweiten Penis und kann damit ein weiteres Weibchen begatten und verpfropfen – vorausgesetzt, er kommt bei der ersten Kopulation mit dem Leben davon. Die flinksten Männchen haben so die Chance, zweimal im Leben zum ›Schuss‹ zu kommen, was ja ganz im Sinne der Evolution ist.
Auch bei den Walzenspinnen verläuft die Kopulation auf bemerkenswerte Weise: Das Männchen, das bei dieser Ordnung der Spinnentiere ausnahmsweise nur wenig kleiner ist als das Weibchen, fällt seine Geschlechtspartnerin regelrecht an und umklammert sie, wobei das Weibchen wie hypnotisiert in Bewegungslosigkeit verharrt. Danach wird es vom Männchen an einen sicheren Ort geschleppt und dort auf den Rücken gedreht. Mit Hilfe seiner Mundwerkzeuge weitet das Männchen die Geschlechtsöffnung des ›ohnmächtigen‹ Weibchens, setzt einen Samentropfen auf ihm ab und stopft ihn mit den Mundwerkzeugen hinein. Danach verschließt es die Ränder der weiblichen Geschlechtsöffnung, indem es diese zusammenkneift, und macht sich flink aus dem Staub, bevor das Weibchen aus seiner Sexualstarre erwacht. Auch beim Menschen gibt es Männchen, die am liebsten mit schlafenden oder sich schlafend stellenden Frauen koitieren – eine narzisstische Vorliebe, die dem Fetischismus zuzuordnen ist, genauer: dem Antifetischismus der Kinephobie (= Bewegungsangst).
Milben, die ebenfalls zu den Spinnentieren zählen, sind fast noch erfindungsreicher in ihrem Sexualverhalten als die Echten Spinnen. Bei einigen Wassermilben wird das Weibchen bei der Begattung vom Männchen nicht nur umklammert, sondern mit einer klebrigen Masse regelrecht festgekittet. Auch die Milbenmännchen haben sich darauf spezialisiert, ihren Samen mit den Mundwerkzeugen in die Geschlechtsöffnung des Weibchens zu stopfen. Bei manchen Arten legen sie allerdings keinen Wert mehr auf Körperkontakt beim Sex. Sie setzen ihre Samenpakete in der Nähe eines Weibchens ab und machen sich aus dem Staub. Die Weibchen stopfen sich diese Samen-Wurfpost, sobald sie sie entdecken, selber in ihre Geschlechtsöffnung – eine Art von masturbatorischer Kopulation. Freilich können die Männchen nie sicher sein, ob ihre abgelegten Samenpakete auch ans Ziel kommen oder womöglich nur in der Sonne vertrocknen.
Bei den Zecken – auch sie zählen zu den Spinnentieren – kriecht das penislose Männchen unter das an einem Warmblütler festgebissene Weibchen und steckt seinen Rüssel in die weibliche Geschlechtsöffnung, um diese zu weiten. Danach dreht das Männchen sich um, setzt ein Samenpaket ab und schiebt dieses mit Rüssel und Tastern in die geweitete Geschlechtsöffnung des Weibchens.
Die vielfältigen Sexualpraktiken bei den Spinnentieren, die postkoitale Tötung und Verspeisung des Männchens inbegriffen, bringt einem als Menschenmann zu Bewusstsein, dass auch die menschliche Fortpflanzung sehr gut ohne Penis auskommen könnte. Der Samen des Mannes muss halt irgendwie in die Vagina der Frau gelangen, um den biologischen Sinn des Lebens, der Fortpflanzung heißt, zu erfüllen. Der Natur ist es letztlich egal, auf welche Weise das geschieht. Wo immer bei den Spinnentieren so etwas wie Begattung stattfindet, sind es die aktiven Männchen, die sich an den passiven Weibchen sexuell abarbeiten, nicht selten mit tödlichem Ausgang. Im Grunde kann man als männlicher Vertreter der Säugetierklasse froh sein, hin und wieder mit Frauen kopulieren zu dürfen, ohne bei ihnen während des Geschlechtsakts einen weiblichen Beutetrieb zu wecken, der aus mehr als nur Kratzen und Beißen besteht. Umgekehrt können freilich auch die Frauen froh sein, dass wir ihnen nach dem Geschlechtsverkehr nicht die Vagina mit unserer abgetrennten Peniseichel zustöpseln, um Nebenbuhlern den Zugang zu versperren. Die sexuelle Aktivität des Mannes gänzlich auf die Masturbation zu beschränken und die dabei anfallende Samenmasse gut sichtbar im öffentlichen Raum, etwa auf Parkbänken, in Bushäuschen, unter Straßenlaternen oder gleich in öffentlichen Damentoiletten zu deponieren, damit sich Frauen mit Kinderwunsch frei bedienen können, wäre zwar praktisch, aber auf Dauer sehr langweilig. Dann doch lieber penetrierend in den Klauen der Frauen lustvoll verenden.
Die hohe Liebeskunst des Maikäfers
Bei den Insekten geht es, im Vergleich zu den Spinnentieren, eher gesittet zu, mit einer Ausnahme: der zur Ordnung der Fangschrecken zählenden Gottesanbeterin. Bei dieser Art ähnelt das kannibalische Sexualverhalten des Weibchens dem der Spinnen. Hierzu liest man in Grzimeks Tierleben: »Selbst während der Paarung beginnt die Gottesanbeterin oft, den Mann vom Kopfe her zu verzehren, während dessen Hinterende die Begattung unentwegt fortsetzt« – eine kopflose Kopulation, so könnte man sagen.
Bei Käfern und Schmetterlingen wird man solche Sexualpraktiken vergeblich suchen; sie koitieren im Prinzip nicht anders als der Mensch, begnügen sich also mit Penetration ohne kannibalische Anwandlung. Zu diesem Zweck haben männliche Insekten СКАЧАТЬ