Der Penis-Komplex. Gerhard Staguhn
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Название: Der Penis-Komplex

Автор: Gerhard Staguhn

Издательство: Автор

Жанр: Социальная психология

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isbn: 9783866746534

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СКАЧАТЬ fort, würde ein großer Penis nur stören. Entsprechend liefe ein Gorilla mit erigiertem Zwanzig-Zentimeter-Penis ständig Gefahr, sich mit diesem im Urwaldgestrüpp zu verheddern und dabei Verletzungen davonzutragen.

      Von dem bekannten Evolutions-Forscher Richard Dawkins stammt die Hypothese, dass die männlichen Vorfahren von Homo sapiens den Penisknochen im Lauf der Evolution eingebüßt hätten, weil der knochenlose Penis den Frauen ermöglicht habe, an der Erektionsfähigkeit die sexuelle und sonstige Gesundheit der um ihre Gunst werbenden Männer abzulesen. Denn Erektionsstörungen sind bei einem jungen Mann zweifellos als bedeutsames Krankheitssymptom zu werten. Welche Frau will schon einen Mann, der keinen hoch kriegt! Nun könnte man einwenden, dass so ein Erektionstest auch für Schimpansen- oder Gorilla-Weibchen von Interesse sein könnte. Doch dafür fehlt diesen Primaten die Intelligenz, die nötig ist, um von guter Erektion auf gute Gesundheit zu schließen. Zudem kann man davon ausgehen, dass Menschenaffen-Männchen ohnehin keine Erektionsprobleme kennen; diese sind eine Folge der Kulturentwicklung beim Menschen, die höchstwahrscheinlich erst mit dem Patriarchat in Erscheinung getreten sind.

      Der große und knochenlose Penis beim Menschen ist also letztlich eine indirekte Folge des großen Menschen-Gehirns und der damit verbundenen hohen Intelligenz – in diesem Fall jener der Frauen. Evolutionsgeschichtlich ist also die Intelligenz der Frauen daran schuld, dass die Männer ohne Unterstützung eines Penisknochens erigieren müssen.

      Die Menschenfrauen, die sich auf einen Mann mitsamt seinem Penis einlassen, können auch aus anatomischen Gründen froh sein, dass der Penisknochen fehlt. Dadurch ist die Gefahr von Koitusverletzungen stark vermindert, während sie zum Beispiel ziemlich groß ist, wenn eine Frau sich in perverser Anwandlung von einem Hund bespringen lässt »und durch plötzliches Herausreißen des Hundepenis der Penisknochen Einrisse am After oder in der Scheide bewirkt«. (Ernest Borneman: Lexikon der Liebe, S. 747) So können die Frauen der Evolution gegenüber nur dankbar sein, dass der Penis des Mannes so ist, wie er ist. Nicht nur, dass er einen Knochen haben könnte, nein, dieser könnte auch noch mit Widerhaken versehen sein, wie das zum Beispiel beim Katzenpenis der Fall ist.

      Wer freilich als Mann glaubt, sein knochenloser Penis könne nicht brechen, der irrt. Ein Penisbruch, hervorgerufen durch ungeschickte, allzu heftige oder bewusst gewalttätige Penetration, passiert schneller, als man denkt. Zu Bruch geht dabei der Schwellkörper, also das, was vom einstigen Penisknochen übriggeblieben ist. Dabei können im schlimmsten Fall sogar schwere Blutungen im Penis auftreten, verbunden mit Urin-Infiltration, falls die Harnröhre mit verletzt wird. Von daher ist dem Mann zu raten, auch bei stürmischer Penetration nicht gänzlich die Kontrolle über sich und seinen Penis zu verlieren, zumal wenn er sexuell noch unerfahren ist und vielleicht sogar meint, volltrunken vögeln zu müssen. Und damit haben wir eine elegante, wenn auch triviale Überleitung zu den Vögeln.

      Das Überraschende gleich vorneweg: Vögel vögeln nicht. Das gilt zumindest solange, wie mit dem Begriff ›Vögeln‹ eine penetrierende Kopulation gemeint ist. Denn zur Penetration fehlt den Vogel-Männchen schlichtweg der Penis. Das gilt zumindest für die allermeisten Vogelarten. Nur bei wenigen Vogelgruppen, etwa den Enten oder Gänsen, besitzen die Männchen ein bescheidenes ›Begattungsglied‹. Wenn wir also unser menschliches Koitieren als »Vögeln‹ bezeichnen, meinen wir eigentlich ein ›Gänseln‹ oder ›Enteln‹. Gleichwohl ist ›Vögeln‹ als volkstümlich-derbe Bezeichnung für den Koitus schon seit dem Mittelalter gebräuchlich: Mit vogelen war zwar ursprünglich ›Vögel fangen‹ gemeint, doch hatte es von Anbeginn auch die Bedeutung von ›begatten (beim Vogel)‹, um schließlich auch als Ausdruck für die menschliche Begattung verwendet zu werden.

      Tiere, die sich tagsüber die meiste Zeit in der Luft befinden, müssen möglichst leicht sein. Und da die Natur die Fortpflanzung problemlos auch ohne Penis hinkriegt, hat sie dieses entbehrliche Fortpflanzungsgerät bei den Vögeln einfach weggelassen – aus Gewichtsgründen. Das Vogelweibchen wird also vom Männchen gar nicht penetriert, wie man meinen könnte, wenn man den Spatzen beim ›Vögeln zuschaut, sondern beide pressen nur ihre ›Kloaken‹ aneinander. Eine Kloake ist eine Art Sammelbecken, in welchem die Ausfuhrorgane für Kot und Urin, ebenso die Absonderungen der Geschlechtsorgane zusammenlaufen – eine Art organische Senkgrube. Im mittleren Teil der Kloake befinden sich beim Vogelmännchen seitlich von der Harnleitermündung die Ausgänge zweier Samenleiter. Das Weibchen hat an der entsprechenden Stelle die Scheidenöffnung. Das Männchen lässt bei der Kopulation sein Sperma einfach von seiner Kloake in die des Weibchens fließen, von wo es dann in die Scheide gelangt. Da die Vögel ohnehin nur ein- oder zweimal im Jahr ›vögeln‹, spricht eigentlich nichts gegen diesen so einfachen wie praktischen ›Kloakensex‹. Für den Menschen möchte man sich Geschlechtsverkehr durch Aneinanderpressen von Kloaken lieber nicht vorstellen, vor allem wegen der damit verbundenen Hygieneprobleme. Die Lust auf oralen Sex wäre einem auch verleidet.

       Der Luxus zweier Penisse

      Die Kloake haben die Vögel von ihren evolutionsgeschichtlichen Vorläufern, den Reptilien, übernommen. Die Kriechtiere ›vögeln‹ also wie die Vögel. Da bei ihnen das Körpergewicht keine Rolle spielt, kommen die männlichen Tiere sogar in den Genuss eines winzigen, zur Ausstülpung fähigen Penis in ihrer Kloake. Mit diesem übertragen sie den Samen in die Kloake des Weibchens, ohne dass eine Penetration, die diesen Namen verdient, stattfinden muss. Während männliche Schildkröten und Krokodile nur einen einzigen solchen Ausstülpungspenis besitzen, haben männliche Echsen und Schlangen gleich deren zwei. Man spricht von zwei Hemipenissen. Bei der Begattung stülpt das männliche Tier beide Halb-Penisse aus, führt jedoch nur einen von ihnen in die Kloake des Weibchens ein, und zwar jenen, der dem Scheideneingang am nächsten liegt. Die paarigen Penisse sind vertrackte Gebilde aus Falten, Wülsten, Spitzen und Zacken, die dazu dienen, das männliche Begattungsorgan in der weiblichen Kloake regelrecht zu verankern. Nach der Begattung werden die Hemipenisse zurückgezogen und dabei wieder eingestülpt. Es gibt allerdings auch einige Echsenarten, unter ihnen zum Beispiel die Brückenechse, bei denen die Männchen, in der Art der Vögel, ohne Penis auskommen. Bei der Begattung pressen sie in Vogelmanier ihre Kloake auf die des Echsenweibchens.

      Beim Stichwort ›zwei Penisse‹ drängt sich dem Menschenmann natürlich sofort die Frage auf, ob der Besitz solch eines dualen Begattungsapparats nicht auch für ihn von Vorteil wäre. In Gedanken sieht er sich in wilder Doppelpenetration mit zwei Frauen, wie immer diese anatomisch zu bewerkstelligen, kräftemäßig zu bewältigen und seelisch zu verarbeiten wäre. Von diesem Gedanken kommt der Mann aber schnell wieder ab, wohl wissend, dass es schwierig genug ist, den einen Penis, den er hat, optimal, das heißt zur Zufriedenheit des Sexualpartners, zum Einsatz zu bringen. Ein Ausstülpmechanismus wäre gewiss praktisch, doch fehlte ihm die bezaubernde Eleganz einer langsam sich entfaltenden Erektion, deren Loblied in einem der folgenden Kapitel noch gesungen wird.

      Bei einer besonders faszinierenden Tiergruppe, jener der Spinnen, gehört der Besitz zweier Penisse nicht nur zur Sexual-, sondern weit mehr noch zur Überlebensstrategie des Männchens. Denn das Männchen ist bei den meisten Arten wesentlich kleiner als das Weibchen. Der krasse Unterschied in der Körpergröße wäre nicht weiter tragisch, wenn die Weibchen nicht die fatale Neigung verspürten, nach vollzogenem Geschlechtsakt den Partner aufzufressen. Das kommt daher, dass bei ihnen der Beutetrieb nicht immer scharf vom Begattungstrieb getrennt ist. Koitierend zu sterben, womöglich im Moment des Orgasmus, ist freilich nicht die schlechteste aller denkbaren Todesarten. Zudem ist sie im Dienst der Arterhaltung gar nicht so abwegig, wie sie aufs Erste erscheinen mag. Wegen der raschen und großen Produktion von Eiern haben Spinnenweibchen einen sehr hohen Eiweißbedarf, den sie auf diese praktische und billige Weise decken. Das Männchen hat mit der Abgabe des Samens ohnehin seine biologische Pflicht, sich fortzupflanzen, erfüllt. Hier bestätigt sich auf eindringliche Weise ein grundlegendes Gesetz der Natur: Ihr Interesse gilt vorrangig der Art und nicht dem Individuum.

      Das Penispaar der Spinnenmännchen ist evolutionsgeschichtlich nichts weiter als das zum Begattungsorgan umfunktionierte vorderste Beinpaar (Pedipalpen). Vor СКАЧАТЬ