Deep Purple. Jürgen Roth
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Название: Deep Purple

Автор: Jürgen Roth

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

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isbn: 9783854454144

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СКАЧАТЬ kannte: Ian Paice. Aber auch der hat abgewinkt: Er müsse Geld verdienen.

      Seine temporären Mit-Savages Nick Simper und Schlagzeuger Carlo Little, die gerade mit der Sängerin Billie Davis in Hamburg gastieren, folgen seiner Einladung, die Hamburger Antwort auf Cream zu gründen. Außer ein paar Proben kommt jedoch nichts zustande: Simper, der als Bassist auch singen soll, leidet an chronischer Mandelentzündung, muß die Versuche abbrechen und kehrt mit Little nach London zurück, um den Job bei den Flowerpot Men anzutreten. ­Blackmore steht wieder am Anfang – ohne Band, ohne Musiker, ohne Job. Und dann klingelt eines Vormittags der Postbote mit einem Telegramm aus London: Ob er nicht Lust habe, bei einer ganz neuen, einer ganz anderen Band mitzumachen?

      Das Angebot klingt verlockend, zumal es offenbar auf einer soliden finanziellen Basis steht: Das Management der geplanten Band bezahlt die Fahrt­kosten, und Ende November 1967 ist Blackmore wieder in London, um sich die avisierten Mitmusiker ohne deren Wissen bei einem Auftritt von Flowerpot Men & The Garden in Dunstable zumindest mal anzusehen. Er ist nicht begeistert von der Musik und immer noch ein bißchen sauer auf Nick Simper, aber immerhin: Der Mann an der Orgel hat einiges drauf. Blackmore sagt zu, sich mit ihm und Chris Curtis ein paar Tage später in der WG am Gunter Grove zusammenzusetzen und mal zu schauen, was sich ergibt.

      „So verdammt laut, daß es magisch war“

      Das dritte Kapitel, in dem plötzlich alles sehr schnell geht

      Der Mann des sauren Kitsches arbeitet nach dem Prinzip: Gelobt sei, was weh tut!

      Hans Egon Holthusen

      „Viele Leute haben eine völlig falsche Vorstellung von Ritchie und mir. Sie meinen, wir seien wie Öl und Feuer. Stimmt nicht! Wir sind wie Öl und Essig – wenn man beides lange genug miteinander mischt, erhält man eine vorzügliche Salatsauce.“

      Jon Lord, 1984

      Hier beginnt nun also endlich die Geschichte von Deep Purple: an einem düsteren, kalten, schneeverwehten Tag Anfang Dezember 1967 in einer Wohnung am Gunter Grove. Es ist kein freundschaftliches Treffen, das hier stattfindet, sondern eine Geschäftsbesprechung. Generationen von Kritikern, die den Gründungs­mythos jeder Band am Lennon-McCartney-Modell messen, werden später nicht müde werden, darauf hinzuweisen, es handle sich bei Deep Purple um ein kalkuliertes, durchgeplantes, eiskaltes Projektmanöver, um eine Retortenband ohne Seele. Man kann das so sehen, wird jedoch, wenn man sich die romantischen Gespinste aus den Augen reibt, feststellen müssen, daß es soviel anders bei den Beatles auch nicht war, von praktisch allen sonstigen Zeitgenossen ganz zu schweigen.

      Ritchie Blackmore, Jon Lord und Chris Curtis sind so unterschiedliche Typen, daß man sich fragen muß, wie sie es an diesem Tag stundenlang gemeinsam in einem Zimmer ausgehalten haben. Aber: Es geht hier um Arbeit. Black­more spielt den beiden auf der Akustikgitarre zwei Songfragmente vor, die er für seine geplante Hamburger Band erdacht hat: „And The Address“ und „Man­drake Root“. Man bastelt ein bißchen daran herum, Curtis klopft mit den Händen auf der Sessellehne einen Takt, Lord summt denkbare Orgelfiguren. ­Curtis, der sich bemüht, den entscheidungsmächtigen Bandleader zu geben, hat selbst nichts Komponiertes vorzuweisen, schlägt aber ein paar Coverversionen vor: „Strawberry Fields Forever“ (die B- oder auch A-Seite der im Februar erschiene­nen Beatles-Single „Penny Lane“) und „You Keep Me Hanging On“ – dieses Stück aber nicht im Motown-Arrangement der Supremes, sondern in der neuen Version der Heavy-Psychedelic-Band Vanilla Fudge aus San Francisco.

      Am Nachmittag kommen Tony Edwards und John Coletta vorbei, um ein bißchen zuzuhören, und sind sehr angetan: „Als wir die drei zusammen hörten, waren wir von der Idee der Band endgültig überzeugt“, erinnert sich Edwards, der von dem Gitarristen beeindruckt ist: „Er wirkte düster und grüblerisch, hatte ein enormes Charisma. Gesprochen hat er kaum, er sah sich um, suchend, forschend.“

      Bislang jedoch ist die Band noch keine Band. Es fehlt ein Baßgitarrist, und da der gelernte Beatklopfer Chris Curtis seine Eignung zum erdigen Heavy-Rock-Trommler ungewöhnlich realistisch einschätzt und sich daher auf den Gesang beschränken möchte, fehlt auch noch ein Schlagzeuger.

      Moment mal. „Heavy Rock“? Der plötzlich ins Spiel gekommene Begriff verdient einen kurzen Einschub, zumal wir die Schwierigkeiten der Rezeption „psychedelischer“ Kompliziertmusiken bereits angedeutet haben – in Jimi ­Hendrix’ Worten: „Man spielt die verkehrten Noten jener Noten, von denen man meint, sie seien die richtigen. Wenn man diese richtig trifft, mit der richtigen Dosis Feedback, klingen sie manchmal sehr hübsch. Es hört sich dann so an, als ob man falsche Noten richtig spielen würde.“

      Dafür ist der Heavy Rock eine schlagend geniale Lösung: Man muß weder Musik studiert haben noch die Sinne mit LSD erweitern – oder, je nachdem, die eigene Toleranz durch gezielte Abstumpfung erhöhen –, um ihn verstehen und/ oder genießen zu können (es schadet aber andererseits nicht). Wenn dann noch ein gehörig greller Schein von „Anspruch“ – vor allem musikalisch, notfalls auch „politisch“ – hinzukommt, ist die Sache perfekt. Endlich kann man sich mit pfundig primitivem Aggressionsgehämmer zudröhnen und trotzdem in einem stolzen Selbstgefühl von Progressivität schwelgen.

      Die Pioniere heißen, wir erwähnten sie bereits, Vanilla Fudge. Ohne Zweifel – wie sollte man so etwas auch messend ergründen? – sind sie gute Instrumentalisten: Vince „Vinnie“ Martell (Schlagzeug, Orgel; „musikalische Qualitäten“ laut pop: „Ordnet sein Instrument korrekt dem Gesamteindruck unter/wirkt phasenweise regelrecht mitreißend; musikalische Mängel: Ist das schwächste Glied in der Vanilla-Fudge-Kette/setzt den Verzerrer zu oft und zu aufdringlich ein/spielt zuweilen grobschlächtig“), Carmine Appice (Schlagzeug; „musikalische Mängel: keine“), Mark Stein (Akkordeon, Gitarre, Piano, Cembalo, Orgel; „effektreicher, kraftvoller und zugleich subtiler Organist/Sänger mit Soul im rechten Sinne; zeigt zuwenig Virtuosität auf der Orgel“) und Tim Bogert (Klarinette, Flöte, Saxophon, Piano, Schlagzeug, Baß; „aufregender, exakter Bassist und genialer Arrangeur“). Sie schleppen sich durch monströs laute, produktionstechnisch von Shadow Morton bombastisch aufgedonnerte Versionen simpler Standards, aus denen Wagenladungen von „Bedeutung“ quellen. Oder, um noch mal pop zu zitieren: „Was dabei herauskam, stellte eine zähflüssige musikalische Sauce dar.“ Ihr drittes Album, The Beat Goes On, das größtenteils aus unerheblichen Fetzenversionen des gleichnamigen Sonny-Bono-Schlagers besteht, würzen sie mit historischen Tondokumenten, wodurch eine „historische Bewußtheit“ hineinzieht ins Gedröhn und Geplänkel. Der Erfolg ist enorm: „In den Geräuschen der Vanilla Fudge hat die auf dem Underground basierende Popmusik einen nie erahnten Gipfelpunkt erreicht. In puncto Instrumenten­beherrschung und Präzision schweben die Fudge in musikalischen Höhen, welche sonst nur ganz auserwählte Vertreter der klassischen und jazzigen Musik kennen.“ So zu lesen Anfang 1969 in einer „Underground-Fibel“, die offensichtlich unter erheblichen Überdosierungen von Afri-Cola oder wenigstens der dazu­gehörigen Reklametexte entstand.

      Wahrgenommen wird der Erfolg der „zähflüssigen“ Heavy-Sauce auch in der britischen Szene respektive ihrer Außenstation Hamburg, wohin viele vom psychedelischen Gebims in der Heimat überforderte, beruflich eher traditionell und „bodenständig“ orientierte Musiker geflohen sind, weil dort die Nachfrage nach dem überholten Beat immer noch floriert und auf überkandideltes Getue aber kein Wert gelegt wird. Es wäre eine grob falsche Einschätzung, wollte man behaupten, Ritchie Blackmore und Jon Lord wären vom musikalischen Niveau her nicht in der Lage, die elfenbeinernen Kompositions- und Improvisationstürme zu „begreifen“, die da erbaut werden. Wahrscheinlich ist es eher genau umgekehrt, in jedem Fall jedoch spielt, was ihr Verständnis für pseudofuturistischen Schwurbelklang anbelangt, das Wollen eine größere Rolle als das Können.

      Und die Wahrnehmung. „Vanilla Fudge spielten im Speakeasy“, erinnerte sich Ritchie Blackmore 1991, „und da СКАЧАТЬ