The Rolling Stones. Stanley Booth
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Название: The Rolling Stones

Автор: Stanley Booth

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

Серия:

isbn: 9783854456353

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СКАЧАТЬ die Hecken zurechtstut­zen hören.

      Das Majestic Hotel ragte zwischen verfallenden Apartmenthäusern drohend wie ein verblasstes Gespenst auf. Der Portier saß in einer kleinen Glaszelle von der Art eines Kartenschalters und der Bartender lümmelte auf seinen Ellbogen in der leeren Cocktailbar herum und zerknitterte die Ärmel seines gestärkten weißen Jacketts. Der Aufzug roch, als wäre er seit den 20er Jahren geschlossen gewesen. Langsam brachte er mich in den dritten Stock zu meinem Einzelzimmer mit Waschbecken. Der Raum war, wie alle Einzelzimmer in Hotels, mit dem Flair von Einsamkeit und Tod und des einsamen Totschlagens der Nacht durchtränkt. Ich legte mich auf die lachsfarbene Bettdecke.

      Meine Füße ruhten sich zwar für ein paar Minuten aus, aber mein Be­wusstsein kam nicht zur Ruhe. Es gibt kein Buch, das gegen die Einsam­keit hilft, und keine Droge, die etwas gegen sie ausrichtet. Nachdem sie ihn verlassen hatte, muss Brian weiter an Anita Pallenberg gedacht haben – so wie auch ich, nachdem ich nun alleine war, weiterdachte. Anita glaub­te, ihr Sohn Marlon, den sie im vergangenen Jahr, nach Brians Tod, von Keith bekommen hatte, sei der wiedergeborene Brian. Er war es nicht, aber sie hörte nicht auf, an Brian zu denken. „Ich werde ihn wiedersehen. Wir versprachen, einander wieder zu treffen. Es ging um Leben und Tod“, sagte Anita. „Einer von uns musste gehen.“ Eine schwere Entscheidung. Ich schwang meine müden Füße vom Bett. Nachdenken führte zu nichts.

      Der Aufzug fuhr abwärts genauso langsam. Der Bartender lehnte noch immer am Tresen, weit und breit keine Kundschaft in Sicht.

      Ich setzte mich in den Imperial Gardens auf eine grüne Parkbank, um ein wenig Marihuana zu rauchen und das Ende des Mittwochnachmittags zu beobachten. Kellnerinnen räumten die roten, blauen und grünen Tische unter den orange und gelb gestreiften Tuborg-Sonnenschirmen ab, wo ein paar Leute noch immer zwischen den Blumen einen Imbiss zu sich nah­men. Die Inschrift auf der Sonnenuhr des Gartens besagte: „Ich zähle nur jede sonnige Stund’/Stürme und Regen tun andere kund.“ Nur ein Junge und ein Mädchen lagen jetzt noch unbeweglich im Gras, als wollten sie dort übernachten.

      Während ich meinen Blick über die Tulpen und Bäume und den leise summenden Verkehr des in Zwielicht getauchten Cheltenham gleiten ließ, dachte ich daran, wie Brian, kurz vor seinem Tod, bei einem Besuch bei ihm zu Hause gesagt hatte: „Wäre ich doch bloß nie von hier weggegan­gen!“ Ich zerlegte den Zigarettenstummel, zerriss das kurze Stück Papier und rollte es zu einem kleinen Kügelchen zusammen, das sich, ebenso wie das Rauchmaterial, im Wind verlieren würde. Dann ging ich über die Pro­menade und am dritten Militärmonument vorbei, das ich in dieser Stadt sah. Die anderen beiden waren für Afrika 1899 bis 1902 und den Ersten Weltkrieg gewesen. Die Tafel dieses Denkmals besagte: „Auf diesem Eh­renmahl stand ursprünglich eine bei Sewastopol erbeutete Kanone. Während des Krieges von 1939 bis 1945 wurde die Kanone der Regierung übergeben, um Eisen für die Rüstung zu liefern.“ Obwohl es kleiner war, erinnerte mich Cheltenham an Macon, Georgia, wo ich mit Militäruni­form und ein Gewehr tragend zur Highschool gegangen war. Macon war der letzte Ort gewesen, an dem ich mich bemüßigt gefühlt hatte, Zigaret­tenreste auf diese Art und Weise zu beseitigen. Nicht weil ich Marihuana geraucht hatte, sondern um die Umgebung sauber zu halten. Denn beides sind hübsche Städte mit vielen Bäumen.

      Es war 18 Uhr 44, und ich hatte gerade noch genug Zeit für ein Sand­wich. Die Straße hinunter gab es ein Cafe, das ebenso verlassen wie die Bar des Majestic aussah. Abgesehen von einer jungen Inderin hinter der Theke war niemand da. Sie war am Aufräumen, um zu schließen, aber sie fragte, ob ich etwas essen wolle.

      Ich kaufte ein wässriges Orangengetränk und ein Käsesandwich, weil man bei einem Käsesandwich nicht viel falsch machen kann. Eine Frau kam herein, nahm das Geld aus der Registrierkasse, ließ das Mädchen zur Hintertür hinaus und schloss ab. Als die junge Frau ging, fiel mir auf, dass sie der einzige dunkelhäutige Mensch war, den ich in dieser Stadt bisher gesehen hatte.

      Zurück im Hotel war ich dermaßen cool und entspannt, dass ich mein Tonbandgerät noch immer nicht ausgepackt hatte, als mich die Rezeption anrief, weil ein Taxi auf mich wartete. Ich legte schnell ein Band ein, ent­schloss mich dann aber, das Gerät zurückzulassen.

      Noch ehe ich meine Notizen durchsehen konnte, bog das Taxi in die Seitenfahrbahn ab, um mich aussteigen zu lassen. Die senffarbenen Doppelhaushälften sahen mit ihren kleinen Grasflächen hinter den Ziegelsteinmäuerchen so klein und gewöhnlich aus, dass ich dachte, ich könne nur an der falschen Adresse sein. Aber ich öffnete das Gartentor und ging zur Haustür, wo auf einer leuchtenden Klingel aus Plastik der Name L. B. Jones stand. Ich läutete, wartete und versuchte zu lächeln. Die Nacht war angebrochen und ich stand in einer Pfütze aus gelbem Licht unter der Verandalampe, während auf der finsteren Straße Autos vorbeisausten und einander die gleißend aufblitzenden Strahlenbündel ihrer Scheinwerfer entgegenknallten.

      Der kleine Mann, der die Tür öffnete, hatte sich lichtendes graues Haar und ein eher breites Gesicht, das im Kontrast zu seiner spitzen Nase stand und dessen blasse, faltige Haut gerötet war. Als ich zu sprechen begann, musste ich daran denken, dass er dieselbe Größe wie Brian hatte, dass ihre Skelette identisch sein müssten. Er hatte Brians Art, fast auf Zehenspitzen zu gehen und seine Hände neben den Hüften nach hinten zu halten – oder besser gesagt, Brian hatte seine Art gehabt. Er hatte die gleichen kurzen Arme und kleinen, starken Hände. Und er hatte Brians lustige Art, die Dinge mit einem offenen und einem zugekniffenen Auge zu besehen, ob­wohl die Augen von Mr. Jones hinter seiner Brille mit dem Rahmen aus vergoldetem Metall und grauem Plastik nicht derart intensiv von innen heraus zu leuchten schienen, wie das bei Brian der Fall gewesen war. Da stand er nun vor mir und guckte mich einäugig an, einen Fuß vorgescho­ben, die Hände unten bei seinen Hosentaschen fast zu Fäusten geballt.

      Ich stellte mich vor und Mr. Jones sagte, er freue sich, mich zu sehen. Er führte mich ins Wohnzimmer, wo ich mich auf der Couch niederließ und er sich auf einen mit hässlichen Blumen bedruckten Sessel vor ein aus­geschaltetes elektrisches Kaminfeuer setzte. Er erzählte mir, dass ich schon der vierte Amerikaner sei, der komme, um über Brian zu schreiben. „Da kommen irgendwelche Leute und haben Empfehlungsschreiben von Ver­lagen dabei, dann gehen sie wieder und man hört nichts mehr von ihnen. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Ich denke, die wollen mich nur auf den Arm nehmen“, sagte er und blickte mich wieder mit einem Auge an.

      Ich wollte ihm antworten, kam aber gerade mal bis „Äh, ähm …“, als Brians Mutter hereinkam. Ich rappelte mich auf und begrüßte sie. Sie sah sanfter aus als Mr. Jones. Sie nannte ihn Lewis, er sie Louie, die Koseform für Louisa. Ihre Augen waren blau, hübsch blau. Ihre Haare waren eben­so flachsblond wie die von Brian – ein Farbton, der sich im Alter gut zu halten schien, wenn er die Chance zum Altern hatte.

      Wir setzten uns wieder. Mrs. Jones nahm in einem Sessel an der einen Seite des Zimmers Platz, ich an der anderen, und Mr. Jones, der den kal­ten Kamin anstarrte, saß in der Mitte. Ich versuchte zu erklären, woran ich arbeitete, aber das Zimmer nahm meine ganze Aufmerksamkeit ge­fangen. Es enthielt, außer uns und dem orangeroten Kater, typisch schwül­stige englische Möbel, einen alten Heathkit-Plattenspieler, ein noch älte­res Radio, einen Schwarzweißfernseher, einen blühenden Bonsai unter einer Glasglocke und die Statuette eines Indianers, die jedes Mitglied der Stones 1964 vom deutschen Teenie-Magazin „Bravo“ erhalten hatte. Auf dem Kaminsims stand eine kleine Gummipuppe mit knallroten Hosen und einer weißen Mähne aus Nylonhaar, die vulgärste aller Karikaturen, die es von Brian geben kann, die aber nichtsdestotrotz den Eindruck eines zu seinen Ehren aufgestellten Totems erweckte und das zentrale Objekt in diesem kleinen, grotesken Zimmer darstellte. Die orangefarbene Katze roll­te sich im Schoß von Mrs. Jones zusammen. Ich fragte sie nach dem Namen des Tieres und sie sagte: „Jinx.“

      „Es ist so schade“, sagte Brians Vater. „Brian hätte ein brillanter Jour­nalist sein können, in der Schule hat er immer besser Schach gespielt als alle anderen, so viel vergeudetes Talent.“ Er presste die Backenzähne auf­einander und zog eine Grimasse, als fände gerade eine furchtbare Ver­wandlung СКАЧАТЬ