Das Erwachen der Gletscherleiche. Roland Weis
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Читать онлайн книгу Das Erwachen der Gletscherleiche - Roland Weis страница 10

Название: Das Erwachen der Gletscherleiche

Автор: Roland Weis

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Lindemanns

isbn: 9783963080111

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      „Na also, links“, triumphierte Mona.

      „Hat irgend jemand von Ihrer Gruppe die Hand angefasst, irgendwie berührt?“

      Mona schüttelte sich. „Was denken Sie. Das ist doch gruslig. Nie und nimmer!“

      „Der Bergführer hat mit seinem Messer daran herumgekratzt“, erinnerte sich jetzt Armin, deutlich konstruktiver als zuvor. Inzwischen hatte er sich auch in einen der schwarzen Ledersessel bequemt. Er hatte kapiert, dass dieser schweizerische Polizeibeamte nicht mit ein paar schnellen, mürrischen Antworten abzufertigen war. Der machte den Eindruck, als würde er stoisch sein Programm durchziehen.

      In der Tat war Rüthli keiner von der schnellen Sorte. Schon gar nicht bei einer Befragung. Wer wusste denn, wann und ob überhaupt jemals wieder er diese beiden Deutschen zu diesem Fall befragen konnte. Noch hatte er ihnen nicht eröffnet, dass die Leiche verschwunden war. Da würde er sich schon noch hinarbeiten. Zunächst einmal wollte er alles über die Bergtour und die Teilnehmergruppe wissen, über Bernie und die Amerikaner. Was haben sie gesprochen? Was haben sie an Kleidung und Ausrüstung getragen? Wann und wie haben sie sich kennengelernt? Wer ging vorne, wer in der Mitte, wer hinten in der Gruppe? Was genau hatte Bergführer Bernie nach dem Leichenfund getan? Mit wem hatte er telefoniert oder gefunkt? Wer hatte alles die Hand fotografiert? Wem hatten sie von dem Fund erzählt oder die Fotos gemailt?

      Mona zögerte kurz bei dieser Frage, und selbstverständlich fiel dem unbestechlichen Rüthli dieses kurze Zögern auf.

      „Na?“

      „Ich überlege gerade“, redete Mona sich heraus, um Zeit zu gewinnen. Sollte sie wirklich verraten, dass sie die Fotos ans Institut geschickt hatte? An Professor Aschendorffer? Was, wenn ihr Handy beschlagnahmt wurde und die Kriminalpolizei all ihre Adressen und Mailkontakte rekonstruierte? Sie biss sich auf die Lippen. „Ich habe, ich glaube..., ich denke, das ist, ... das war ..., ich habe das schon herumgeschickt“, stammelte sie schließlich.

      Rüthli wartete unerbittlich: „An wen alles?“

      „Meine Mama“, gestand sie schließlich. „Vielleicht“, setzte sie dann sogleich einschränkend hinzu. „Ich glaube es.“ Sie setzte ein Gesicht auf, das hoffentlich als nachdenklich durchging. „Eine Kollegin, eine Freundin im Institut ...“, bot sie an.

      „Name bitte!“, forderte Rüthli.

      „Ach nein, doch nicht. Vielleicht war es auch ein Kollege. Einer von den Professoren.“ Sie warf einen hilfesuchenden Blick zu Armin.

      „Hast du nicht noch in der Nacht mit deinem spinnigen Professor telefoniert?“, fragte er.

      Ausgerechnet die Frage, die er auf keinen Fall hätte stellen dürfen.

      Sie nickte zähneknirschend. „Der Professor, ah ja, ... äh, ja, das könnte sein. Dem habe ich das Bild geschickt.“

      Rüthli ließ von seiner Tastatur ab und lehnte sich zurück. Er richtete einen prüfenden Blick auf Mona, der ihr Gewissen versengte. Wenn sie schon bei der kleinsten Notlüge zur Tomate mutierte, wie mochte man ihr dann ihre Mitwisserschaft an einem Leichendiebstahl ansehen? Verlegen richtete sie den Blick auf ihre Schuhspitzen.

      „Wie heißt er doch gleich, dieser Professor?“ Rüthli fragte so freundlich wie ein Pfarrseelsorger.

      Mona gab ihm die Personalien ihres Chefs. Rüthli lächelte aufmunternd. Gleich würde er aufstehen, Mona die Hand reichen, und alles wäre gut.

      „Und dieser Professor, odder, der hat nicht zufällig eine Verwendung für tiefgefrorene Leichen?“ Rüthli fragte, als mache er einen Scherz. Aber er lauerte. Mona schlug die Hand vor den Mund. Sie schüttelte den Kopf. Eine Spur zu hektisch. „Nein! Nein!“

      „Also nicht?“, versicherte sich Rüthli.

      Jetzt brachte Mona immerhin ein säuerliches Lächeln zustande. „Nein, wirklich nicht.“

      Rüthli tippte etwas in sein Laptop. Was schrieb er sich jetzt auf? Hatte sie sich etwa verraten?

      Rüthli ließ eine kunstvolle Pause verstreichen. Er setzte sich auf der Sesselkante zurecht, strich sich mit den Händen über die Oberschenkel. Er lächelte. Er zupfte an seiner Uniformjacke und rückte sie am Kragen in Form. Er wandte seinen ganzen Oberkörper jetzt Mona zu und machte dabei ein Gesicht wie ein zufriedener Möbelverkäufer. Immer noch lächelte er. „Das interessiert Sie gar nicht, warum ich gefragt habe, ob der Professor sich für Leichen interessiert?“ Er legte nochmals eine quälende Pause ein. „Es ist nämlich so, dass jemand unsere Leiche gestohlen hat! Sie ist verschwunden!“

      *

      Die beiden Kettensägen stammten vom Hersteller Stihl und waren fast neuwertig. Es waren die größten im Handel erhältlichen Modelle, jeweils etwa 2000 Euro teuer. Beim Benzinkanister aus milchweißem Plastik handelte es sich um einen Allerweltsartikel, wie ihn jeder Baumarkt und jede Tankstelle feilbot. Der Trichter, der zum Umschütten des Benzins verwendet worden war, hatte eine Küchen- oder Gastronomievergangenheit, denn die Spurensicherung hatte neben den Benzin- auch deutliche Frittierölspuren daran festgestellt. Die große Blechkiste wimmelte wie alle anderen Beweisstücke ebenfalls von Fingerabdrücken, von denen aber kein einziger gerichtsbekannt war. Es handelte sich bei der Blechkiste um eine Alu-Transportkiste von beachtlichen Ausmaßen, 1,40 Meter lang, 80 Zentimeter breit und ebenso hoch. Urs Rüthli wuchs eine Grübelfalte auf der Stirnmitte, während er den Bericht der Spurensicherung über das Behältnis las. Inzwischen saß er wieder auf seinem baufälligen Drehstuhl am Schreibtisch in Chur und erledigte die Papierarbeit zu seinem Fall. Wie zu erwarten, fanden sich Kettensägenöl, Benzinspuren, Wasser und profaner Dreck an und in der Kiste. Auf ihrer Unterseite sammelten die Spürnasen noch einige Fasern einer groben Wolldecke ein. Es gab laut Untersuchungsbericht an und in dieser Kiste zusätzlich noch den Nachweis von Hammel-, Lamm-, und Kalbfleisch sowie von Mayonnaise und Joghurt. Feldweibel Rüthli hatte keine Fantasie, was das bedeuten konnte. Vielleicht ein Metzger? Aber was wollte der mit einer Leiche?

      Hürzeler kam hereingestürmt. Die neueste Ausgabe der „Blick“ vor sich her wedelnd, als wolle er Fliegen vertreiben. „Tolle Story“, kündigte er an. „Hier schau!“ Er hatte die Seite schon aufgeschlagen und deutete auf den Aufmacher. Buchstaben so groß wie im Zentralorgan des Blindenvereins verkündeten: „Rätsel für Bergretter: Deutscher Ski-Doo schwimmt in der Flaz.“ Der Untertitel lautete: „Wollte die Deutsche Bergwacht etwas vertuschen? Fahrzeug stammt aus dem Schwarzwald. Behörden schweigen.“

      Der Ski-Doo. Rüthli hatte ihn ganz vergessen. War das nicht ganz in der Nähe von ihrem Morteratsch-Fall gewesen? Hinter Samedan? Das war nicht mal zehn Kilometer von Pontresina entfernt. Der Polizeiposten Samedan bearbeitete den Fall, nicht die Kollegen von Pontresina. Das erklärte, warum Rüthli ihn aus den Augen verloren hatte. Und warum er nicht gleich auf die Idee gekommen war, das eine könnte mit dem anderen vielleicht etwas zu tun haben.

      „Hürzeler“, bat er seinen Adjudanten laut um Aufmerksamkeit. Der kannte diesen Ton schon an Rüthli. Jetzt kam eine Prüffrage. Der Korporal stand unmerklich stramm. „Hürzeler, sag mir mal, wie du einen Leichnam vom Gletscher herab ins Tal transportieren würdest?“

      „Mit dem Heli, odder?“

      „Du hast aber gerade keinen Heli. Hubschrauber ist anderweitig im Einsatz. Was dann?“

      Der Korporal grübelte. Die Schlagzeile „Rätsel für Bergretter: Deutscher Ski-Doo schwimmt in der Flaz“ lag vor ihm und СКАЧАТЬ