Beim Zwiebeln des Häuters. Gerhard Henschel
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Название: Beim Zwiebeln des Häuters

Автор: Gerhard Henschel

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783862870462

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СКАЧАТЬ Flug von Krähen oder Schwalben, hinüber zu den langgestreckten Hügeln. Dich, mein stilles Tal, grüß ich tausendmal ...«

      Einfalt, Bierseligkeit und musikalisches Banausentum sind kein Grund zur Aufregung. Aber dass selbst die Bergvagabunden der sogenannten politischen Klasse darauf abfahren, stimmt bedenklich. Genscher hört Heino, Rudolf Scharping hört Konstantin Wecker, Gregor Gysi hört Barbara Thalheim, aber Bill Clinton hört Johnny Cash. Es führt kein Weg von Bad Münstereifel-Eicherscheid nach Washington.

      konkret 1/1996

      Was Friedrich Schorlemmer so denkt

      »Spiel das Spiel / Sieh das Ziel / Streu die Saat / Steig aufs Rad / Und sag es weiter« – Friedrich Schorlemmer, Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels und auch Dichter, hat in der Goldmann-Taschenbuchreihe »Querdenken!« veröffentlicht, was er denkt. Sein Erfolg gründet in der Begabung, sich mit unanstößigen Ecken und Kanten zu verzieren, wobei die Rede glatt und seifig bleibt. »Wir wachsen durch das Einander-Befragen«, teilt er mit und predigt gegen »das Weghören und Fernlassen, das Wegblenden und Abstumpfen« und für »das Gespräch der Menschen auf den Dörfern ringsherum«. Denn »Einverstanden sein wächst aus einem Sich-hinein-Verstehen«. Die Phrasensoftware dafür bekommt man über eine Kleinanzeige in der Zeitschrift Pfarrer und PC.

      Schorlemmer ist auch einer der Juroren, die regelmäßig das »Unwort des Jahres« auswählen. Dazu ist er berufen. Er hat die »Rückwärtserinnerung« und die »Mutlatte für den einzelnen« in die deutsche Sprache eingeführt, aber auch die »ideologische Angstlügenglocke« und die »Enkelverträglichkeit allen Tuns und Lassens«. Da muss man sich hinein verstehen. Und kaum weiß man, was Schorlemmer denkt, da erfährt man auch schon, was er ist oder vielmehr zufällig erst einmal nicht ist:

      »Zufällig bin ich keine vertriebene bosnische Muslimin, zufällig kein vertriebener Krajinaserbe, zufällig kein niederländischer Blauhelmsoldat.« Schorlemmer ist etwas tiefer (»Ich bin ein Abgrund«), etwas älter (»Ich bin Adam«), etwas sündiger (»Ich bin Kain«) und etwas großspuriger (»Ich bin Abraham«). Und was nicht noch alles: »Ich bin David, Uria, Bathseba, bin Akteur und Opfer tragischer Beziehungskonflikte, zwischen Lust, Liebe und Verbrechen.«

      Eine klingende Schelle, ein tönend Erz.

      Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.2.1996

      Dariusz Michalczewski!

      Jedesmal, wenn Sie einen Boxkampf gewonnen haben, reißen Sie ihren eingedeutschten Rachen bis zum Anschlag auf und lassen alles in die Kameralinse quellen, was Sie zu bieten haben: Zunge, Zähne, Gaumen und Gaumenzäpfchen. Das ganze Gerümpel. Und wir müssen den Anblick ertragen – kaum eine Woche vergeht, in der uns beim Blättern im Zeitschriftenmüll nicht plötzlich Ihr bescheuertes, feuchtes, mit Gebrüll geblecktes, perlweiß-knallrot gefärbtes Schlundbiotop entgegen klafft. Schön ist was anderes.

      Dem Spiegel haben Sie aber nun erzählt, dass Sie »frei und dicke leben« wollten (»dann scheiße ich auf die Quote«), dass Henry Maske im Gegensatz zu Ihnen nur »Mist geboxt« habe und dass Sie stolz auf Ihre Freundschaft mit Heino seien, »der einfach Bock auf mich hat«.

      Eingedenk dessen, was Sie in den kurzen Maulsperrenpausen herauslassen, möchten wir Ihnen empfehlen, doch lieber wieder dem Ausstoßen unartikulierter Schreie den Vorzug zu geben. Auch wenn uns der Anblick schmerzt. Bitte entscheiden Sie sich! Schreien oder Scheiße reden. Beides zusammen ist zu viel für uns.

      Titanic

      Titanic 5/1996

      Die 89er

      Eine komische Generation

      Früher hat es noch halbwegs plausibel definierte Generationen gegeben – die Flakhelfergeneration, die skeptische Generation, die Halbstarken und die 68er. Soziologen, die sich einen Namen machen wollten, versuchten später, die »78er« als eigenständige Generation publizistisch und akademisch durchzusetzen. Die »78er« waren angeblich vom Deutschen Herbst und der Energiekrise geprägt, verschwanden aber mangels Masse rasch wieder in der Versenkung. Auch die kurz darauf erfundene, triebhaft Häuser besetzende und die Atomkraft verneinende Generation der »81er« hielt sich nicht besonders lange in der Diskussion. Als Geschenk des Himmels fiel den zuständigen Soziologen und Essayisten nach langen Dürrejahren die »Generation X« in den Schoß. Diese Generation war schon in den USA entdeckt, beschrieben und beglaubigt worden, und es ließ sich herrlich haltlos darüber theoretisieren, wer oder was sie eigentlich sei, was sie wolle, wovon sie lebe, welche Musik sie höre und welche Wäsche sie trage.

      Und dann, als der Tag in der Zeit-Redaktion einmal besonders lang gewesen war, dachte sich der dort einsitzende Redakteur Ulrich Greiner wiederum eine völlig neue Genration aus – die »89er«. Es wird die Spur von Greiners Erdentagen erst in Quartalen untergehen, denn der Soziologe Claus Leggewie schrieb sofort ein Buch über die »89er«, und inzwischen haben auch die Sympathisanten des rechten Flügels der Schüler-Union das Stichwort aufgeschnappt.

      Sie reklamieren für sich, die »89er« zu sein und für eine Generation zu sprechen, die wieder stolz darauf ist, deutsch zu sein und die Todesstrafe gut zu finden. Das Forum dieser »89er« ist der Ullstein-Verlag, der ihnen die Möglichkeit geboten hat, einen nationalen Frühschoppen mit ganz wenigen Journalisten aus einem einzigen Land zu veranstalten und ein Buch daraus zu machen. Es heißt »Wir ’89er – Wer wir sind und was wir wollen«. Herausgegeben hat es Roland Bubik, ein Student, der sich darum bemüht, »Deutschland eine Seele zu geben«. Im Vorwort erklärt er kühn: »Der vorliegende Band ist Angebot, Herausforderung und Provokation zugleich. Er stellt die erste Manifestation einer Generation dar, mit der man in Zukunft zu rechnen haben wird. Hier sprechen wir. Wir ’89er.«

      Die Beiträger entstammen den Jahrgängen 1966 bis 1976 und werden sich wahrscheinlich schon bald für ihren rechtsdrehenden Quark genieren. Es wäre aber schade, wenn sie vom rechten Wege abkämen, denn sie sind ausgesprochen possierlich und amüsant, und was sie von sich geben, ist von hohem Unterhaltungswert. Sie glauben an Gott, tragen wieder Schmiß und Scheitel und betrachten sich als Elite der Menschheit. Ihre Lieblingssymbole sind Lebensrunen und Zeremonienkreuze, ihre Hausautoren sind d’Annunzio, Tolkien, Ernst Jünger und Richard Bach. Musikalisch bevorzugen sie Schumann, Techno, Marienhymnen, Johann Sebastian Bach und Udo Jürgens.

      Und wie sie aussehen! Die beigegebenen Passfotos zeigen mit Biskin und Brisk frisierte Kinnmuskelspanner, kniepäugelnde Blitzmädel und Milchgesichter – lauter lustige Nussknacker, deren Anblick Kraft durch Schadenfreude spendet.

      »Meine Fuxenzeit bei der Hansea-Alemannia Hamburg bedeutete für mich rege Teilnahme an den Fuxenstunden«, berichtet der Burschenschafter Patrick Martens, der an die Trinität von »Ehre-Freiheit-Vaterland« glaubt und seinen Vaterlandsbegriff durch rege Teilnahme an den Fuxenstunden auf Vordermann gebracht hat. »Der Vaterlandsbegriff wird auf das Volkstum bezogen verstanden«, doziert der uniformierte Torfrock-Fan und bedauert, »dass die Mensur als Ausdruck studentischen Ehrbegriffs leider in den Hintergrund« gerückt sei.

      Wer kein »89er« ist, der macht sich von Vaterland und Ehre keinen Begriff mehr und ist überhaupt arm dran, sehr zum Leidwesen des Herausgebers Bubik: »Ich sehe mich schon heute von mehr und mehr Jugendlichen umgeben, denen zwei zentrale Achsen des mitteleuropäischen Menschen fehlen: die von Vergangenheit und Zukunft sowie die von Schuld und Erlösung.« Die bis heute übliche zentrale Achse von Ernie und Bert hingegen fördert nur »die Auflösung der Identität unseres Volkes« (Bubik).

      Dieter Stein, der Herausgeber der braunen Schülerzeitung Junge Freiheit, genießt den Vorzug einer unaufgelösten völkischen Identität: »Die Erziehung seitens meiner Eltern war gesamtdeutsch.« Das ist wunderschön formuliert. Weniger schön sind Steins Lebensumstände, СКАЧАТЬ