Beim Zwiebeln des Häuters. Gerhard Henschel
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Название: Beim Zwiebeln des Häuters

Автор: Gerhard Henschel

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783862870462

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СКАЧАТЬ auch die Verteufelung ihrer Literatur und Literaten ziemlich pauschal weitergehen und sich wenig ändern.«

      Eine originelle Idee, wie er besser an die Fleischtöpfe kommt, hat der Dichterprediger Walther Petri (»Ich bin klein, aber wichtig«): »Dringend erforderlich erscheint mir, mit angemessenen finanziellen Mitteln nicht nur Kultur generell, sondern in meinem Fall die kleinen aktiven ostdeutschen Verlage zu unterstützen, denn das Wegbrechen von jeglicher Kultur befördert auf eine inkommensurable Weise zerstörerische Tendenzen in der Gesellschaft.« Wenn sie nicht unablässig Stipendien, Preise und Medaillen dafür erhalten, dass sie klein, aber wichtig sind, schwant den Butzemännchen gleich der Untergang des Abendlandes.

      Aber ist die geistig-kulturelle Einheit mit Jürgen Fuchs und Bernd-Dieter, mit Lehrerbildnern und Spesenrittern und Freizeitdichtern, die einen Trippeltrappel und einen Appel an der Stirn haben, denn überhaupt erstrebenswert? Was haben die Anthologisten mitzuteilen, das so wichtig ist, dass Theo Waigel Schulden machen muss, um es unter die Leute bringen zu können?

      Der zweifache Nationalpreisträger Erik Neutsch zum Beispiel bekämpft den »Alleinvertretungsanspruch der bürgerlichen Ästhetik« mit einem Roman, der davon handelt, dass ein braver Schlossermeister aus dem Osten einen »aus dem Westen stammenden Finanzdezernenten« umbringt, wobei es Neutsch darum geht, »die gesellschaftlichen Hintergründe zu benennen, die im Prozess der Wiedervereinigung auftraten«. Ein pfiffiger Plot: Treten Hintergründe auf, gehen Dezernenten drauf.

      Nicht nur der schreibende Bulldozer Neutsch, auch der Dramaturg Bernd Schirmer hat einen großen Wenderoman vorgelegt. Er heißt »Schlehweins Giraffe« und handelt davon, dass ein Zoo im Osten von der Treuhand »abgewickelt« wird. Schlehwein, der Held des Romans, schlurft mit Pinsel und Papier zum Schauplatz des Grauens: »Schlehwein war mit seinem Zeichenblock von Gitter zu Gitter gegangen und hatte die Tiere porträtiert, um sie der Nachwelt zu bewahren. Ich habe nie so traurige Tierbildnisse gesehen.« Das geht ans Herz: Die Wiedervereinigung hatte die Tiere in eine Identitätskrise gestürzt. »Leicht zu verkaufen waren die Rhesus-Äffchen, vor allem an dynamische Jungunternehmer, die sie als besondere Attraktion für ihre neu eröffneten Läden nutzten.«

      Kein Klischee wird ausgelassen, jeder noch so spillerige Einfall wird augenblicklich in die Maschine genagelt, und am schönsten ist es, wenn dabei Grammatik und Logik auf der Strecke bleiben. Denn hier kommt Lutz – Lutz Rathenow, der immer noch schreib-schreib macht, obwohl ihm Hermann L. Gremliza eindringlich davon abgeraten hat. »Die Selbstzufriedenheit des alten Neudeutschlands«, schreibt Rathenow, »erscheint mir so merkwürdig verschroben, so problemfremd, so dass ich heute nicht mehr weiß, ob das Verschwinden Osteuropas nur den Beginn vom Ende einer bestimmten Zivilisation einläutete.« Wie meinen? »Das Desinteresse / die Unkenntnis des Westens am Osten insgesamt wird sich rächen.« Wie der Ministerialrat Boeger darauf verfallen konnte, dass Lutz Rathenows Gestammel eine Werbung für die Kenntnis »am Osten« sei, steht dahin.

      Lutzreif schreibt auch Uwe Saeger (»Die Umbenennung des Feuers«): »Das Berufliche an sich, und damit meine ich das Schreiben, den Vorgang, wo das Ich sich in der Notation des Stoffes realisiert, ist unverändert; die für mich nötige Hermetik des Schreibenden-Seins ist ein nicht antastbarer Imperativ meiner Existenz.« Es ist unwahrscheinlich, dass irgendwer den Imperativ der Existenz von Uwe Saeger antasten möchte. Doch er muss damit leben, dass sein Genie von dem der Dichterin Gabriele Stötzer weit übertroffen wird.

      Den Untergang der DDR, betont sie, »fand ich als gerecht«, und dann breitet sie 22 Seiten lang ihre kleingeschriebenen, ohne Punkt und Komma zusammengestoppelten Fickgeschichten aus – »ich ficke dich ich kann mit deinem schwanz in mir spielen«, hört, hört, »dabei ist mein fickfleisch schon dem süffizianten geschmack der sich durch dein lecken in mir multipliziert ich spüre es sprießen unsere geilheit bringt mich hoch ein orgasmus tänzelt ich verdränge ihn und der druck bringt den schmerz noch mal hoch den der vergangenen jahre vor der wende 4 jahre ohne ficken gelebt ...«

      Minsierialrat Boeger vertritt die Auffassung, dass die Texte der Anthologie einen Beitrag »zur Erziehung zum Frieden und zur gewaltfreien Konfliktlösung« leisteten, doch in Wirklichkeit ergeben sie nur einen eigenartigen, von Stümpern gestrickten Jammerlappen, seltsam miteinander verknüpft und verwoben.

      2.230 Seiten Makulatur für Lehrerbildner – der Bund der Steuerzahler sollte sich der Sache annehmen.

      Titanic 10/1995

      Trompete des Volksempfindens

      Kulturkritik mit Klaus Rainer Röhl

      Der Leserschaft »zur vergnüglichen Lektüre« empfiehlt Klaus Rainer Röhl sein »Deutsches Phrasenlexikon«. »Den Lesern dieses Buchs empfehle ich deshalb als Therapie: Erst mal ablachen.« Was Eckhard Henscheid mit seinem Wörterbuch »Dummdeutsch« gelungen ist – Begriffe der aktuellen Schaumsprache aufzuführen und der Lächerlichkeit preiszugeben –, musste Röhl, der das meiste einfach aus Henscheids Buch übernommen hat, missglücken, denn ihn leitet allein sein politisches Ressentiment. Röhl passt die ganze Richtung nicht.

      Wenn von »Streitkultur«, »Politikverdrossenheit« und »Emanzipation« die Rede ist, glaubt Röhl polemisch leichtes Spiel zu haben. Viel Mühe hat er sich jedenfalls nicht gegeben: Die Mehrzahl der Begriffe und Wendungen qualifiziert er schlicht und einfallslos als »toskanisch«, »toskanadeutsch«, »frühtoskanisch«, »alttoskanisch«, »hochtoskanisch«, »nordtoskanisch«, »medientoskanisch«, »gewerkschaftstoskanisch« oder »realtoskanisch«. Wenn er dann auch noch »grüne Toskanatantchen« verspottet, hält sich die angekündigte Vergnüglichkeit in engen Grenzen.

      Gleich elfmal präsentiert er eine Gleichung, die schon beim ersten Mal weder komisch noch erhellend, sondern nur vulgär war – »Autonomendeutsch (= Scheißdeutsch)« –, und mangels Pointen schließt er seine Einträge mit Floskeln ab: »Noch Fragen?« – »Noch Klärungsbedarf?« – »Alles klar für die nächste Party?«

      Und als sei er niemals der Herausgeber von konkret gewesen, spricht Röhl jetzt herablassend »von winzigen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit erscheinenden altkommunistischen Sudelblättchen«. In Pardon, schreibt er, hätten Robert Gernhardt und Friedrich Karl Waechter »eine freischwebende Blödel-Ecke namens ›Wiese‹ mit Beiträgen« versehen. Möglicherweise meint er die unter dem Kürzel »WimS« bekannte, ja: berühmte Kolumne »Welt im Spiegel«. Eine »Wiese« hat es in Pardon nie gegeben. Mit Fakten geht Röhl überhaupt generös und erstaunlich lax um. Harry Rowohlt, teilt er mit, veröffentliche in der Zeit eine Kolumne, »in der der kauzige Permatrinker aus Hamburg-Eppendorf auf gestelzte Art zum Ausdruck bringt, dass er fast alle übrigen Menschen bekloppt findet«. Auch hier hat Röhl sein Ressentiment dem Augenschein vorgezogen.

      Nicht einmal der Spott über Esoteriker und Selbsterfahrungsgruppen ist so billig zu haben, wie durchschnittliche Kabarettisten und neuerdings auch Klaus Rainer Röhl sich das vorstellen. Wenn er sich über »Willensänderung durch Fußreflexzonenmassage« lustig zu machen versucht, offenbart er nur seine Ahnungslosigkeit. Jene obskuren Gestalten, die sich »gruppendynamischer, die Seele aufrüttelnder Tanzgymnastik zu fernöstlicher Musik und gemeinschaftlich betriebenen Zärtlichkeitsübungen (altdeutsch: Ringelpietz mit Anfassen, neudeutsch: rudelbumsen)« hingeben, bevölkern eher Röhls Phantasie als sein teures Vaterland.

      Früher war alles besser. »Doch bald etablierten die Wächter der political correctness einen Tugendterror, der sich mit dem der Jakobiner durchaus messen könnte«, stellt er fest. Diesen verblüffenden Befund hat der Zeichner Klaus Böhle für das Lexikon ins Bild gesetzt: Eine seiner Karikaturen zeigt die Köpfe von Philipp Jenninger und Stefan Heitmann im Strohkorb vor der Guillotine.

      Röhl sieht, mitten unter uns, Köpfe rollen, und er registriert nicht nur »Knoblauchkränze« und »Asylantengruppen«, die ihm »durch ihre Tänze oder ihre in Parkanlagen gegrillten Knoblauch-Klopse« unangenehm СКАЧАТЬ