Название: Der König und sein Spiel
Автор: Dietrich Schulze-Marmeling
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783895338465
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Ein reiner Amateur war aber auch Lenstra nicht mehr. In Heerenveens Gemeindeverwaltung verdiente er knapp 500 Gulden im Monat, fast das doppelte Salär eines normalen Arbeitnehmers. Nach der Legalisierung des Professionalismus wechselte Lenstra zum SC Enschede, zunächst als Halbprofi. 1958 betrug sein Verdienst bereits ca. 3.600 Gulden jährlich, womit er an der Grenze dessen lag, was der KNVB für die Profis genehmigt hatte. Hinzu kamen Einnahmen aus Länder- und Gastspielen. Und wie sein Freund und Manager Willem ter Riet später berichtete, zahlte ihm der Klub noch einmal monatlich 500 bis 600 Gulden „unter der Hand“. Im Mai 1958 nahm Lenstra – als erster niederländischer Sportler überhaupt – eine Schallplatte auf, auf der der Fußballstar die Titel „Geen worden, maar daden“ („Keine Worte, sondern Taten“) und „Bij ons in Holland“ („Bei uns in Holland“) trällerte.
Den aus Rotterdam stammenden Bram Appel zog es wie Kees Rijvers nach Frankreich. Im Zweiten Weltkrieg war der Mittelstürmer von den deutschen Besatzern zur Zwangsarbeit nach Deutschland gebracht worden, wo er ab 1942 für Hertha BSC Berlin auf Torejagd gegangen war. Nach Kriegsende kehrte Appel in die Heimat zurück, wo er für ADO Den Haag und Sittard kickte, bevor auch er dem Ruf des französischen Profifußballs folgte. Zur Saison 1949/50 nahm Stade Reims den Niederländer unter Vertrag. In den folgenden Jahren avancierte Stade zu einer nationalen und europäischen Topadresse. Bis 1954 spielte Appel u. a. an der Seite von Raymond Kopa, 1958 Europas Fußballer des Jahres, Albert Batteux, der bei der WM 1958 die Nationalmannschaft Frankreichs betreute, Robert Jonquet, Léon Glovacki, Armand Penverne und Roger Marche. Als Stade 1952/53 Meister wurde, schoss Appel in 32 Spielen 30 Tore. Im Jahr seiner Ankunft hatte er mit den Rémois bereits den Pokal geholt. 1954 wechselte der Torjäger in die Schweiz zu Lausanne Reims.
Für Wilkes, Rijvers und Appel bedeutete das Auslandsabenteuer eine Unterbrechung ihrer Nationalspielerkarriere. Wilkes und Rijvers gehörten zwar zur niederländischen Olympiamannschaft von 1948, aber anschließend wurde ihre Nationalspielerkarriere für mehrere Jahre beendet. Beide kehrten erst 1955 in die Nationalelf zurück. Ohne den Ausschluss der Auslandsprofis hätten die Niederlande wohl bereits in den frühen 1950ern über eine anständige und international konkurrenzfähige Nationalelf verfügt.
Deichbrüche
In jene Jahre, da die Elftal auf die Mitwirkung von Auslandsprofis verzichtete, fiel ein Benefizspiel, das historische Bedeutung erlangen sollte, da es als Katalysator für die weitere Entwicklung wirkte.
In der Nacht vom 31. Januar auf den 1. Februar 1953 waren große Teile der niederländischen Küste von einer Sturmflut heimgesucht worden, die als größte Nordsee-Flut des 20. Jahrhunderts gilt. Auf einer Strecke von 187 Kilometern brachen 89 Deiche. 1.835 Niederländer bezahlten die Katastrophe mit ihrem Leben. Die Regierung rief den Notstand aus, und überall im Land wurden Spenden gesammelt.
Auch der Fußball wurde aktiv. Am 7. März 1953 veranstaltete der KNVB in Rotterdam ein offizielles Spiel zugunsten der Stichting Nationaal Rampenfonds (Stiftung Nationaler Katastrophenfonds), bei dem die niederländische Nationalelf Dänemark empfing. Im Feyenoord-Stadion De Kuip unterlag die Elftal vor 60.000 Zuschauern mit 1:2, den Anschlusstreffer erzielte Abe Lenstra. Wer auch sonst, die anderen niederländischen Stars spielten ja im Ausland.
Der letzte Sieg einer KNVB-Auswahl lag nun bereits zehn Spiele und fast zwei Jahre zurück. Am 15. April 1951 hatte man den Nachbarn Belgien mit 5:4 besiegt. Zweimal hatte Lenstra zugeschlagen. Von den folgenden neun Spielen wurden sieben verloren, zwei endeten mit einem Unentschieden. Die gesamte Nachkriegsbilanz der Elftal war niederschmetternd. Von den 36 Spielen, die sie im Zeitraum 10. März 1946 bis 7. März 1953 bestritt, gingen 18 verloren. Nur elf Begegnungen wurden gewonnen, sieben endeten mit einem Unentschieden. Und diese Negativserie sollte weiter anhalten. Von den neun Spielen, die die Elftal nach dem Benefizspiel und bis zum Ende des Jahres 1954 absolvierte, gingen acht verloren. Ein Erfolgserlebnis gab es erneut nur gegen die Belgier.
Nur fünf Tage nach dem Benefizspiel von Rotterdam sorgte eine andere Begegnung für Wirbel. Auch die niederländischen Auslandsprofis wollten Geld für die gebeutelte Heimat sammeln und vereinbarten ein Spiel gegen eine französische Auswahl, die vornehmlich aus Akteuren von Stade de Reims (u. a. Kopa) und dem Racing Club Paris bestand. Die Initiative zu diesem Spiel war von Theo Timmermans ausgegangen, der seit 1950 bei Olympique Nimes spielte. Als 1961 die Profispieler-„Gewerkschaft“ Vereiniging van Contractspelers gegründet wurde, wählte man Timmermans zum ersten Präsidenten. Sein engster Mitstreiter bei der Organisation des Benefizspieles war Bram Appel, der mit seinen Kontakten in Paris half. Am 12. März 1953 war es so weit. 40.000 Zuschauer kamen in den Pariser Prinzenpark, darunter einige tausend Niederländer.
Dem KNVB war das Spiel ein Dorn im Auge, und er drohte mit einem Verbot des Spiels. Im Vorstand wollte nur Schatzmeister Lo Brunt das Amateurstatut auf den Misthaufen der Geschichte werfen. Brunt hatte eine prächtige Idee: Timmermans und Appel sollten um die Unterstützung von Prinz Bernhard ersuchen, der im Katastrophenfonds den Vorsitz führte und folglich die Benefizaktion begrüßen musste. Nach einer Intervention des Prinzen gab der KNVB seine Verbotsbestrebungen tatsächlich auf. Stattdessen unternahm man nun alles, um den Eindruck eines offiziellen Länderspiels zu vermeiden. Das Abspielen der Nationalhymne wurde ebenso verhindert wie ein Auflaufen in Oranje-Hemden. Statt „Het Wilhelmus“ wurde vor dem Anpfiff die alte Nationalhymne „Wien Neerlands Bloed“ gespielt, statt Orange trug man die Farben der niederländischen Flagge – die Trikots rot, die Hosen weiß und die Stutzen blau.
Im Tor der Profis stand Frans de Munk vom 1. FC Köln. In Deutschland genoss der Spitzenspieler immerhin bereits den Status eines Vertragsspielers, der nicht mehr Amateur, aber auch noch kein richtiger Profi war. Leistungsträgern wurde allerdings häufig mehr gezahlt als offiziell gestattet. Der Rest der Akteure, die im Prinzenpark aufliefen, verdiente sein Geld in Frankreich: In Nantes (Vreeken, van Geen), Lille (van der Hart), Bordeaux (de Kubber, de Harder), Reims (Appel), Rouen (de Vroet), Paris (Schaap), St. Etienne (Rijvers) und Nimes (Timmermans). Es fehlte Faas Wilkes, dem sein Arbeitgeber AC Turin keine Freistellung erteilt hatte.
Die Auswahl niederländischer Profis schlug die Franzosen um Raymond Kopa und Roger Marche mit 2:1. In der 34. Minute hatte Saunier Les Bleus aus abseitsverdächtiger Position in Führung geschossen. Bertuus de Harder glich in der 58. Minute aus. In der 81. Minute gelang Bram Appel auch noch der Siegtreffer. Cor van der Hart nach dem Abpfiff: „Wir haben die französische Nationalmannschaft besiegt, das ist fantastisch. Aber wir haben auch bewiesen, wozu wir Berufsfußballer- in der Lage sind. Wird unser Amateurverband die Bedeutung dieses großartigen Erfolges begreifen?“
Obwohl das als „Hollandais Pros“ angekündigte Sammelsurium noch niemals zusammengespielt hatte, bewies es doch eindrucksvoll, was der offiziellen Nationalelf durch den Ausschluss der Profis entging. „L’Équipe“ machte dabei eine interessante Beobachtung, die bereits auf die weitere Entwicklung des niederländischen Fußballs verwies: „Die Franzosen streichelten den Ball. Die Holländer spielten ihn.“
Auch Abe Lenstra, der prognostiziert hatte, die Franzosen würden „ungefähr vier zu null“ gewinnen, war tief beeindruckt. Die niederländischen Profis hätten sich nach dem Verlassen der Heimat taktisch, technisch und konditionell enorm verbessert. Als man ihn fragte, ob er gerne mitgespielt hätte, antwortete das Idol der Amateurideologen: „Und ob ich gewollt hätte! Endlich Spieler, von denen man gute Zuspiele hätte kriegen können.“
Die niederländische Zeitschrift „Sportief“ hatte bereits zwei Monate vor dem Spiel die KNVB-Politik heftig kritisiert: „Wenn die Pariser Oper einem musikalisch begabten jungen Holländer einen Vertrag als Violinist anbietet, betrachten wir das als eine Ehre. Bei Fußballspielern sieht das ganz anders aus. (…) Die holländischen Profis in Frankreich werden als minderwertige Wesen angesehen, weil sie ihr Brot mit Fußball verdienen (…), obwohl sie СКАЧАТЬ