Der König und sein Spiel. Dietrich Schulze-Marmeling
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der König und sein Spiel - Dietrich Schulze-Marmeling страница 14

Название: Der König und sein Spiel

Автор: Dietrich Schulze-Marmeling

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

Серия:

isbn: 9783895338465

isbn:

СКАЧАТЬ auf seine (angeblich) kalvinistische Erziehung zurückführen.

      Guillaume Groen van Prinsterer (1801-1876), der Namensgeber von Johans Schule, war ein Staatsmann, Geschichtsschreiber und Publizist und erklärter Gegner des Liberalismus. Van Prinsterer beeinflusste stark den protestantischen Theologen und Politiker Abraham Kuyper, der 1879 die Anti-Revolutionaire Partij (ARP) gründete. Das „antirevolutionär“ bezog sich auf die Ablehnung der Ideen der Französischen Revolution. Van Prinsterer wie Kuyper wollten die niederländische Gesellschaft zu einer kalvinistischen, am Ideal des 17. Jahrhunderts orientierten Nation unter Führung des Hauses Oranien formen, die aber Fremde und Minderheiten respektierte.

      In der Zeit der Besetzung durch Nazi-Deutschland spielte die orthodoxe Strömung der Niederländischen Reformierten Kirche eine eher positive Rolle. Viele „Antirevolutionäre“ beteiligten sich am Widerstand und versteckten jüdische Mitbürger. Für den britischen Holocaust-Forscher Bob Moore ragten „die Leistungen der Orthodoxen weit über die anderer Glaubensgemeinschaften hinaus“. Der niederländische Schriftsteller und Chronist seines Landes, Geert Mak, vermutet, dass die Orthodoxen zur Hilfe bereit waren, „weil sie im Schicksal der Juden ihr eigenes Selbstbild als verfolgtes Volk Gottes wiedererkannten. Trotz des Misstrauens gegenüber den jüdischen ‚Fremden‘ empfand man es fast als religiöse Pflicht, in diesen Zeiten höchster Not an der Seite des alten Volkes Abrahams, Isaaks und Jakobs zu stehen.“ Außerdem hätten die Orthodoxen „ganz und gar allergisch auf jede staatliche Einmischung und überhaupt auf Eingriffe von oben reagiert. Sie hatten ja nicht ohne Grund den sicheren Hafen der Staatskirche verlassen, um überall ihre eigenen Gemeinden zu gründen, und das Gleiche galt für die eigenen Schulen, die eigenen Zeitungen und all die anderen Einrichtungen, die sie unter großen Opfern ins Leben gerufen hatten. Das totalitäre Nazi-Regime verletzte diese Autonomie schon bald auf rücksichtslose Art, und auch hierauf reagierten sie ungewöhnlich heftig.“

      Nach der Schule kickt Cruyff auf den Straßen Betondorps und den Bolzplätzen rund um das Ajax-Stadion. Oder er geht dem Ajax-Platzwart Henk Angel zur Hand. 1996 erzählt Cruyff den Journalisten Frits Barend und Henk van Dorp: „Als ich in der Ersten debütierte, hatte ich bereits ein ganzes Fußballleben in De Meer hinter mir. Ich habe nur gute Erinnerungen an De Meer. Ich kannte jeden Winkel. Ich war siebzehn, als ich debütierte, aber damals lief ich dort bereits seit zehn Jahren herum. Ich habe Eckfahnen gesetzt, Schuhe geputzt, Stollen eingeschraubt, Gänge gestrichen, Sand in die Tore gestreut; bei allem half ich Onkel Henk, soweit ich das als Kind konnte. Wir haben Schnee geräumt, Rasen gemäht, haben Netze aufgehängt, Linien gezogen, am Sonntag auf dem Tribünendach die Flaggen aufgehängt. Ich war Tag und Nacht da.“

      Am 25. April 1957, seinem zehnten Geburtstag, wird Cruyff in die Jugendmannschaft von Ajax aufgenommen. Als Mitglied hat ihn sein Vater bereits 1952 einschreiben lassen. Cruyff muss kein Probetraining absolvieren. Der Jugendtrainer Jany van der Veen, der später u. a. auch Clerence Seedorf für Ajax entdeckt, hat das Talent häufig genug auf den Straßen Betondorps spielen sehen. Jany van der Veen widmet sich dem Nachwuchs mit einer Intensität, als trainiere er eine Profielf. Cruyff hat das große Glück, dass der Klub bereits zu dieser Zeit mit den Jugendlichen auch individuell trainiert.

      Schulabbrecher, Autodidakt und erstes Gehalt

      1959 ereilt den zwölfjährigen Johan Cruyff ein schwerer Schicksalsschlag. Manus Cruyff stirbt nur 45-jährig an einem Herzleiden. Der frühe Tod des Vaters, mit dem der Sohn viele intensive Gespräche geführt hat, ist von prägender Bedeutung für Johan und erklärt vielleicht auch die spätere starke Hinwendung zu seinem Schwiegervater Cor Coster und dessen Familie. Simon Kuper zitiert den ehemaligen Ajax-Psychologen Dolf Grunwald: „Cruyff lehnt jegliche Autorität ab, weil er – unbewusst – jeden mit seinem Vater vergleicht.“ Als Roelf Zeven die psychologische Betreuung des Ajax-Teams übernimmt, soll Cruyff mit ihm permanent über seinen Schwiegervater Cor Coster gesprochen haben.

      Die Familie Coster ist wohl auch der wesentliche Grund für das extrem schlechte Verhältnis zwischen Johan Cruyff und seinem zweieinhalb Jahre älteren Bruder Henny. Auch Henny spielte in der Jugend für Ajax, verfügt aber bei Weitem nicht über das Talent seines Bruders. Für Henny Cruyff, der 1968 in der Elandsgracht im Jordaan ein Sportgeschäft eröffnete und sich heute in einer lokalen Bürgerinitiative für die Belange seines Viertels engagiert, hat der Bruder seine eigene Herkunft gewissermaßen verraten. Dafür macht er Johans Hinwendung zur Coster-Familie verantwortlich, wie ein naher Bekannter vermutet: „Henny Cruyff glaubt, dass Cor Coster und die Familie Coster ihm den Bruder geraubt haben.“

      Vor einigen Jahren behauptete Henny Cruyff, Johans Schwiegervater Cor Coster sei im Zweiten Weltkrieg SS-Mann und stellvertretender Lagerführer in Lettland gewesen. Er kontrastierte dies mit der Geschichte seines Vaters Manus, der sich in der Zeit der deutschen Besatzung im Widerstand engagiert und dabei sein Leben riskiert habe – ein Vater also, auf den Johan, im Gegensatz zum Schwiegervater Cor Coster, stolz sein könnte. Seither kommunizieren die Brüder überhaupt nicht mehr miteinander. Stattdessen leiteten Johan und seine Frau Danny juristische Schritte ein, und Henny Cruyff musste die Behauptungen über Cor Costers Vergangenheit von seiner Homepage entfernen. Das Nederlandse Institut voor Oorlogsdocumentatie (NIOD), das von Henny Cruyff zunächst als Zeuge aufgeführt wurde, widersprach später einer SS-Mitgliedschaft Cor Costers. Dieser sei vielmehr zu einem Arbeitseinsatz in Lettland gezwungen worden. (Das NIOD – zunächst: Rijksbureau voor Oorlogsdocumentatie / RIOD – war bereits am 8. Mai 1945 gegründet worden. Seine Aufgabe war das Sammeln und Zugänglichmachen von Quellen über die Kriegsjahre 1940-1945. Es avancierte zur umfangreichsten Literatur- und Quellensammlung über die Zeit der Besatzung.)

      Nach dem frühen Tod ihres Mannes muss Nel Cruyff den Gemüseladen aufgeben. Zunächst arbeitet sie als Putzfrau und anschließend in der Kantine von Ajax, wodurch ihr Sohn Johan noch stärker in das Klubleben eintaucht. Im September 1959 wechselt der Zwölfjährige auf das Frankendaal-Ulo, einer höheren Schule in Watergraafsmeer. Aber der Unterricht interessiert ihn nicht, und nach zwei „Ehrenrunden“ beschließt Johan, die Schule ohne Abschluss zu verlassen, um sich ausschließlich dem Fußball zu widmen.

      Dass er später trotzdem ein gutes Englisch spricht – manche behaupten sogar, sein Englisch und sein Spanisch seien besser als sein zuweilen grammatikalisch etwas eigenwilliges Niederländisch –, hat er den englischen Ajax-Übungsleitern Keith Spurgeon und Vic Buckingham zu verdanken, bei denen er in den 1950ern und frühen 1960ern häufiger zu Mittag isst. Außerdem treibt ihn der Wille, alles aufzusaugen, was irgendwie mit Profifußball zu tun hat, und dazu gehört auch die englische Sprache. Dem Autor Simon Kuper erzählt er später: „Meine Schulzeit war nicht sehr lang. Deshalb musste ich alles in der Praxis lernen. Auch Englisch.“

      Später legt der Autodidakt und Schulabbrecher größten Wert auf Bildung und sorgt dafür, dass seine drei Kinder studieren. „Studium und Sport: diese beiden Dinge. Ich denke, dass Sport viel zu sehr unterbewertet, nicht wertgeschätzt wird. Ich denke, dass geistige Klarheit fast immer durch den Sport entsteht. Und Studieren, finde ich, sollte man auch.“

      Nach dem Ende seiner Karriere als Spieler und Trainer wird Johan Cruyff mit den Cruyff Institutes (Amsterdam, Barcelona, Mexiko, Stockholm), Cruyff Universities (Amsterdam, Tilburg) und Cruyff Colleges (Amsterdam, Enschede, Nijmwegen, Groningen Roosendaal) eigene akademische Einrichtungen gründen, die Leistungssportlern die Parallelität von Training und Studium ermöglichen sollen und sie im Sportmarketing ausbilden. Cruyff: „Meiner Ansicht nach besitzen Sportler bemerkenswerte Fähigkeiten. Sie sind intelligent, engagiert, begierig darauf, sich zu verbessern, und zielorientiert. Mit diesen Charakterzügen und dem richtigen akademischen Training können Sportler erfolgreich Führungspositionen in der Welt des Sportmanagements übernehmen. Gibt es jemand Besseren, zum Wohle des Sports zu handeln, als jemand, der das Herz eines Sportlers hat?“ In diesem Sinn kritisiert Cruyff am heutigen FC Barcelona die mangelhafte Spracherziehung seines Stars Lionel Messi: „Der Klub hätte bei der Erziehung Wert darauf legen müssen, dass Messi Englisch lernt. СКАЧАТЬ