Название: Kultur unterm Hakenkreuz
Автор: Michael Kater
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783806242027
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Nach der Machtergreifung besserte sich gleichwohl die Lage. Eingedenk der Versprechungen zur Wertschätzung deutscher Kultur und in Übereinstimmung mit Goebbels’ Propagandazielen erhielten die Theater mehr Geld. Zudem wurden neue Bühnen gebaut und Reichstheatertage und -wochen eingeführt, um in der Öffentlichkeit (zum Beispiel bei der HJ) größeres Interesse zu wecken.189 Auch insolvente Privattheater wurden konsolidiert und mit Staatsgeldern refinanziert, wobei hier und da jüdische Besitzer vertrieben wurden; so musste etwa Max Reinhardt seine fünf Berliner Theater aufgeben.190 In der Hauptstadt wurden vier prominente Theater unter ebenso prominenter Leitung als tonangebend auserkoren, darunter Görings Preußisches Staatstheater.191 Darüber hinaus benutzten Parteiführer ihre eigenen Organisationen, um die Theater mit neuen Besucherströmen zu füllen. Rosenberg setzte dafür seinen Kampfbund für deutsche Kultur und dessen Nachfolgerin, die Nationalsozialistische Kulturgemeinde ein, Robert Ley die vom Staat subventionierte Freizeiteinrichtung Kraft durch Freude der Deutschen Arbeitsfront. 1934 konnte Ley anderthalb Millionen Besucher (auf freiwilliger Basis oder nicht) mobilisieren, 1938 waren es bereits siebeneinhalb Millionen.192
Wie im Falle der Literatur entstammten viele Schauspiele, die nun als der neuen Zeit angemessen empfunden wurden, der »Kampfzeit« und hatten damals praktisch keine Chance, aufgeführt zu werden. Als sie nun von ihren Autoren – arm an Talent, aber reich an Bekenntnisfreude – angeboten wurden, hielten Theaterdirektoren und -kritiker bis hinauf zu Goebbels die Sachen noch immer für überflüssig und ignorierten sie.193 Eine ganze Reihe wurde trotzdem aufgeführt, häufig durch neu berufene NS-Gläubige, weil der Autor Beziehungen oder das Stück eine nützliche politische Botschaft hatte oder weil das Propagandaministerium die breite Masse via Unterhaltung bei der Stange halten wollte.194 Auch drängten bislang unbekannte Schauspieler ins Rampenlicht, und die Korruption blühte: Kaum war der drittklassige Schauspieler Otto Laubinger im Herbst 1933 zum Präsidenten der neuen Reichstheaterkammer in der RKK aufgestiegen, bestand er auch schon darauf, dass eine seiner jungen Freundinnen eine Rolle erhielt.195
Die erwähnten Theaterstücke – Komödien wie Tragödien – waren allesamt mittelmäßig, dafür aber propagandistisch-hinterhältig, weil sie, wie die Romane und die meisten Filme, nationalsozialistische Klischees bedienten: Der Mythos von der bäuerlichen Scholle fand Ausdruck in Bauern, die ihr Land und Erntegut gegen plündernde Soldaten (etwa im Dreißigjährigen Krieg) verteidigen, in einer norddeutschen Deichgemeinschaft, die den heldenhaft-todgeweihten Kampf gegen eine Sturmflut führt, oder im Widerstand gegen einen ausbeuterischen Grafen (in vorindustrieller Zeit). Unerlässlich für diese Mikrogemeinschaften war das Eingreifen eines starken Führers.196
Die Tapferkeit deutscher Soldaten im Ersten Weltkrieg wurde am Beispiel des Todes studentischer Freiwilliger bei Langemarck 1914 gewürdigt, Sowjetrevolutionäre und schwarze Soldaten aus den Kolonien dagegen waren des Teufels. Dasselbe galt für Kriegsgewinnler, den Waffenstillstand vom November 1918 und den Versailler Vertrag vom Sommer 1919.197 Deutsche in ostpreußischen Gebieten, die seit 1918 Polen begehrte, wurden gefeiert, die Polen verächtlich gemacht.
Ebenso verfuhr man mit der Tschechoslowakei.198 Die Stadt wurde ab-, das Landleben aufgewertet; Ahnenverehrung stand hoch im Kurs.199 Moderne Entwicklungen wie Frauenrechte wurden bespöttelt, die »rassisch« und sozial homogene »Volksgemeinschaft« dagegen mit Beifall bedacht.200 Antisemitische Ausfälle und solche gegen Sinti und Roma durchzogen viele dieser Stücke.201 Die Verlage zeigten sie zwar unter eher langweilig erscheinenden Titeln an, doch ist dem heutigen Beobachter klar, dass die Schauspiele keineswegs harmlos waren.202
Einige Schauspiele waren inhaltlich nicht nationalsozialistisch, konnten aber ungehindert aufgeführt werden, weil die Autoren Nationalsozialisten waren. Insbesondere galt dies für Goebbels’ Drama Der Wanderer von 1927, das im Mai 1933 in Leipzig aufgeführt wurde. Sein Protagonist, der »Wanderer« ist »ein hellsichtiger Deuter alles Geschehens« (also ein Doppelgänger Hitlers), der von »dem Dichter« begleitet wird. Die Leipziger Neuesten Nachrichten (eine gleichgeschaltete Zeitung) wies auf die »politischen und propagandistischen Absichten« hin, über den Erfolg ist nichts bekannt.203 Ein früher Parteigänger Hitlers war dessen väterlicher Freund Dietrich Eckart, der kurz nach dem Münchner Putschversuch von 1923 an den Folgen seines Alkoholismus starb. Von ihm verfasste Dramen wurden bald nach der Machtergreifung aufgeführt, einige davon zum ersten Mal. Sein bekanntestes und noch vor dem Ersten Weltkrieg sehr erfolgreiches Stück Peer Gynt (1912, nach Henrik Ibsen) trug expressionistische Züge und wurde nach 1933 häufig von regimeeigenen Bühnen gespielt, wozu insbesondere der ihm innewohnende Antisemitismus beitrug.204 Ein eher zweitrangiger Parteitroll war Rosenbergs Adjutant Thilo von Trotha, einer der Hoffnungsträger der Bewegung, der seine Machtposition dazu nutzte, seine Stücke – Engelbrecht, Gudrun und Princess Plumpudding – zur Aufführung zu bringen. Von Trotha entstammte einer baltischen Baronatsfamilie und war von der Thematik des Nordischen besessen. In diesem Zusammenhang hatte er Richtlinien für die neue deutsche Bühne formuliert: »Die Auswahl der Schauspieler wird nach rassischen und weltanschaulichen Grundsätzen getroffen.« Die Schauspieler sollten eine eugenisch beeinflusste Haltung zu ihren Rollen haben, gutaussehend sowie jung und gesund sein.205 1938 starb Trotha im Alter von 34 Jahren bei einem Autounfall.
Ein paar waschechte nationalsozialistische Dramatiker waren nicht ohne Talent und hätten vielleicht auch unter anderen Bedingungen reüssiert. An vorderster Stelle ist dabei Hanns Johst zu nennen, der sich in der Weimarer Republik mit expressionistischen Dichtungen einen Namen gemacht hatte. Sein Schauspiel Schlageter von 1933 zeugte immer noch von diesem Einfluss. »Wenn ich Kultur höre … entsichere ich meinen Browning!« – dieser Satz wird häufig Göring zugeschrieben, stammt aber aus Schlageter und wird dort von dem Freund des Protagonisten, dem Freikorpskämpfer Friedrich Thiemann, gerufen. Es ist ein zutiefst expressionistischer Satz!206 Neben dem Hitler gewidmeten Schlageter wurde nur noch ein weiteres Johst-Stück im Dritten Reich aufgeführt, Thomas Paine. Es war häufig auf der Bühne zu sehen und wurde von erstklassigen Künstlern wie Gründgens, Minetti und Fehling gespielt. Johsts Beziehung zum Regime verbesserte sich dadurch weiter.207 Es war nicht von Bedeutung, dass die ursprüngliche Fassung, sehr expressionistisch gehalten und einen Führer feiernd, bereits 1927 veröffentlicht worden war und Johst sie nur den neuen Umständen entsprechend angepasst hatte. Schon bald war er gut Freund mit Goebbels, Himmler und Hitler (wenn nicht mit Göring) und schrieb fortan nichts Ernstzunehmendes mehr außer ein paar Gedichten und Traktaten, die seinem Ego und dem seiner Wohltäter schmeichelten. Schon bald zum SS-Gruppenführer befördert, wurde aus dem Dichter ein Pamphleteschreiber.208
Einer von Johsts Bewunderern war Josef Magnus Wehner, der wie Gerhard Schumann und Eberhard Wolfgang Möller als Hoffnungsträger einer nationalsozialistisch inspirierten Dichtung galt. Alle drei gehörten der NSDAP an, die beiden Letzteren zudem der SS. Wehner, Jahrgang 1891 und Kriegsveteran, hatte mit seinem anti-pazifistischen Roman Sieben vor Verdun (1930) Ruhm geerntet. Es war ein Buch im Geiste des kriegsverherrlichenden Werks von Heinrich Zerkaulen und erlebte im Dritten Reich viele Auflagen. In München war Wehner als Theaterkritiker und Theoretiker nicht ohne Einfluss.209 Gerhard Schumann (geb. 1911), ein junges Talent, das bereits 1936 einen Staatspreis erhielt, zeichnete zwei Jahre darauf in seinem Schauspiel Die Entscheidung die Moral von Freikorpskämpfern als Antithese zur angeblichen Intrigenwirtschaft in der Weimarer Republik. Sein Protagonist, ein ehemaliger kaiserlicher Oberst, wird 1920 von kommunistischen Aufständischen umgebracht.210 Wie der fünf Jahre ältere Eberhard Wolfgang Möller war Schumann im Propagandaministerium tätig. Möller, Gewinner des Nationalen Buchpreises, verfasste u. a. das Schauspiel Der Untergang Karthagos (1938). Das mit expressionistischen Anklängen durchsetzte Stück schildert die Phönizier im Moment der Bereitschaft, sich den römischen Invasoren zu ergeben. Die Phönizier tragen »jüdische« Züge, und ihr Stadtstaat soll als Korruptionsnest СКАЧАТЬ