Fettnäpfchenführer Ostfriesland. Sylvie Gühmann
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Fettnäpfchenführer Ostfriesland - Sylvie Gühmann страница 6

Название: Fettnäpfchenführer Ostfriesland

Автор: Sylvie Gühmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Книги о Путешествиях

Серия: Fettnäpfchenführer

isbn: 9783958892972

isbn:

СКАЧАТЬ Vorzüge, vermutlich aber baute VW das Werk auch wegen der massiv hohen Arbeitslosenquote in Ostfriesland. Um die 9.000 Mitarbeiter beschäftigt das Werk heute – für eines der Industrielöcher Deutschlands ein Segen. Heute kennt jeder in Ostfriesland jemanden, der bei VW arbeitet oder gearbeitet hat und sich zumindest in den Ferien am Band etwas dazuverdient hat. Das zeigt zugleich die starke Abhängigkeit von den großen Arbeitgebern. Der VW-Skandal sitzt den Ostfriesen noch schwer in den Knochen, nicht umsonst gilt der Spruch: »Wenn VW hustet, bekommt Ostfriesland eine Lungenentzündung.«

      Und da stehen sie nun und machen nichts, außer sie anzugucken. Wie die Schafe von ihrem Deich, denkt sie. Das kann so nicht weitergehen, ihr wird schon ganz warm vor Verlegenheit. Sie räuspert sich. »Wo wir gerade schon so nett beisammenstehen – woher kommt ihr denn eigentlich so?« Offene Frage, das kann nicht schiefgehen, denkt sie. Doch kurz und knapp, als hinge das Leben davon ab, gibt einer nach dem anderen zwischen Teeschlucken seine Antwort ab.

      »Leer«, sagt ein schon etwas älterer Herr, zeigt auf Grietje und sich und stellt sich als Dieter vor. Leer, das kennt sie immerhin ein wenig. Freundlich nickt Sonja ihm zu und schaut die Nächste in der Runde an: eine Frau, die sie um die vierzig schätzt, mit einer eckigen schwarzen Brille und knallpinkem Lippenstift. »Aurich«, sagt die jetzt. »Leevke.« Merkwürdiger Name, findet Sonja, als der Mann neben der Dame schon mit einem anderen denkwürdigen Namen fortfährt. »Okko aus Emden. Nich mit Otto aus Emden zu verwechseln.« Sonja lacht. »Das kann ich mir jetzt gut merken.« Dann wendet sie sich dem Letzten im Kreis zu, einem anderen Volontär, wie sie vorher heraushören konnte. »Und wer bist du und in welcher Redaktion arbeitest du?«, fragt sie den schlaksigen Kerl mit der zerzausten Frisur. »Enno. Ich wohne im Rheiderland, fahre aber jeden Tag bis nach Norden.« Irritiert schaut Sonja ihn an. Immerhin hat sie nach der Stadt gefragt, nicht nach der Himmelsrichtung. Vielleicht wollte er testen, ob sie dranbleibt. »Okay«, sagt sie entschlossen, nicht lockerzulassen. »Die grobe Himmelsrichtung habe ich im Kopf. Aber in welcher Stadt arbeitest du genau?«

      Die anderen schnauben in ihre Teetassen, während Grietje betont beiläufig sagt: »Du, also das weißt du wahrscheinlich schon, aber bei uns gibt’s auch eine Stadt namens Norden.«

       Wat’n Mallöör

      Jo. Norden (plattdeutsch ausgesprochen: Nörden) ist nicht nur eine Himmelsrichtung, sondern auch eine der ältesten Städte Ostfrieslands. Ihren Namen schuldet sie vermutlich der Tatsache, dass sie die nordwestlichste Stadt auf dem deutschen Festland ist.

       KLOOKSCHIETER: FÜNF FAKTEN ZUM SPEEDDATING MIT NORDEN

      1 Eine sechs Meter hohe Schnapsflasche ist eines der Denkmäler Nordens. Vor einer historischen Mühle stehend, erinnert die Statue an die 1806 gegründete Spirituosenfirma Doornkaat, die einst zu den wichtigsten Arbeitgebern Nordens zählte. Den Standort hat die Firma längst geschlossen, nur das skurrile Überbleibsel mit dem angelaufenen Etikett zeugt noch von den guten alten Zeiten.

      2 Im Herzen Nordens befindet sich der größte Marktplatz Deutschlands. Umgeben von stattlichen Bürgerhäusern und der größten Kirche Ostfrieslands, der Ludgerikirche, bietet er mit seinen zur Stadtgröße völlig unverhältnismäßigen 6.678 Hektar Platz für (reichlich) Veranstaltungen.

      3 Wer von Norden nach Süden fährt, fährt nach Norden. Ja, ganz richtig gelesen. Denn so wie es die Stadt Norden gibt, gibt es auch die Stadt Süden – in Schleswig-Holstein. Sie liegt somit nördlicher als Norden selbst.

      4 Fast alle Glasfaserkabel Deutschlands beginnen in Norden. Das längste Kabel führt über 38.000 Kilometer nach Australien und Japan.

      5 Im Jahr 1800 gab es in Norden stolze 24 Kornbrennereien. Eigentlich verständlich in Anbetracht der steifen Brise, die den Ostfriesen an der Küste entgegenschlägt. Irgendwie müssen sie sich ja warmhalten.

      5

       DAS PLATTELAND

       … UND SEINE KLARE, DEUTLICHE UNDFÜR JEDERMANN VERSTÄNDLICHESPRACHE

      Der Bürgermeister der Stadt Weener, Herr Werner Wolkenberg, hat zur Pressekonferenz einberufen. Seit einer halben Stunde sitzt Sonja deshalb in ihrem alten Golf. Und seit einer halben Stunde ist noch immer keine Kurve in Sicht. Aufregend ist das Autofahren in Ostfriesland nicht. Auf dem Weg zu ihrem ersten Termin fährt sie mitten durch die Natur, überall sind Felder. Zumindest kennt sie den Weg schon ein bisschen von ihrem Ausflug zur Bohrinsel.

      Ein bisschen mehr Ablenkung wäre trotzdem nicht verkehrt. Sie drückt auf den Radioknopf. Sie möchte sich gut machen bei ihrem ersten Termin fürs Blattje. Gerade als Lokalreporterin muss sie mit den Leuten auskommen, das ist ihr klar. Ohne Menschen keine Geschichten. Sie fährt mit der rechten Hand über ihr linkes Schlüsselbein, wie immer, wenn sie aufgeregt ist. Um auf keinen Fall zu spät zu kommen, hat sie mehr Zeit eingeplant und ihren heiß geliebten Morgenkaffee weggelassen. Na ja, und auch weil die Kaffeemaschine noch eingepackt und ihr der Ausrutscher mit den Leerern nach wie vor peinlich ist. Lieber lässt sie noch ein wenig Zeit verstreichen, bevor sie den Laden wieder betritt. Dementsprechend ist sie zwar grimmig, kann dafür aber bei Morgenlicht die Jann-Berghaus-Brücke passieren. Zu ihrer rechten und linken Seite lässt die Sonne bereits die ersten Lichtreflexe durch die Wellen tauchen. Wie sie so über das Wasser fährt, merkt sie, wie sie langsam ein wenig ruhiger wird.

      Nachdem sie noch reichlich Ackerland hinter sich gelassen hat, hält Sonja in Weener angekommen an. Die Kamera um den Hals, einen kleinen Notizblock in der Hand, macht sie sich auf den Weg. »Mach dir man nicht so einen Kopp, die Rheiderländer sind tiefenentspannt«, hat ihre Kollegin Grietje in der Redaktion noch gesagt. Sonja hingegen schien weniger entspannt ausgesehen zu haben, jedenfalls fügte die neue Kollegin nach einem Blick auf ihr Gesicht schnell ein »Tee?« hinzu. Doch dafür hatte sie leider keine Zeit mehr gehabt. Ein wenig neugierig ist sie mittlerweile schon, immerhin hat sie in der Redaktion nur wenige Kaffeetrinker getroffen.

      Na ja, denkt Sonja jetzt, als sie an alten Backsteinhäusern vorbeiläuft, Grietje kommt auch aus dem Rheiderland. Da sorgt man sich bestimmt nicht darum, wie die Leute einen aufnehmen, immerhin kennt man die Gesichter schon sein ganzes Leben lang.

       KLOOKSCHIETER: WEENER – KLEINOD IM TIEFSCHLAF

      Weener liegt in der historischen Region Rheiderland ganz im Nordwesten Deutschlands und befindet sich linksseitig der Ems. Mit 15.500 Einwohnern ist es halb so groß wie Leer. Bedingt durch die Grenzlage sind 4,4 Prozent der Bewohner Niederländer. Der Alte Hafen in Weener ist mit seinen pittoresken Häuserzeilen ein echtes Kleinod und Zeugnis der einstigen wirtschaftlichen Bedeutung der Kleinstadt. Bier, Butter und Schnaps wurden von dort verschifft. Die ehemaligen Speicher, die mittelständigen Bürgerbauten und die Kleine-Leute-Häuser im Herzen der Stadt sind glücklicherweise gut erhalten geblieben. Heute dienen die Anlegestellen in Weener aber weitestgehend als Freizeithafen und sind beliebte Heimat verschiedenster Schiffe. So legen auch Traditionsschiffe an, die während der Saison sogar aus dem europäischen Ausland anreisen. Auch Sportbootfreunde kommen auf ihre Kosten: Mit 40.000 Quadratmetern ist der Sportboothafen ein kleines Paradies. Trotzdem hat die Stadt ihre Blütezeit hinter sich. Denn obgleich der Phoenix im Wappen der Stadt den Wiederaufstieg der Stadt nach dem Dreißigjährigen Krieg symbolisiert und der Bootstourismus ein wichtiges Standbein darstellt, ist die Innenstadt leer. Nur wenige Geschäfte sind dort noch zu finden.

      Wo genau war das Rathaus noch, was hatte Grietje gesagt? Durch die Einbahnstraßen bei der Einfahrt in den Ortskern hat Sonja glatt die Orientierung verloren, ihr Internet muss sich mit Erreichen des СКАЧАТЬ