Название: Der Dreißigjährige Krieg
Автор: Ricarda Huch
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Sachbücher bei Null Papier
isbn: 9783962818555
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Mit dem Erzherzog Matthias, der sich eine Zeit lang in Regensburg aufhielt, und seinem Abgesandten, dem Herrn von Starhemberg, waren die Evangelischen in leidlich gutem Einvernehmen, sehr zum Ärger Ferdinands, der mutmaßte, sein Oheim wolle mit den Glaubensfeinden paktieren, um sich ihres Beistandes zu rebellischen und gefährlichen Zwecken zu versichern. Eines Abends hatte der Erzherzog den pfälzischen Großhofmeister, Grafen Solms, und den Erzbischof Schweikhard von Mainz eingeladen, die etwa um Mitternacht zusammen aufbrachen. Der Erzbischof war ein stämmiger, aufrechter Herr, zwischen fünfzig und sechzig Jahren, mit rundem, fröhlichem Gesicht, der weder beim Zechen noch bei der Jagd oder im Gespräch ein Spielverderber war und weniger Anstoß an einem von dem seinigen abweichenden Glaubensbekenntnis nahm, als wenn einer seinen Lieblingswein verschmähte oder ein Rebhuhn nicht essen mochte, das er geschossen hatte. Seine Rede war, mit einem Biedermann könne man immer auskommen, einerlei ob er katholisch oder evangelisch sei, es sei töricht, sich das Leben mit Zwist und Hader zu verbittern, das ohnehin voll Ungebühr und Gefahren sei. Den Evangelischen gegenüber betonte er gern seine friedfertige, altdeutsche Gesinnung und stand in freundnachbarlichem Verkehr mit dem Kurfürsten von der Pfalz wie auch besonders mit dem gleichgesinnten, kaisertreuen Landgrafen von Hessen-Darmstadt.
Indem nun der Erzbischof in seinen Wagen steigen wollte, der an der Tür auf ihn wartete, bemerkte er, dass Graf Solms und sein Begleiter Camerarius keinen hatten, und lud sie ein, zu ihm einzusteigen, er wolle sie nach Hause fahren. Sie wären fremd hier, es gäbe allerhand Gesindel und Raufbolde in einer großen Stadt, sie hätten selbst pokuliert und wären nicht so fest auf den Füßen wie sonst, sie könnten in den engen Gassen einen Schrecken davontragen. Graf Solms dankte, sie hätten nicht weit zur Herberge und wollten ihn nicht belästigen, noch viel weniger seine Nachtruhe verkürzen. Ob sie ihn für einen alten Mann ansähen? fragte der Erzbischof lachend; so wolle er ihnen etwas Besseres zeigen. Wollten sie nicht mit ihm fahren, so wolle er mit ihnen gehen, der Wagen könne langsam hinterdreinfahren. Es war weit und breit still, man hörte nichts als das leise Singen des Schnees unter den Füßen. Hinter den Fenstern war nirgends mehr Licht, die Sterne glitzerten fern und frostig, und die Lichter in den Laternen, die die Diener trugen, hüpften wie die Augen einer wilden Katze über den Boden. Wie sie über den Platz bei der Emmeranskirche gingen, schien es ihnen, als ob sich am Chore etwas bewege, und indem sie sich umsahen, kam zwischen den Bäumen, die dort standen, ein verhüllter Mann hervor, trat schnell an des Grafen Seite und bat dringend um ein Almosen. Während der Diener, dem der Graf einen Wink gab, mit zitternder Hand in der Tasche nach einer Münze suchte, schob der Erzbischof seine Pelzkapuze zurück, trat dicht vor den Mann und sagte mit laut schallender Stimme: »Mitternacht ist keine Zeit, um Almosen zu bitten; wenn du in Not bist, so melde dich morgen bei mir, dem Erzbischof von Mainz«, worauf der Verhüllte augenblicklich zurückwich und in eiliger Flucht hinter der Kirche verschwand. Schweikhard triumphierte, er hätte es vorausgesagt, es sei jetzt ein großer Zulauf von abenteuerndem Gesindel in Regensburg, wäre er nicht zur Stelle gewesen, hätte der Wegelagerer ihnen noch ein Stück Geld abgeängstigt. Die Herren ließen es dabei, hielten aber dafür, der Mann sei ein Jesuit oder von Jesuiten gedungen gewesen und hätte es auf einen Mord abgesehen gehabt. Würde ein Bettler, dachten sie, sich in diesen kalten Nächten, wo die Vögel erfroren, auf die menschenleere Gasse stellen? Wer konnte sagen, ob der Erzbischof nicht von dem schwarzen Anschlag Wind bekommen und ihn aus löblichem Antrieb seines Herzens zunichte gemacht hatte?
Dem Stellvertreter des Kaisers, Ferdinand, wurde seine Bürde desto lästiger, je weniger ein Ende abzusehen war. Kam er vergnügt von einer Jagd oder Prozession zurück, so konnte er sicher sein, dass ihn eine unbequeme Nachricht von den Geschäften erwartete. Die Ketzer seien nun einmal halsstarrige Esel, sagte er, vergeblich traktiere man sie mit Hü und Hott, guten und bösen Worten, die Bestie sei nicht von der Stelle zu bringen. Inzwischen wurde ihm die Mutter krank, sorgte sich die Frau um ihn und um die Kranke, verlangte der Bube nach seinem Vater; er hätte den ganzen Kram zusammenschmeißen mögen. Da ereignete sich ein Zwischenfall, der ihn von ganz anderer Seite in die größte Bestürzung und Drangsal versetzte. Zufälligerweise nämlich geriet die Korrespondenz, welche von dem im Jahre 1606 zwischen den Gliedern der habsburgischen Familie abgeschlossenen Vertrage handelte, in die Hände eines kaiserlichen Beamten, und die sorgfältig geheimgehaltene Abmachung, ja gleichsam Verschwörung wurde dadurch dem Kaiser bekannt. Der Zorn desselben, der sein Misstrauen gerechtfertigt sah, stieg aufs höchste und wendete sich hauptsächlich gegen Ferdinand, den er für anhänglich und weniger gefährlich als seine Brüder gehalten hatte. Das Herz sank dem Erzherzoge, als das Missgeschick offenbar wurde und keine Möglichkeit blieb, das Geschehene abzuleugnen. Zwar wurden sofort Briefe an den Kaiser abgeschickt mit Versicherungen, der Vertrag sei keineswegs gegen seine Hoheit gemeint, sondern hätte nur für den etwaigen, hochzubeklagenden Fall seines Todes Vorsorge treffen sollen; allein sie verfingen nicht, und es galt nun, einen entschiedenen Standpunkt einzunehmen. Am liebsten hätte Ferdinand sich der Gnade des Kaisers anvertraut und Matthias verleugnet, da der Kaiser nun einmal das rechtmäßige Oberhaupt war und zunächst den sichersten Schutz bot; inzwischen hatte Matthias aber Fortschritte in Ungarn gemacht, und man musste darauf gefasst sein, dass er den rebellischen Protestanten in Böhmen die Hand bot und mit dem Kaiser abfuhr: wo blieben dann diejenigen, die es mit dem Abgedankten gehalten hatten? Im vertrauten Kreise schimpfte Ferdinand auf Matthias, der an allem schuld sei; hätte er voraussehen können, dass der desperate Mensch in solcher Furie gegen den eigenen Bruder losziehen würde? Die Suppe hätte ihnen der Khlesl eingebrockt, der mehr als der Gottseibeiuns zu fürchten sei; der hätte dem Matthias, der ein guter, frommer Mensch gewesen sei, so lange den Wolfspelz umgehängt, bis er ein Wolf geworden sei. Seine Mutter, die Erzherzogin Maria, die sich in den verschiedenen Klöstern, denen sie angehörte, mit Andachtsübungen auf den Tod vorbereitete, stimmte eifrig ein und riet zu vorsichtiger Zurückhaltung, um es weder mit Rudolf noch mit Matthias zu verderben; auch ihr Bruder, der alte Herzog von Bayern, Ferdinands Schwiegervater, sei der Meinung, da Ferdinand nun einmal in dieser Klemme stecke, müsse er СКАЧАТЬ