Seine Frau. Hanne-Vibeke Holst
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Seine Frau - Hanne-Vibeke Holst страница 14

Название: Seine Frau

Автор: Hanne-Vibeke Holst

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Die Macht-Trilogie

isbn: 9788726569612

isbn:

СКАЧАТЬ ihn mehr liebe als ihren toten Bruder, antwortete sie mit einem fremden, einschüchternden Fauchen, wie eine Katze aus der Unterwelt, dass sie nie jemanden lieben würde, wie sie Sonny geliebt hatte.

      Sie war sechzehn, er achtzehn, sie waren nur ein Junge und ein Mädchen; trotzdem hat er nie aufgehört, sich Vorwürfe zu machen, dass er nicht klüger gewesen ist. Denn an diesem Abend hat er sie verlassen. Ist aus der Tür gestürmt und hat sie hinter sich zugeschlagen, dass der Putz im Treppenhaus von den Wänden rieselte. Wahrscheinlich ist er da passiert, der Bruch. Selbst wenn der Vorhang nicht hier fiel, denn, wie sich zeigen sollte, gab es noch mehrere Akte in diesem Drama. Erst bereute er, rief sie von der Telefonzelle an der Ecke aus an. Aber sie legte ihn auf Eis, wollte ihre Meinung nicht ändern und weigerte sich mehrere Wochen, ihn zu sehen. Er ließ den Kopf hängen, spielte jedoch den Stolzen und ging mit anderen Mädchen aus, die hinten auf dem Rücksitz sitzen durften, als er die Paradefahrerei wieder aufnahm. Ob das schließlich den Ausschlag gab, ob es ein Ausdruck von Eifersucht oder Besitzanspruch war, darüber ist er sich nie klar geworden, aber plötzlich, an einem Dienstagabend im September, rief sie ihn an und fragte, ob er kommen und sie abholen mochte. Sie würde gern eine Tour machen. Sie würde gern raus nach Tomtelli fahren und sich die Stelle ansehen.

      In den Wochen, die vergangen waren, waren die Tage kürzer geworden und die Abende dunkler und kühler, und Linda war nicht länger ein helles, sonnengebräuntes Sommermädchen mit nackten Beinen. Ganz im Gegenteil haftete ihr etwas Winterhaftes an, wie sie in den engen Jeans und dem Anorak, dessen Reißverschluss ganz hochgezogen war, unter der Straßenlaterne im Borgbjergvej auf ihn wartete. Das Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden, und sie hatte kein Make-up aufgelegt. Er konnte sich nicht erinnern, sie jemals so zugeknöpft gesehen zu haben – und auch nicht so blass, mit dunklen Rändern unter den Augen. Doch als er erschrocken fragte, ob es ihr nicht gut gehe, versicherte sie ihm, dass es ihr ausgezeichnet gehe, schnipste ihre Zigarette fort und setzte sich mit der üblichen, leicht schwingenden Bewegung auf dem Sitz zurecht. Sie bestand auch darauf, nach Tomtelli hinauszufahren, obwohl er ihr das auszureden versuchte. Sie wirkte so zerbrechlich, und er war sich auch nicht sicher, ob er selbst das schaffen würde.

      Sie brach in Tränen aus, und er musste kräftig schlucken, als sie nach Tomtelli hinauskamen und das Motorrad an dem nach der Saison geschlossenen Kiosk abstellten. Der Laternenpfahl hatte ordentlich etwas abbekommen, wie sie sagte, als sie sich die Augen trocken gewischt hatte. Es lagen noch immer verwelkte Blumen da, und der Asphalt stank noch immer nach Blut, und am Mast selbst waren in den morschen Ritzen des Holzes bräunliche Spritzer zu sehen. Er ließ sie allein, während sie die Stirn gegen den Pfahl lehnte und die Lippen bewegte, als würde sie beten. Anschließend suchten sie am Straßenrand nach weiteren Spuren, welcher Art auch immer, und als er nach einer intensiven Suche im Schein der Laterne einen zerbrochenen Seitenspiegel entdeckte, hatte er ein Gefühl, als hätte er die Goldenen Hörner gefunden. Sie lächelte das erste Mal an diesem Abend und steckte den Schatz in ihre Anoraktasche.

      Und dann ... Ja, dass es mit diesem Abend enden sollte, kam völlig überraschend für ihn. Ebenso wie er ganz anders verlief, als er sich vorgestellt hatte. So hatte er beispielsweise immer vor sich gesehen, dass sie einen Rock anhaben würde, wenn es endlich passierte. Einen Rock und einen Hüfthalter und dünne Nylonstrümpfe. Und dann musste er sich mit ein paar beschwerlichen Röhrenhosen abmühen, die sie ihm selbst half herunterzuziehen, als sie nach einer kalten Fahrt im Gegenwind, auf der er sie gegen seinen Rücken gepresst weinen spürte, zurück in die Stadt kamen und verfroren und durchgepustet in dem Schrebergartenhaus drüben in Frederikshøj landeten. Der Vorschlag kam von ihr. Sie wollte nicht nach Hause. Das wollte sie einfach nicht. Nachdem sie den Kirschwein aus dem Schrank geteilt und den größten Teil einer Packung North State unter einer klammen, grauen Wolldecke geraucht hatten, passierte es. Sie gab ihm nicht nur die Erlaubnis. Sie nahm ihn. Es war äußerst verwirrend und traurig, und sie weinte erneut, als er durch die enge Öffnung in sie eindrang, und er kam zu schnell, obwohl er meinte, aufgepasst zu haben. Denn Kondome hatte er dieses eine Mal nicht parat.

      Obwohl er nicht sehr erfahren war, war es nicht sein erstes Mal. Er war mit einigen der Willigen, die dadurch zu den »Billigen« wurden, im Keller und drüben im Gebüsch bei dem Fußballfeld gewesen, und deshalb ärgerte es ihn furchtbar, dass er ihr kein besseres »erstes Mal« hatte bieten können. Denn ganz offensichtlich hatte sie nicht einmal annähernd etwas davon. Sie lag einfach da auf dem Sofa und weinte ihr ruhiges, unablässiges Weinen, das nicht auszuhalten war. Natürlich bot er ihr an, sie nach Hause zu fahren, aber nein, sie wollte bleiben, und was Max anging, würde es keine Probleme geben. Sie bestimmte jetzt selbst. Irgendwann in der Nacht schliefen sie eng umschlungen auf dem schmalen Lager ein. Am nächsten Morgen wachten sie erst gegen neun auf, und vielleicht nutzte er sie aus, denn diesmal ging die Initiative von ihm aus. Sie war weicher und nicht so angespannt, aber wenn er ehrlich war, schien es auch diesmal nicht das große Vergnügen für sie zu sein. Er selbst kam auf ihrem Bauch in dem irrtümlichen Glauben, dass das sicher wäre. Edel wischte er den Samen mit seinem Taschentuch ab, das er im Stillen beschloss, nie mehr zu waschen. Denn jetzt gehörte sie ihm.

      Das flüsterte er ihr unter der Decke zu, und sie lächelte, und es war herrlich. Obwohl es bald zehn war, hatte er es noch immer nicht eilig, nach Hause zu kommen. Und wenn es ihr gleichgültig war, zu spät in die Schule zu kommen, konnte es ihm dieses eine Mal auch gleichgültig sein, zu spät zur Arbeit zu erscheinen. Deshalb lud er sie zum Frühstück ein, und auch in der Kaffeebar in der Toftegårds-Allee blieben sie hängen, bis die Kellnerin lange Blicke in ihre Richtung warf. Sie sagten nicht viel; er, weil er so voller Gefühle war, dass er sie unmöglich in Worte fassen konnte. Er glaubte oder hoffte, dass sie aus dem gleichen Grund schwieg: weil sie überwältigt war, dass sie jetzt zusammengehörten. Dass jetzt alles wieder gut war. Von Reue merkte er nichts, ganz im Gegenteil, sie klebte die ganze Zeit an ihm. Noch nie hatte er sie so verletzlich erlebt und noch nie einen solchen Drang gespürt, sie zu beschützen. Zärtlich hatte er den Arm um sie gelegt, sie an sich gezogen und mit belegter Stimme gemurmelt, dass er sie liebe. Dass sie nicht antwortete, machte nichts. Sie hatte seine Hand gedrückt, und ihre Augen waren wieder blank geworden, und das hatte ihm als Antwort gereicht. Sie tranken noch eine Kanne Kaffee und teilten sich die letzte Zigarette, und dann hatte er sie still und ruhig nach Hause in den Borgbjergvej gefahren. Max stand lauernd hinter der Gardine, wie er sehen konnte, doch sie küsste ihn wie immer zum Abschied schnell auf den Mund, dann war sie im Haus.

      An diesem Tag hatte er Lust, ihr alle Blumen Kopenhagens zu kaufen, die Goldschmiede zu bestürmen und sich als frisch verlobt zu erklären. Doch etwas hielt ihn zurück, denn sein Glück basierte auf Unglück, und das machte ihn unruhig. Und ganz richtig, schon am selben Abend nahmen seine bangen Ahnungen zu. Sie hatte »Kopfschmerzen«, sagte Max, der ihm mit finsterem Gesichtsausdruck aufmachte. Und auch am nächsten Tag kam sie nicht heraus. Am dritten Tag bekam er einen Brief, in dem sie mit ihm brach. Ihre Beziehung beendete. Ohne Erklärung. Und fünf Wochen später schrieb sie ihm noch einen Brief, in dem sie ihm ebenso kurz mitteilte, dass sie schwanger war. Er hatte nicht aufgepasst.

      Natürlich war er bereit, sie zu heiraten. Trotz der Panik, mit neunzehn Vater zu werden. Sie konnten eine Heiratserlaubnis bekommen, zu Hause bei ihm und seiner Mutter wohnen, da war Platz genug. Aber sie wollte von ihm nichts wissen und von dem Kind auch nicht. In die Abtreibung sollte er sich nicht einmischen, das würde sie selbst erledigen, und damit war er eigentlich aus dem Spiel. Was Max ihm vollkommen klarmachte. Er solle sich einfach von ihr fernhalten. Linda wolle mit so einem Schuft nichts mehr zu tun haben, und wenn er sich ihr jemals wieder näherte, würde er eine solche Tracht Prügel beziehen, dass er das nie mehr vergäße.

      Am ersten November war er mit der Lehre fertig, und am zweiten November fuhr er nach Hamburg und heuerte auf einem Kohlenschiff an, auf dem sein Onkel Steuermann war. Er schrieb ihr in seiner Koje einen Brief nach dem anderen, aber sie antwortete nie, und als er auf Landurlaub nach Hause kam, war er zu stolz, sie aufzusuchen. Später, als sie zur Miss Danmark gewählt worden war, bekam er einen Zeitungsausschnitt über sie zugeschickt. In den Jahren, die folgten, erhaschte er immer wieder einmal einen Blick auf sie, einmal am Storchenbrunnen, wo sie in einer Gruppe СКАЧАТЬ