Seine Frau. Hanne-Vibeke Holst
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Название: Seine Frau

Автор: Hanne-Vibeke Holst

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Die Macht-Trilogie

isbn: 9788726569612

isbn:

СКАЧАТЬ und mit roten Wangen. Für ihn besteht noch Hoffnung, der Blick der beiden Großen ist bereits stahlhart, sie gehen wohl einer kriminellen Zukunft entgegen. Stephanie hat man beim Ladendiebstahl erwischt und Patrick aus dem Landschulheim nach Hause geschickt, weil er fünf Gramm Hasch bei sich hatte. Das ist Scheiße, und ich wünschte, ich könnte etwas für sie tun – etwas anderes, als heimlich Weihnachtsgeschenke zu schicken, wie ich das auch dieses Jahr getan habe.

      Deshalb winke ich dem hustenden Daihatsu, der bestimmt den nächsten TÜV nicht übersteht, auch mit einer gewissen Beklommenheit nach. Ole-Stig sagt nichts, legt mir nur einen Arm um die Schulter; er weiß, was ich denke, und auch, was ich fühle. Vielleicht besser als ich. Wir überlassen das Thema sich selbst wie einen Vogel mit einem gebrochenen Flügel; wir sind mitten in den Vorbereitungen für das Weihnachtsessen, und es bringt nichts, über das Kind zu weinen, das ich verloren habe, und die Kinder, die ich später nicht bekommen konnte.

      »Great kids! Was sind die groß geworden«, sagt er, als das Auto um die Ecke verschwunden ist. Etwas im Klang seiner Stimme verrät, dass er vielleicht den gleichen Schmerz mit sich herumträgt, sich nie reproduziert zu haben. Ob es Gert auch so geht? Haben sie jemals darüber gesprochen? Dass die Familie mit ihnen ausstirbt, mit den beiden Brüdern?

      »Ja«, sage ich und schaudere vor Kälte. Es ist noch immer windig, obwohl der Sturm langsam abnimmt. »Die Kinder sind schon okay. Na schön, wir sollten besser ...!«

      Ole-Stig nickt, und wir gehen in die Küche und fahren da fort, wo wir aufgehört haben. Wir liegen gut in der Zeit; wir arbeiten prima zusammen, und selbst Gert findet sich in den Rhythmus ein, als er aus seinem Arbeitszimmer auftaucht, wo er wie üblich Stunden über seinem Taschenrechner und einem Block verbracht hat. Ole-Stig nennt ihn kopfschüttelnd einen unverbesserlichen workaholic – am Weihnachtsabend über einem alternativen Finanzgesetz zu brüten! Wo er nicht einmal Finanzsprecher ist! Gert zuckt versöhnlich mit den Schultern und macht unaufgefordert eine Flasche Wein auf, Kerzen und Musik an. Frank Sinatras Weihnachtshits sind kurz darauf aus den Lautsprechern in der Küche zu hören.

      »Das ist das Amerika, das es einmal gab. Vor Ground Zero«, bemerkt Ole-Stig und summt bei I’ll Be Home for Christmas mit, während er das Glas Rotwein entgegennimmt, das Gert ihm eingegossen hat. Ich bekomme auch eins; er macht es ganz voll, damit ich den Wein nicht mit Wasser verdünnen kann, nicht wahr? Es wäre gelogen, zu behaupten, dass ich den ganzen Tag noch keinen Tropfen getrunken habe. Ich war gezwungen, in das Außenlager im Garten zu gehen, wo ich Flaschen unter ein paar großen, leeren Tontöpfen versteckt habe, um ein paar Drinks zu kippen. Nicht viele, nur genug, dass meine Hände nicht so zittern. Deshalb bin ich ungewöhnlich klar im Kopf und kann sowohl zuhören wie auch die Sauce zubereiten, während das Gespräch zwischen den beiden Brüdern lebhaft wird, die sich mit ihren roten Haaren, ihren Sommersprossen und ihren behänden Gestalten zwar gleichen, ansonsten aber so unterschiedlich wie Tag und Nacht sind. Nicht nur weil Ole-Stig vier Jahre jünger und schwul ist und mit seinem gepflegten Schnäuzer, der modischen Kleidung und der Breitling-Uhr am Handgelenk durchaus als wohlhabender gay doctor von der amerikanischen Ostküste gecastet werden könnte, der in einige der Sitcoms passt, mit denen ich mein Dasein friste. Sondern auch weil Gert der Schwermütige und Rätselhafte, und Ole-Stig mit einem fröhlicheren Gemüt und einer allumfassenden Offenheit gesegnet ist. Besonders wenn sie zusammen sind, wird dieser Unterschied deutlich. Während Gert das Glas immer als halb leer ansehen wird, ist es für Ole-Stig stets halb voll. Trotzdem fällt mir, während ich das Entenfett von der Sauce abschöpfe, auf, dass Ole-Stig pessimistischer wirkt als sonst.

      Sie unterhalten sich nämlich über Politik, über Amerikas Rolle in der Welt, über die Wahrscheinlichkeit, dass die USA sich die patriotische Stimmung für ihren Krieg gegen den Terror zunutze machen und den Irak besetzen werden, um Saddam Hussein zu stürzen. Ole-Stig verdreht die Augen, während Gert all die Männer aufzählt, die den Präsidenten unterstützen, unter anderem Cheney und Rumsfeld, die beiden Falken des rechten Flügels. Sie sind ganz versessen darauf, auf den Knopf zu drücken, send in the marines, und der allzu weiche Falke Colin Powell dürfte außerstande sein, das zu verhindern.

      »That’s right!«, stimmt Ole-Stig zu. »Und wenn diese Condoleezza Rice sie auch noch anspornt, werden sie sich noch mehr ins Zeug legen! What the fuck macht sie in dieser Regierung?«

      »Sie ist die schwarze Geisel«, sagt Gert und klaut sich eine meiner Zigaretten aus der Packung auf dem Küchentisch. Eine seltene Ehre. »Condee ist der Schinken im Sandwich. Genau wie Colin«, fügt er hinzu.

      »Sie ist die schwarze weibliche Geisel«, ergänze ich und schüttle mir selbst eine Zigarette aus der Packung. Drehe mich zu Gert um, um mir Feuer geben zu lassen, aber er hat das Feuerzeug weggelegt. Ole-Stig nimmt es und gibt mir Feuer.

      Gert zieht skeptisch die Mundwinkel nach unten, er hat meine »selbst gestrickten Analysen« noch nie gemocht. Obwohl sie auf dem sporadischen Lesen der internationalen Zeitungen und Zeitschriften basieren, die ich ab und zu aus Gerts Papierkorb fische, um mich durch sie hindurchzuarbeiten. Wenn ich mit Saubermachen, Wochenzeitschriftenlesen und Nägellackieren fertig bin, versteht sich.

      Doch Ole-Stig gibt mir recht, hurra!

      »Yeah! Condee ist noch wichtiger für sie als Powell! Wenn eine schwarze Frau bis ganz an die Spitze kommen und Sicherheitsbeauftragte werden kann, ist an der Legitimität der Bush-Regierung nichts auszusetzen. Dann kann man sie nicht der Diskriminierung beschuldigen, oder?«

      »Wir sind fast gleichaltrig. Sie ist ’54 geboren«, sage ich und ernte einen resignierten Blick von Gert, der sich wieder darin bestätigt fühlt, dass ich nicht intelligenter bin als die Türen, gegen die er meinen Kopf knallt. Das ist so eine Angewohnheit, die ich mir zugelegt habe. Ich erinnere mich an die Geburtsjahre berühmter Frauen, um mich damit zu quälen, was aus mir hätte werden können. Richterin am Obersten Gerichtshof, Professorin der Molekularbiologie, Literaturnobelpreisträgerin, Ministerin ...! Natürlich ist das Unsinn, lächerlich, mir einzubilden, dass an mir eine Superfrau verloren gegangen ist. Dafür habe ich, 1950 geboren, noch immer eine reelle Chance, unter die jüngeren Toten zu fallen, die ich täglich in den Todesanzeigen zähle. Zumindest das muss ich schaffen, früh genug zu sterben, damit es bemerkt wird. Und wie immer hilft Gert mir dabei, dieses Ziel zu erreichen, indem er spitz fragt, was diese Bemerkung soll?

      »Nichts«, piepse ich und konzentriere mich hausmütterlich auf die bräunenden Kartoffeln, die Ole-Stig vergessen zu haben scheint. Schulmeisterhaft wendet sich Gert Ole-Stig zu und erklärt den Begriff Pax Americana, dem wir Europäer per definitionem, like it or not, unterworfen sind, wie er meint. Eine Radiodiskussion, zu der ich – wie er annimmt – absolut keine Meinung habe. Von mir wird erwartet, dass ich den Mund halte. Aber ich bin trotz allem auch ein paar Semester auf die Universität gegangen, und ich kann eine Zeitung lesen, und jetzt, wo Ole-Stig als Puffer da ist, kann ich der Versuchung nicht widerstehen, meine Meinung kundzutun.

      »Ja, aber«, unterbreche ich und mache einen tiefen Zug. »Es ist zwar möglich, dass wir uns mit Amerikas ökonomischer und militärischer Dominanz abfinden müssen. Es ist auch möglich, dass wir als kommunistischer Satellitenstaat geendet wären, wenn die USA uns nicht gerettet hätten. Aber bedeutet das, dass wir ihnen ewig dafür dankbar sein müssen? Historische Überlegenheit gibt doch nicht dem Stärkeren das moralische Recht, den Schwächeren niederzuwalzen! Man muss doch Respekt vor anderen Meinungen haben ... Ich meine, das ist doch nicht zivilisiert, oder?«

      »Was ist nicht zivilisiert?«, fragt Gert und stößt Rauch aus.

      »Andere auf ihren Platz zu prügeln«, sage ich und begegne seinem Blick, als der Rauch in Richtung Dunstabzug zieht. »Seinen Willen zu erzwingen«, meine ich. »Das ist doch unmenschlich, nicht?«

      Ole-Stig nickt bestätigend, trotz Gerts spitzer Bemerkung: »Das ist internationale СКАЧАТЬ