Seine Frau. Hanne-Vibeke Holst
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Название: Seine Frau

Автор: Hanne-Vibeke Holst

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Die Macht-Trilogie

isbn: 9788726569612

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СКАЧАТЬ Straße überqueren zu können. Kann man vom eigenen Mann vergewaltigt werden? Das kann man wohl. In Guatemala oder in Pakistan, habe ich gelesen. Aber ich kann das nicht. Denn ich habe es selbst darauf angelegt.

      Die Macht zu verlieren, heißt auch, die Privilegien der Macht zu verlieren. Heißt, auf den Bus warten zu müssen, der nicht kommt, und die Blicke auszuhalten und vielleicht auch den einen oder anderen etwas zu voreiligen oder anmaßenden Kommentar. Und, vermissen Sie das Ministerauto? Es heißt auch, in einer Schlange im Morgenverkehr auf dem Åboulevard festzustecken und zu hören, wie der Nachfolger sich in den Radionachrichten über die Verhandlungen zur Finanzgesetzgebung auslässt, die man selbst so viele Jahre geleitet hat, dass man das Staatsbudget bis zu den kleinsten Posten in Kronen und Øre kennt. Heißt, aus seinem Büro geworfen zu werden, seinen Schubladeninhalt in Umzugskartons packen zu müssen, und seines Handys, seines Zeitungsabos, seines Einflusses auf die politische Tagesordnung und des Zugriffs auf die Presse beraubt zu werden. Und es heißt, nicht mehr über den riesigen Serviceapparat zu verfügen, zu dem das umfassende Verständnis der persönlichen Sekretärin dafür gehört, dass der Begriff Ministerbedienung auch den Einkauf von Weihnachtsgeschenken für die Ehefrau umfasst. Somit heißt die Macht zu verlieren auch, gezwungen zu sein, sich selbst ein Weihnachtsgeschenk für die Frau ausdenken und kaufen zu müssen, die man wieder einmal weit über das vertretbare Maß hinaus misshandelt hat, weil man seine Frustrationen nirgendwo anders abreagieren konnte. Sicher, man kann zum Glück fluchend auf die Hupe drücken, wenn ein Umzugswagen bei Rot über die Kreuzung in der Gyldenløvsgade fährt, und man kann ein Idiot! herausbrüllen und damit die Gedankenreihe kappen, die der Anblick der Gräfin-Danner-Stiftung, dem Krisenzentrum für misshandelte Frauen, bei einem Mann in Gang setzt, der selbst vor nun bald fünfundzwanzig Jahren mit dabei war, die Übernahme dieses vom Abriss bedrohten Hauses durch die Emanzen zu unterstützen. Dass gerade dieser junge Arbeitsminister der Held der Emanzen wurde, muss als Ironie des Schicksals bezeichnet werden, doch auch das lässt Gert Jacobsen hinter sich, als er kräftig aufs Gaspedal tritt, um noch bei Gelb hinüberzukommen, bevor die Ampel an der Nørre Farimagsgade auf Rot schaltet.

      Einen wunderschönen!«, lächelt der Fahrradhändler, als ich eintrete. »Sie haben sich entschieden?«

      Ich nicke zustimmend, ja, ich habe mich entschieden. Oder ich entscheide mich zumindest in diesem Augenblick, in dem es mir absolut einleuchtend erscheint, dass genau das das Richtige ist. Ein Fahrrad für meinen Mann zu kaufen. Als Weihnachtsgeschenk. Von meinem Ersparten. Wenn es eine Überraschung sein soll, kann ich nicht mit der Kreditkarte bezahlen, da er meine Kontoauszüge penibel durchgeht. Es ist schließlich sein Geld, wie er so gern betont. Und jetzt, wo er mehr Zeit hat, die täglichen Transaktionen mithilfe des Online-Bankings zu verfolgen, muss ich buchstäblich für jeden einzelnen Posten Rechenschaft ablegen. Spar, Rewe, Netto, Aldi – was mache ich mit dem ganzen Haushaltsgeld? Er ist schließlich selten zum Abendessen zu Hause und hat auch nicht den Eindruck, dass ich selbst viel feste Nahrung zu mir nehme. Was unausgesprochen heißt, dass ich mehr auf flüssige Sachen stehe und dass der Alkohol so viel kostet. Bald lässt er sich bestimmt die Kassenzettel vorlegen, was seinen Verdacht natürlich bestätigen und gleichzeitig meine Strategie zunichtemachen wird, die Beträge etwas nach oben abzurunden, sodass ich immer ein wenig Bargeld zur Seite legen kann. Inzwischen habe ich ein heimliches Guthaben von einigen Tausend, eine Reserve, um, ja, um was? Sehen wir der Wahrheit ins Gesicht, ich werde nie abhauen, also kann ich ruhig ein wenig davon für ein Fahrrad ausgeben, das ich ihm gern zu Weihnachten schenken möchte.

      Ich habe es immer geliebt, Dinge für ihn zu kaufen – einen Schlips, ein Buch, einen Füller. Als würde er in dem Augenblick, in dem ich das Geschenk auswähle und in schönes Papier einpacken lasse, zu dem Mann, den ich in meinen Träumen in ihm sehe, dem Mann, der er in Wirklichkeit ist. Fein und einfühlsam, klug und musisch. Ich möchte ihm gern zeigen, dass ich weiß, dass er nicht so ist, wie er zusammen mit mir geworden ist. Vielleicht sind das eine Art Opfergaben, die ich ihm bringe. In den ersten Jahren war er überrascht und hat sich gefreut wie ein Kind, das es nicht gewohnt ist, solche Aufmerksamkeit zu bekommen. Das war er schließlich auch nicht; er hat selbst erzählt, dass er in seiner Kindheit in dem afrikanischen Dorf fast keine Spielsachen hatte; hat erzählt, wie sie Spielzeugautos aus Stahldraht und Metallband gebastelt und Fußbälle aus mit Klebeband umwickelten Lappen hergestellt haben. Mit der Zeit begannen ihn meine kleinen Liebesbezeugungen, die er fortwarf oder nicht einmal auspackte, zu ärgern. »Was willst du dafür haben?«, fragte er, als gäbe es eine unausgesprochene Rückzahlungsforderung. Als drehe sich alles im Leben um Soll und Haben, Profit und Verlust. »Nichts, Schatz. Nur dich«, habe ich geantwortet. Wie dumm kann man eigentlich sein? Auf Dauer?

      Inzwischen mache ich ihm nur noch selten Geschenke. Nur die rituellen zum Geburtstag und zu Weihnachten. Selbst da versuche ich, mich zu beherrschen und die Geschenkhysterie auf einem vernünftigen Niveau zu halten, wie er es auszudrücken beliebt. Somit ist das Fahrrad fast schon nicht mehr zu vertreten, aber ich kann der Versuchung nicht widerstehen, es ihm zu schenken. Ich glaube, es wird ihn freuen. Das jungenhafte Lächeln hervorzaubern, für das ich alles tun würde. Es ist ein klassisches schwarzes Raleighrad mit Trommelbremsen, gebraucht, aber gut instand gesetzt. Ich habe es im Fenster gesehen, und gestern bin ich hineingegangen und habe es reserviert. Der Fahrradhändler ist ein Einwanderer, sein Dänisch ist fehlerhaft, wenn auch erheblich besser als das seines Kompagnons. Ich bin mir nicht sicher, dass die beiden Vettern alles verstehen, was ich sage, aber sie teilen die Freude an meiner Idee.

      »Sehr schönes Fahrrad«, betont der Fahrradhändler und holt es für mich herunter. Ich lege die Hand auf den Sattel, betätige die Klingel und rede zu viel, wie üblich, wenn ich endlich den Mund aufbekomme. Kann mich jedoch gerade noch bremsen, als ich ausplappern will, dass mein Mann das Fahrrad gut gebrauchen kann, weil ihm nicht länger ein Auto mit Fahrer zur Verfügung steht. Doch als der Fahrradhändler fragt, ob ich nicht auch einen Fahrradhelm für ihn haben will, kann ich mich nicht beherrschen, breche in Gelächter aus und sage, dass ich das bestimmt nicht will, weil er Politiker ist und sich ein Politiker mit Helm mit Sicherheit zur Witzfigur macht. Und der Fahrradhändler lacht hinter seinem Schnäuzer und fragt, ob ich vielleicht mit Per Vittrup verheiratet bin?

      »Nein, nein!«, lache ich noch lauter. »Ich bin mit Gert Jacobsen verheiratet!«, sage ich, und der Fahrradhändler zeigt sich sofort äußerst imponiert und übersetzt alles seinem Kumpel, der anerkennend nickt. »Minister? Ja?« – und plötzlich geht es nicht mehr allein darum, einer etwas zu hektischen, nach Alkohol riechenden dänischen Frau ein gebrauchtes Fahrrad zu verkaufen, sondern einem berühmten Mann ein zukünftiges Kleinod zu liefern. Einem aus dem Fernsehen!

      »Schloss Sie bekommen gratis«, beschließt der Fahrradhändler, als hätte er damit teil an der Berühmtheit, und obwohl ich protestiere, bleibt es dabei. Wir einigen uns, dass sie das Fahrrad am 23. Dezember liefern. Ich biete an, die Adresse selbst aufzuschreiben, womit ich erneut meine Voreingenommenheit demonstriere, denn der Fahrradhändler hat bereits C. F. Richsvej, Gert Jacobsen, korrekt und ohne Rechtschreibfehler notiert.

      »Grüßen Sie Ihren Mann«, ruft mir der Fahrradhändler hinterher, als ich wieder auf dem Weg nach draußen bin, und ich senke das Kinn und lege mir verschwörerisch einen Finger auf die Lippen und sage »Sssst, das ist ein Geheimnis!« und trete lächelnd auf die Straße hinaus, stolz, die Frau eines berühmten Mannes zu sein. Und während ich mich unter den über der Straße schaukelnden Tannengirlanden mit den strahlenden elektrischen Lämpchen in Sternenform nach Hause kämpfe, wächst dieser Stolz, und ich erinnere mich, wie ich in der allerersten Zeit vor Stolz angeschwollen bin, wenn ich auf seinem Schoß saß, während er mit irgendeinem Typen aus dem Kollektiv diskutierte und ohne jede Anstrengung die meisten mundtot machte, wenn sie der Sozialdemokratie vorwarfen, revisionistisch zu sein, und das Folketing zum verlängerten Arm des Kapitals erklärten. Ich nahm nie an den Diskussionen teil, ich war schließlich nur die Liebste des Häuptlings, seine Squaw, und das habe ich geliebt. Mehr als alles andere habe ich genossen, dass die anderen Mädchen mich hassten, weil ich ihn erobert hatte, was jede von ihnen auch versucht hatte. Und wer hat ihn bekommen? Miss Danmark 1970! Das dumme Flittchen СКАЧАТЬ